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Geheimkonto für WM 2006?

Stefan Nestler11. November 2015

US-Ermittler haben angeblich Hinweise, dass der frühere FIFA-Vizechef Jack Warner ein geheimes Konto unter dem Namen "Lokales Organisationskomitee Deutschland 2006" führte. Analogien zur WM 2010 in Südafrika fallen auf.

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Jack Warner und Franz Beckenbauer. Foto: Getty Images
Jack Warner (l.) und Franz Beckenbauer bei einer Veranstaltung im Jahr 2000Bild: Getty Images/AFP/N. Duarte

Neben Franz Beckenbauer rutscht auch Jack Warner immer mehr in die Rolle einer Schlüsselfigur im Skandal rund um die Vergabe der Fußball-WM 2006. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung geht aus Unterlagen der US-Bundesbehörde FBI hervor, dass der frühere Vize-Präsident des Fußball-Weltverbandes FIFA bei einer US-Bank ein geheimes Konto unter dem Namen "LOC Germany 2006 Limited" geführt haben soll. LOC steht bei der FIFA als Abkürzung für "Lokales Organisationskomitee". Am Dienstag hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bestätigt, dass Beckenbauer und der damalige FIFA-Vizepräsident Warner aus Trinidad und Tobago ein Dokument unterschrieben haben, das den Verdacht des versuchten Stimmenkaufs nahelegt. In diesem Vertragsentwurf sind laut DFB-Interimspräsident Rainer Koch "diverse Leistungen, keine direkten Geldleistungen von deutscher Seite zugesagt worden". Der zweite DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball wertete dies als Bestechungsversuch.

Das Dokument stammt vom 2. Juli 2000, vier Tage vor der WM-Vergabe. Ob der Vertrag wirklich vollzogen wurde, ist noch unbekannt. Deutschland hatte die Abstimmung des FIFA-Exekutivkomitees mit 12:11 Stimmen gegen Südafrika gewonnen. Der Verband für Nord- und Zentralamerika sowie der Karibik (CONCACAF), dem Warner vorstand, stimmte nach Informationen des Sport-Informations-Dienstes (sid) allerdings geschlossen gegen Deutschland.

Warner bestreitet Vereinbarung mit Beckenbauer

"Ich hatte mit niemandem aus Deutschlands Organisationskomitee für die WM 2006 irgendeine Vereinbarung", antwortete Warner schriftlich auf eine Anfrage des Fernsehsenders Sport 1: "Außerdem möchte ich mich nicht am internationalen Medienzirkus beteiligen, der mich erniedrigt und verleumdet." Die FIFA-Ethikkommission hatte Warner Ende September eine Hauptrolle im FIFA-Korruptionsskandal zugeschrieben: "Jack Warner verübte fortwährend und wiederholt verschiedene Vergehen, während er bei der FIFA und der CONCACAF als Funktionär verschiedene hochrangige und einflussreiche Ämter bekleidete." Warner ist von der FIFA lebenslang für alle Ämter im Zusammenhang mit Fußball gesperrt.

Zehn Millionen Dollar für die "afrikanische Diaspora"

In seinem Heimatland kämpft er derzeit gegen eine Auslieferung in die USA. Dort droht Warner ein Strafverfahren wegen Korruption. Unter anderem geht es um eine Überweisung der FIFA im Jahr 2008 in Höhe von zehn Millionen Dollar auf ein Konto, das von Warner, so die US-Ermittler, "kontrolliert" habe. Das Geld wurde aus FIFA-Mitteln für das südafrikanische Organisationskomitee abgezweigt und als Unterstützung der "afrikanischen Diaspora in der Karibik" verbucht. Der südafrikanische OK-Chef Danny Jordaan hatte den damaligen FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke gebeten, das Geld zu überweisen. Sowohl die FIFA als auch die Verantwortlichen in Südafrika bestritten, dass es sich um Bestechungsgeld gehandelt habe.

Danny Jordaan. Foto: Pressefoto Ulmer
Danny JordaanBild: picture-alliance/Pressefoto ULMER/M. Ulmer

Auch in der Affäre um die WM-Vergabe 2006 an Deutschland geht es um eine ominöse Zahlung von zehn Millionen Dollar (6,7 Millionen Euro), deren Verwendungszweck und Empfänger nach wie vor unklar ist. DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball erwartet kein schnelles Ende der aktuellen Krise des Deutschen Fußball-Bundes. "Der DFB befindet sich derzeit in einer höchst problematischen Situation. Im Sinne unseres Sports gilt es daher, gemeinsam anzupacken", sagte Rauball der "Bild"-Zeitung. "Dafür wird deutlich mehr Zeit nötig sein, als erwartet wird."

Rauball hatte am Dienstag gesagt, er wünsche sich, dass Beckenbauer die Gelegenheit nutze, sich zu erklären. Diesen Gefallen tat der "Kaiser" ihm zwar nicht, aber sein Management ließ am Dienstagabend verlauten: "Franz Beckenbauer steht den zuständigen Gremien weiterhin zur Verfügung und wird sich daher öffentlich nicht äußern."

Razzia beim Fußballverband Maltas

Auf Malta hat die Polizei derweil im Zug des WM-Skandals die Büros des Fußballverbands der Mittelmeerinsel durchsucht. Die britische Zeitung "The Mail on Sunday" hatte berichtet, sie verfüge über Dokumente, die bewiesen, dass ein lukrativer TV-Deal während eines geheimen Treffens des früheren Verbandspräsidenten Joe Mifsud mit dem damaligen Bayern-Präsidenten Franz Beckenbauer im Jahr 2000 besiegelt worden sei. Dabei sei es um die Fernsehrechte für ein Freundschaftsspiel zwischen Malta und den Bayern 2001 gegangen. Mifsud sagte, er könne sich nicht daran erinnern, ob Beckenbauer wirklich dabei gewesen sei, als der Vertrag zwischen dem maltesischen Verband und der Schweizer TV-Rechte-Agentur CWL im Juni 2000 in seinem Haus unterschrieben worden sei. Mifsud soll beim FIFA-Votum für die Vergabe der WM an Deutschland gestimmt haben. Beckenbauer war damals Bayern-Präsident und zugleich Chef des Bewerbungskomitees.

sn/tu (sid, dpa)