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Görlach Global: Protest mit Sonnenblumen und Regenschirmen

Alexander Görlach
26. März 2024

Es ist eine taiwanesische Erfolgsgeschichte: Die Massenproteste der "Sonnenblumen-Bewegung" vor 10 Jahren haben das demokratische Bewusstsein auf der Insel nachhaltig gestärkt, meint Alexander Görlach in seiner Kolumne.

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2014 studierte Tausende von Studenten in Taiwan für mehr Demokratie. Ihr Symbol ist die Sonnenblume, die von den Demonstranten hochgehalten wird
Prägend für das demokratische Bewusstsein Taiwans: Die "Sonnenblumen-Bewegung" feiert ihr zehnjähriges Jubiläum Bild: Pond5 Images/IMAGO IMAGES

Vor ziemlich genau zehn Jahren, am 18. März 2014, besetzten rund 200 Studierende in Taipeh das Parlament Taiwans. Sie wollten damit ein Handelsabkommen der amtierenden konservativen Regierung mit der benachbarten Volksrepublik China verhindern.

Dieser Deal im Hinterzimmer war ohne Diskussion im Parlament beschlossen worden. In den Augen der Demonstrierenden hätte das Abkommen die ökonomische Unabhängigkeit des kleinen Inselstaats aufs Spiel gesetzt und Taiwan in die Fänge Pekings getrieben.

Bis zum 10. April dauerte die friedliche Blockade des Parlaments, die am Ende von Erfolg gekrönt war. Denn das Abkommen kam nicht zustande.

Studenten stehen im Parlament von Taipeh in einer Reihe, um gegen ein Handelsabkommen mit China zu demonstrieren, Taiwan, 2014
Im April 2014 besetzten Studenten das Parlament in Taipeh, um gegen ein Handelsabkommen mit China zu demonstrierenBild: Wally Santana/AP Photo/picture alliance

Triumph der Freiheit

Mehr noch, bei der darauf folgenden Präsidenten- und Parlamentswahl am 16. Januar 2016 wurde die konservative Kuomintang KMT abgewählt. Seitdem regiert bereits in der dritten Amtszeit in Folge ein Staatsoberhaupt von der liberalen Fortschrittspartei.

Die "Sonnenblumen-Bewegung", wie die Proteste gegen das Handelsabkommen genannt wurden, ist die Geburtsstunde eines neuen demokratischen Bewusstseins auf Taiwan. Es war prägend für das Selbstverständnis einer ganzen Generation.

Etliche der Protagonisten gingen nach der Sonnenblumen-Bewegung zuerst ins Ausland, um zu studieren und dann, nach ihrer Rückkehr, in die Politik des Landes. Sie engagierten sich entweder in der Liberalen Fortschrittspartei oder in der 2015 neu gegründeten New Power Party.

Flower Power

Die Sonnenblume wurde zum Symbol des erfolgreichen demokratischen Protestes, nachdem ein Blumenhändler die Studierenden mit 1000 Blumen, die er vor das Parlamentsgebäude liefern ließ, ermutigte, nicht von ihren Protesten abzulassen.

Auch im benachbarten Hongkong kam es im Jahr 2014 zu Protesten von Studierenden. Sie richteten sich gegen die chinesische Zentralregierung unter dem gerade erst im Jahr 2013 ins Amt gekommenen Xi Jinping.

Die Welt setzte damals noch große Hoffnung in den neuen mächtigen Mann Chinas und glaubte, dass Xi den langsamen Reformkurs seines Landes fortsetzen würde. Doch am Beispiel Hongkong wurde schnell deutlich, dass diese Hoffnungen nicht erfüllt werden würden.

Regenschirme gegen Pfefferspray

Vom 28. September bis zum 15. Dezember 2014 gingen bis zu 100.000 Menschen auf die Straße, um gegen Xis Vorhaben zu protestieren, dass nur noch solche Kandidaten in der semi-autonomen Metropole zur Wahl aufgestellt werden durften, die Peking vorher abgesegnet hätte.

Die Proteste erhielten den Namen "Regenschirm-Bewegung". Namensgeber waren die vielen aufgespannten Regenschirme, mit denen sich die jungen Demonstrierenden gegen das von der Polizei versprühte Pfefferspray, das sie auseinander treiben sollte, schützten.

Sonnenblumen und Regenschirme - schon in den Namen und im Umgang mit den beiden Bewegungen zeigt sich der himmelweite Unterschied zwischen dem totalitären China und dem demokratischen Taiwan.

In Taipeh widersetzte sich die Polizei vor zehn Jahren der Weisung des KMT-Premierministers, den Plenarsaal räumen zu lassen. In Hongkong hingegen verabschiedete das unter Pekings Kontrolle stehende Parlament zum zehnjährigen Jubiläum der Sonnenblumen-Bewegung am 19. März eine Erweiterung des "Sicherheitsgesetzes".

Weltspiegel 6.5.21 | Proteste gegen Verurteilung von Aktivist Joshua Wong in Hongkong
Mitglieder der "Patriotisch-demokratischen Bewegungen Chinas" protestieren gegen die Festnahme des Aktivisten Joshua Wong im Mai 2021 in HongkongBild: Tyrone Siu/REUTERS

Resignation in Hongkong

Dazu gehören neue "Straftatbestände" wie "Aufruhr" und "Einmischung von außen". Die Maßnahme ist als reiner Einschüchterungsterror zu verstehen, denn mittlerweile sitzen die Demokratiedemonstranten, wie der bereits 2014 bekannt gewordene Joshua Wong, lange Strafen ab.

Etliche Menschen sind ins Ausland geflohen. Dort will Diktator Xi sie mit Hilfe von Kopfgeldjägern aufspüren, nach China überführen und dort ins Gefängnis werfen lassen.

Die Demokratiebewegungen in Taiwan und Hongkong zeigen, wohin eine Welt steuern würde, in der China das Sagen hat: In der ehemals quirligen, lebendigen Stadt, die beliebt war in Ost und West, ist Resignation eingekehrt. Wer Hongkong verlassen kann, der tut es.

Im demokratischen Taiwan hingegen, von dem Peking behauptet, dass es ein Teil der Volksrepublik sei, wurde am 13. Januar erfolgreich und frei gewählt. Der bisherige Vizepräsident Lai Ching-te von der Liberalen Fortschrittspartei wird im Mai als Staatsoberhaupt vereidigt.

Gelbes Symbol für Demokratie

Für China ist die Existenz einer funktionierenden und prosperierenden Demokratie vor der Haustür eine Gefahr. Denn die Taiwaner könnten die chinesische Bevölkerung auf dem Festland eines Tages dazu inspirieren, auch in Freiheit leben zu wollen.

Die Taiwaner haben dank der Sonnenblumen-Bewegung vor zehn Jahren ihre Demokratie erhalten können. Ihr Einsatz ist Inspiration für alle in der Welt, die sich zusammentun und gegen Totalitarismus und das Wiedererstarkten eines menschenfeindlichen Faschismus wehren - sei er chinesischer, russischer oder anderer Prägung.