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PolitikAsien

China trägt nicht zum Frieden in der Ukraine bei

Alexander Görlach
28. Februar 2023

Wer Frieden zwischen Russland und der Ukraine schaffen will, muss zunächst einmal die Tatsachen anerkennen. Da hat China auch an anderer Stelle seit Jahren Probleme, meint Alexander Görlach.

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Kombobild aus Porträts von Wolodymyr Selenskyj (links) , Xi Jinping (Mitte) und Wladimir Putin (rechts)
Kann Chinas Präsident Xi Jinping (Mitte) zwischen Wolodymyr Selenskyj (li.) und Wladimir Putin (re.) vermitteln?Bild: picture alliance

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich zum Positionspapier Pekings zu Wort gemeldet und einen "gerechten Frieden" für die Ukraine angemahnt. Dass die Volksrepublik auf dem Weg dorthin eine konstruktive Rolle spielen wolle, bezweifelte das deutsche Staatsoberhaupt allerdings.

Zu recht, denn das Dokument aus Peking ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung bekannter Positionen und weist weder einen Fahrplan in Richtung Frieden, noch legt es dar, welche Rolle China bei diesem Prozess spielen möchte. Darüber hinaus verkennt es die Faktenlage und würdigt die angegriffene Ukraine herab, in dem das Land als ein Kriegsakteur auf derselben Stufe wie Russland beschrieben wird.

Worin besteht der Konflikt?

Beide Seiten müssten an den Verhandlungstisch zurückkehren, um ihren Konflikt zu lösen, heißt es aus China. Doch worin besteht der Konflikt? Peking behauptet, Ursache des Krieges sei, dass die NATO expandieren wolle. Doch war ein Beitritt der Ukraine zum Verteidigungsbündnis, der als solcher erst einmal überhaupt keine Gefahr für Russland darstellen würde, zu Beginn der russischen Invasion gar nicht in Sicht. Auf Basis dieser absichtsvollen Falschbehauptung ist es für Peking folgerichtig, dass Kiew unter Umständen auch Gebiete an Russland abtreten muss.

Autorenbild | Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Dabei gehören der von Russland besetzte Osten der Ukraine und die Krim zum völkerrechtlich verbrieften Territorium der Ukraine. Russland hat hier nicht, wie von Peking unterstellt, aus Notwehr gehandelt, um der NATO zuvorzukommen, sondern das Recht gebrochen, das die Ordnung der Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestimmt. Der Krieg ist das Resultat von Putins Gesprächsverweigerung gegenüber dem Nachbarland. Wobei auch nicht klar ist, über was der russische Präsident eigentlich auf welcher Grundlage sprechen will. Denn die Ukraine hat wie jedes andere Land - das räumt sogar Peking in seinem Dokument ein - das Recht, Bündnisse frei zu wählen und den eigenen Weg ohne Bevormundung selbst zu bestimmen. Gespräche kann es daher frühestens dann geben, wenn Russland vollkommen aus den widerrechtlich besetzten Gebieten abgezogen ist.

Vorbild Taiwan-Politik

Peking verfolgt mit seinem Vorschlag eine klare Strategie: Durch das ständige Wiederholen falscher Behauptungen soll der Eindruck entstehen, dass die chinesische Position legitim sei. Den gleichen Kurs fährt Peking schon seit Jahrzehnten bei den Vereinten Nationen: Dort behauptet es fälschlicherweise, dass die Resolution 2758, die der Volksrepublik den Sitz Chinas in der UN zuspricht, zugleich auch anerkannt habe, dass Taiwan ein Teil dieser Volksrepublik sei. Doch das ist nicht der Fall. Dieses Beispiel belegt allerdings, dass Peking einen langen Atem hat, wenn es um die Verbreitung von Unwahrheit geht.

Deutlich wird an alledem, dass die Volksrepublik kein neutraler Akteur ist, der auf dem Weg zum Frieden in der Ukraine eine ernsthafte Rolle spielen könnte. So enthielt sich die Diktatur zum Jahrestag der russischen Invasion in der Vollversammlung der Vereinten Nationen ein weiteres Mal bei der Abstimmung über eine Resolution zum Krieg. Auch lehnt Peking - in Übereinstimmung mit dem Kreml - es ab, diesen Krieg einen Krieg zu nennen. 

Vorwürfe allein in Richtung USA

Chinas Präsident Xi Jinping behauptet zwar, dass sein Land zur territorialen Integrität von Nationalstaaten stehe. Gleichzeitig leugnet er, dass Russland genau diese verbriefte Souveränität mit Füßen tritt. Peking erhebt Vorwürfe allein in Richtung USA: Waffenlieferungen fachten den Krieg an und seien daher zu verurteilen. Dabei erfüllen die Länder, welche die Ukraine unterstützen, nur ihre Pflicht im Sinne des Völkerrechtsprinzips der "Schutzverantwortung" ("Responsibilty to Protect"), das besagt, dass denen, die schuldlos angegriffen werden, geholfen werden muss. Genau das ist in der Ukraine der Fall. Es gibt keinen guten Krieg, aber es gibt gute Gründe, einem angegriffenen Land in der Not beizustehen.

Die Berichte mehren sich, wonach auch Peking inzwischen selbst plant, Waffen an die Front in der Ukraine zu liefern, um Putins Angriffskrieg zu unterstützen. Warum das geschieht ist klar: Für Xi wäre es das Horror-Szenario schlechthin, wenn Putin gestürzt würde und in Russland die demokratische Opposition an die Macht käme. An Scheinheiligkeit ist dieses Vorgehen allerdings nicht zu überbieten. Peking macht so den Krieg in der Ukraine bewusst zu einem Stellvertreterkrieg zwischen sich und den USA. Nach Deeskalation sieht das nicht aus. Mit Chinas Hilfe ist kein gerechter Friede zu erreichen. 

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.