G20: Finanzminister unterm Damoklesschwert
7. Juni 2019Beim G20-Treffen im japanischen Fukuoako rechnet Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit Fortschritten im Kampf gegen Steuerdumping - das Thema steht auf der Tagesordnung des Gipfels der G20-Länder Ende Juni in Osaka. Wie ein Damoklesschwert droht allerdings der Handelskonflikt, den US-Präsident Trump mit China und Mexiko und der EU vom Zaun gebrochen hat, den Gipfel zu bestimmen. Die Gruppe der G20 versammelt die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer.
Vor dem seit diesem Freitag laufenden Vorbereitungstreffen der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs hatten Deutschland und Frankreich dem deutschen Fachminister zufolge einen Vorschlag für ein internationales System der Mindestbesteuerung gemacht. Damit solle sichergestellt werden, dass global tätige Konzerne wie die großen Internetfirmen ihre Steuerlast nicht nahe null senken können, indem sie Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern. Scholz hofft hier aus Fortschritte: "Es sieht so aus, als ob wir im wachsenden Maße Zustimmung bei den Finanzministern vieler der beteiligten Länder gewinnen können", sagte Scholz im Vorfeld.
Fortschritte bei der Digitalsteuer?
Das Treffen in Fukuoka sei dabei ein wichtiger Meilenstein, Fortschritte in Steuerfragen seien "sehr konkret möglich". Experten sehen das allerdings anders. Der schwelende Handelsstreit mache es noch schwieriger, gemeinsame Lösungen zu finden, sagte etwa der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher.
Vor allem bei der Besteuerung von Internetfirmen sieht etwa die OECD, die Wirtschaftsorganisation der Industriestaaten, Handlungsbedarf. Deutschland hofft Regierungskreisen zufolge darauf, dass es in Japan wenigstens eine Einigung auf den Zeitplan gibt, der bis 2020 zum Ziel führen soll.
Allerdings sind selbst Bemühungen einer EU-weiten Digitalsteuer bislang gescheitert. Für eine globale Lösung muss es in erster Linie eine Verständigung mit den USA geben. Dort sitzen die großen Internetfirmen. Und dort sitzt auch Präsident Trump mit seiner ganz eigenen, wenn auch oft erratischen Agenda.
DIW-Chef Fratzscher erwartet denn auch, der von den USA entfachte Handelsstreit mit China und Europa werde das G20-Treffen überschatten: "Die Tragik des Handelskonflikts ist, dass viele andere wichtige Themen auf der Strecke bleiben." Bei der Besteuerung von Internetfirmen gebe es auch deshalb kaum Chancen auf eine Einigung, weil auch chinesische Unternehmen betroffen sein würden.
Die EU-Finanzminister sehen denn auch im Abbau der Handelstreitigkeiten das wichtigste Ziel beim Gipfeltreffen der Ressortkollegen aus den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern. Damit könnte die erwartete moderate Erholung der Weltwirtschaft erhalten bleiben, begründen die Finanzminister in einem von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehenen Eckpunktepapier ihre Ziele bei dem Treffen an diesem Wochenende. "Der Abbau der Spannungen in den Handelsbeziehungen erfordert die höchste Priorität", heißt es in dem Papier.
Ziel: globale Mindeststeuer
Dabei wäre eine Steuerregel für die Internetkonzerne eine im Wortsinn gewinnbringende Aufgabe. Die drei Internetriesen Microsoft, Apple und die Google-Mutter Alphabet sind inzwischen die wertvollsten Unternehmen der Welt. Aber Digitalkonzerne haben ihren Sitz meist nur in einem Staat und können ihre Geschäftstätigkeiten noch an Standorten mit für sie günstigen Steuersätzen bündeln - oft außerhalb Europas. Durch ihre Nutzer erzielen sie aber auf der ganzen Welt Wertschöpfung. Die EU-Kommission etwa schätzt, dass Digitalfirmen im Schnitt etwa neun Prozent Unternehmenssteuern zahlen, klassische Betriebe aber mehr als 20 Prozent.
Der deutsche Finanzminister Scholz hofft nun wenigstens auf eine Grundsatzentscheidung der G20 zu der Verteilung von Besteuerungsrechten für Staaten. Darüber hinaus soll es aber auch - wieder einmal - darum gehen, wie die legale Steuerflucht in Steueroasen zu verhindern wäre. Mittels des neuen Lösungskonzepts: globale Mindeststeuer.
Aber auch darüber hängt das Damoklesschwert Handelsstreit. So sieht das auch der Internationale Währungsfonds (IWF). Vor dem Ministertreffen in Fukuoka schrieb IWF-Chefin Christine Lagarde: "Die unmittelbare Aufgabe ist es, die Handelsspannungen abzubauen und das internationale Handelssystem zu modernisieren."
ar/hb (rtr, dpa, afp)