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Warum Frankreich nicht zur Ruhe kommt

Max Hofmann, Brüssel / rg1. Juni 2016

Frankreich wird gebeutelt durch eine scheinbar endlose Abfolge von Streiks und Protesten. Max Hofmann erklärt anhand von fünf Zahlen, warum es dem Land so schwer fällt, eine Arbeitsmarktreform auf den Weg zu bringen.

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Frankreich Arbeitsmarktreform Protest
Bild: Getty Images/AFP/F. Lo Presti

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So viele Arbeitslose gibt es derzeit in Frankreich. Das entspricht einer Arbeitslosigkeit von 10,3 Prozent und liegt somit etwas unterhalb des Rekords, der bisher in Hollandes Amtszeit zu verzeichnen war. Die Zahl ist aber viel zu hoch, um es Francois Hollande zu erlauben, von einem "signifikanten Abbau der Arbeitslosigkeit" zu sprechen. Das war jedoch genau das, was er dem Volk versprochen hatte. Er hatte davon sogar eine erneute Kandidatur abhängig gemacht.

Besonders besorgniserregend ist die Jugendarbeitslosigkeit. Rund 24 Prozent der jungen Franzosen gelingt es nicht, einen Job zu finden - und das bedeutet nichts Gutes für Frankreichs Zukunft, führt es doch traditionell zu Unmutsbekundungen auf den Straßen von Frankreichs Großstädten. Die Bewegung "Nuit Debout" (die ganze Nacht wach) verzeichnet bereits regen Zulauf von Studenten und Jugendlichen. Was sie genau fordern, ist unklar, aber es geht darum, eine radikale Veränderung der Gesellschaft herbeizuführen.

Frankreich: Die CGT lehnt die Arbeitsmarktreform ab (Foto: Reuters)
Die CGT lehnt die Arbeitsmarktreform abBild: Reuters/S. Mahe

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So viel Prozent der Berufstätigen in Frankreich sind Gewerkschaftsmitglieder. Die Zahl ist niedrig - im Vergleich zu Dänemark, wo stolze 66.8 Prozent der arbeitenden Bevölkerung gewerkschaftlich organisiert sind - oder auch in Deutschland, das auf 18,1 Prozent kommt.

Aber man soll sich nicht täuschen lassen: Durchschnittlich beteiligen sich 70 bis 80 Prozent der Angestellten in Wahlen zu Betriebs- und Personalräten. Daran sieht man, dass, obwohl nicht viele Franzosen in Gewerkschaften organisiert sind, sie sich dennoch aktiv für ihre Interessen in Verhandlungen mit den Arbeitgebern einsetzen.

Manche Gewerkschaften sind für die geplante Arbeitsmarktreform, andere strikt dagegen. Zu der zweiten Gruppe gehört die linksgerichtete CGT, die traditionell einen guten Stand bei Arbeitern hat. Die CGT lehnt die Reformen grundsätzlich ab und möchte unter Beweis stellen, dass sie das ganze Projekt kippen kann. Auch wenn das bedeutet, dass der Arbeitskampf sogar die Fußball-Europameisterschaft überschattet. Die CGT nimmt das billigend in Kauf.

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...wie "Artikel 2" der geplanten Reform. Man nennt ihn auch das "Khomri-Gesetz" nach der gegenwärtigen Arbeitsministerin Myriam El Khomri. Sie wollte Frankreich einen liberalen Touch geben - und handelte sich mit ihren Vorschlägen ziemlich viel Ärger ein.

Was würde dieser Artikel bedeuten, würde er verabschiedet? Das ist nicht einfach zu erklären: Im Prinzip gibt er Betrieben das Recht, Absprachen mit ihren Angestellten zu treffen und damit die tariflichen Vereinbarungen auszuhebeln, die bislang für ganze Wirtschafts- und Industriebereiche gelten. Die Gewerkschaften haben Sorge davor, dass dies zu einer Erosion ihrer Macht führen könnte, und dazu führen würde, dass Überstunden schlechter bezahlt würden. Es würde den Arbeitgebern ermöglichen, die teure 35 Stunden Arbeitswoche quasi durch die Hintertür abzuschaffen. Obwohl nichts sicher ist und "Artikel 2" eindeutige Grenzen setzt, so ist er doch der größte Dorn im Auge der Gewerkschaften.

Myriam El Khomri (Foto: Imago/PanoramiC/S. Allaman)
Myriam El Khomri - ihr Gesetz passt den Gewerkschaften nichtBild: Imago/PanoramiC/S. Allaman

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Das ist Frankreichs Rang beim internationalen Wettbewerbsindex im Bezug auf die Flexibilität des Arbeitsmarktes. Rang 127 ist ziemlich schlecht. Wenn man alle Faktoren - wie Infrastruktur und Internetzugang hinzunimmt - kommt Frankreich zwar auf Rang 22 des Wettbewerbsindex, aber das ist für die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU nicht akzeptabel. Wenn es so bleibt, wird Frankreich der gesamten EU schaden, indem es Schulden anhäuft und den Fortschritt der gesamten Region bremst. Frankreichs größter Problemfaktor ist der starre Arbeitsmarkt - und die meisten Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass sich das ändern muss, damit das Land wieder ein Motor für die Gemeinschaft werden kann. Deshalb ist die französische Regierung verzweifelt bemüht, Reformen durchzudrücken - zur Not auch ohne die Zustimmung des Parlaments.

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So viel Prozent der Wähler würden Francois Hollande noch wählen. Dieser Umfragewert ist ein wichtiger Grund dafür, dass er jetzt als Präsident etwas zeigt, das er bislang vermissen ließ: Rückgrat.

Francois Hollande (Foto: DPA)
Francois Hollande: Seine letzte Chance, ein Vermächtnis zu hinterlassenBild: picture-alliance/dpa

Der Wert ist nicht nur schlecht - er ist unterirdisch. Bislang kann der Präsident gar keine Erfolgsmeldungen vorweisen, sondern nur ein Sammelsurium unvollendeter Angelegenheiten. Er will offenbar alles versuchen, das zu ändern, um endlich etwas Positives vorweisen zu können. Wenn er dieses Mal wieder nachgibt wird er keinerlei politisches Vermächtnis hinterlassen. Er hat den Originaltext der Arbeitsmarktreform bereits so weit abschwächen lassen, dass er kaum für eine weitreichende Reform taugt. Jetzt zeigt er Kante - und die Gewerkschaften weigern sich mitzuspielen. Es fällt schwer zu erkennen, wie Frankreich kurzfristig die Probleme lösen will, damit ab dem 10. Juni das größte Fussballfest Europas in einer friedlichen und festlichen Atmosphäre stattfinden kann.