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Görlach Global: Xis Macht steht über Chinas Wachstum

Alexander Görlach
28. August 2023

Washingtons "De-Risking"-Strategie macht sich bemerkbar. Doch der wahre Grund für den Einbruch der chinesischen Wirtschaft ist Pekings Wandel von einer Autokratie zur Einmann-Diktatur, meint Alexander Görlach.

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China | Gina Raimondo in Peking
US-Handelsministerin Gina Raimondo (Mitte rechts) bei ihrem Besuch in PekingBild: Andy Wong/REUTERS

Der Besuch der US-amerikanischen Handelsministerin Gina Raimondo fällt in eine Zeit, in der die schlechten Nachrichten über die chinesische Wirtschaft nicht abreißen. Kurz vor der Visite wurden Zahlen veröffentlicht, wonach der Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt eingebrochen ist: Die Vereinigten Staaten haben im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat 20 Prozent weniger Güter aus dem Reich der Mitte importiert.

In dem Minus spiegeln sich die Konsequenzen der "De-Riskings"-Strategie der Biden-Regierung wider, die zunehmend mehr Nationen einzuschlagen bereit sind. Die Gründe dafür sind vielfältig, von neuen Lieferketten, die aufgrund der Ausfälle während der Corona-Pandemie nötig wurden, bis hin zu geopolitischen Zerwürfnissen, die einer zunehmend erratisch agierenden Führung der Volksrepublik geschuldet sind.

Weniger Technologie-Transfer

Autorenbild | Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

"De-Risking" ist bereits Realität, auf beiden Seiten. Washington will dadurch die aggressive, kriegsbereite chinesische Armee von Technologien fernhalten, die Xi Jinping militärisch gegen die USA und ihre Verbündeten einsetzen könnte.

Peking wiederum möchte, dass seine Wirtschaft autark und damit unabhängig vom Rest der Welt wird. Zudem soll der Yuan zu einer globalen Leitwährung werden, damit die Volksrepublik nicht von Sanktionen getroffen wird, sollte Xi den von ihm angekündigten Krieg gegen Taiwan wirklich beginnen.

Umweg über Mexiko

Vieles an dieser Entkoppelung ist jedoch reine Propaganda: Zwar ist das Importvolumen von Gütern aus der Volksrepublik in die USA in der ersten Hälfte 2023 um die Hälfte gesunken. Allerdings gleicht sich einiges dadurch wieder aus, dass Güter aus China nach Mexiko exportiert und dort umgepackt werden, bevor sie in die Vereinigten Staaten gelangen.

Machthaber Xi Jinping hat mehr as einmal deutlich gemacht, dass er bereit ist, auf Wachstum und Wohlstand zu verzichten, wenn es der Festigung seiner Herrschaft dient. Nicht umsonst schwört der Führer in Ansprachen seine Untertanen auf harte Zeiten ein.

Brics-Gipfel in Südafrika Xi Jinping
Expansion: Chinas Präsident Xi Jinping, hier beim BRICS-Gipfel in Südafrika, will seine Vormacht im Handelsbündnis wirtschaftlich und politisch ausbauenBild: Themba Hadebe/dpa/picture alliance

Was in China lahmt, ist vor allem die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen innerhalb des Landes. Die Hoffnung der Kommunistischen Partei, dass der Konsum nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder anziehen würde, hat sich nicht erfüllt.

Hauptsache Sparen

Analysten sehen den Grund hierfür in der erratischen Politik Pekings. Da vielen Konsumenten nicht klar sei, wohin sich das Land entwickele, sparten sie lieber als ihr Geld auszugeben.

Chinas Zentralbank, die People's Bank of China, hat im Februar diesen Jahres Daten veröffentlicht, denen zufolge die gesamten Sparguthaben im Jahr 2022 um 26,3 Billionen Yuan (3,92 Billionen US-Dollar) gestiegen seien, darunter 17,8 Billionen Yuan an Ersparnissen der privaten Haushalte.

Eine stagnierende Wirtschaft schafft keine neuen Arbeitsplätze. In diesem Jahr ist die Jugendarbeitslosigkeit in der Volksrepublik auf über 21 Prozent gestiegen, der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Die KP hat mittlerweile aufgehört, diese Zahlen zu veröffentlichen.

"Flach auf dem Boden liegen"

Die Jugend reagiert zunehmend apathisch und hat den Slang-Begriff "Tang Ping" für ihre Situation kreiert, was übersetzt so viel bedeutet wie "flach auf dem Boden liegen und die Schläge über sich ergehen lassen".

China | Jugendarbeitslosigkeit Jobsuche
Gut qualifiziert und dennoch ohne Job: Chinas Jugend trifft die Wirtschaftskrise besonders hartBild: Schifres Lucas/dpa/picture alliance

Die Volksrepublik hat nach fast drei Jahrzehnten kontinuierlichen Wachstums auch ohne die Effekte der Pandemie ein Plateau erreicht, das typisch ist für Länder, die sich wie China entwickelt haben. Die Löhne und Produktionskosten sind allgemein teurer geworden, weswegen einige Industrien sich bereits vor Covid in Richtung Vietnam und Kambodscha aufgemacht haben.

Peking müsste nun eigentlich dafür Sorge tragen, dass sich Bildung und Ausbildung an diese Veränderung anpassen, um Zukunftstechnologien und Wachstum zu kreieren. Doch dies geschieht nicht, da ein Umbau Chinas in eine Wissensgesellschaft an der Zensur und dem Primat der Kommunistischen Partei scheitert.

Chinas ökonomische Schwierigkeiten sind der Unterordnung der Wirtschaft unter das Primat der Partei geschuldet. Wer die misslungene Politik der für zehntausende Menschen todbringenden Mao-Ära wieder aufwärmen will, kann nicht Reformen und Wachstum im Sinn haben, die bis zum Amtsantritt Xis im Jahr 2012 den Takt für die chinesische Politik bestimmt haben.

Die aktuelle wirtschaftliche Misere ist ausschließlich dem autokratischen politischen System, das Xi Jinping in den vergangenen Jahren zunehmend in eine handfeste Einmann-Diktatur verwandelt hat, geschuldet. Da es Xis Absicht ist, noch mehr Macht für sich zu gewinnen, steht zu erwarten, dass die Probleme der chinesischen Wirtschaft weiter wachsen.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.