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G20: Lulas Kampf um Klima, Armut und Vermögenssteuer

Nik Martin
17. November 2024

Auf dem G20-Gipfel in Brasilien soll es nach dem Wunsch der Gastgeber um die Besteuerung der Superreichen gehen, um Klimaschutz und Armutsbekämpfung zu finanzieren. Geopolitische Fragen dürften aber den Vorrang haben.

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G20-Gipfel-Banner an einem Gebäude
Schwierige Verhandlungen stehen beim G20-Gipfel in Rio anBild: Mauro Pimentel/AFP/Getty Images

Der brasilianische Präsident und G20-Gastgeber Luiz Inacio Lula da Silva will an das Geld der reichsten Milliardäre und vermögendsten Steuervermeider der Welt. Vorarbeit leisteten die G20-Finanzminister bei einem Treffen im Juli in Rio. Dort einigten sich die reichsten Länder der Welt immerhin darauf, einen "Dialog über eine faire und progressive Besteuerung, auch von sehr vermögenden Personen" zu beginnen, trotz des heftigen Widerstands der Vereinigten Staaten und der inzwischen gescheiterten deutschen Regierungskoalition.

Doch dürften die wachsenden geopolitischen Probleme der Welt - die Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen, die Aussicht auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump und der Handel mit China - den zweitägigen Gipfel dominieren. Lula hofft aber, den Plan für die Vermögenssteuer voranzubringen, da das von den Milliardären eingenommene Geld dazu beitragen könne, andere dringende globale Probleme zu lösen.

Marlene Engelhorn mit Plakat "Tax the rich!"
Die Idee einer Vermögenssteuer hat Unterstützer - auch bei Superreichen wie Marlene Engelhorn (Archivbild)Bild: Fabrice Coffrini/AFP

Besteuerung der Superreichen würde Milliarden bringen

Der von dem französischen Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman entwickelte Plan sieht die Einführung einer jährlichen Steuer von zwei Prozent auf das gesamte Nettovermögen der Superreichen vor. Also nicht nur auf ihr Jahreseinkommen, sondern auch auf Immobilienvermögen, Unternehmensbeteiligungen und andere Investitionen. Zucman schätzt, dass die obersten 0,01 Prozent der Bevölkerung derzeit einen effektiven Steuersatz von nur 0,3 Prozent ihres Vermögens zahlen.

Eine zweiprozentige Abgabe könnte seiner Ansicht nach bis zu 250 Milliarden Dollar (237 Milliarden Euro) pro Jahr von den fast 2800 Milliardären weltweit einbringen. Die eingenommenen Mittel könnten laut dem Plan zur Bekämpfung der zunehmenden globalen Ungleichheit verwendet werden, insbesondere in den hochverschuldeten Ländern mit niedrigem Einkommen, darunter viele in Afrika.

"Die Besteuerung von vermögenden Privatpersonen ist sehr wichtig, da sie die Bekämpfung von Hunger und Armut und des Klimawandels finanzieren könnte", sagt auch Tomas Marques, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger GIGA Institut für Lateinamerika-Studien, der DW.

Yachten im Hafen
Superyachten von Superreichen - auch die Besteuerung von solchem Vermögen würde nach Ansicht von Befürwortern viel bringenBild: Mandoga Media/IMAGO

Die Entwicklungsländer, die nach Ansicht vieler Wissenschaftler unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind, fordern seit Jahren Finanzmittel, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels auszugleichen. Zu den Erfolgsgeschichten gehören die Unterstützung der Weltbank und des Grünen Klimafonds für Indiens Versuch, die Solarenergiekapazitäten zu erhöhen. Aber auch Brasiliens Amazonas-Fonds, der auf die Reduzierung der Entwaldung abzielt und teilweise von Norwegen und Deutschland finanziert wird.

Skepsis gegenüber G20-Ausgabenplänen

Auch wenn es eine breite öffentliche Unterstützung für neue Steuern auf die Superreichen geben mag, führt der steigende nationale Populismus in vielen G20-Ländern in eine andere Richtung: nämlich öffentliche Gelder besser im eigenen Land einzusetzen statt für  internationale Hilfe oder Entwicklungshilfe.

"Den meisten G20-Ländern fällt es schwer, ihre Haushalte auszugleichen", sagt Maria Antonieta Del Tedesco Lins, Wirtschaftswissenschaftlerin und außerordentliche Professorin an der Universität von Sao Paulo. Da sei es schwierig, "den nationalen Druck mit neuen internationalen oder multilateralen Verpflichtungen in Einklang zu bringen".

Bei der Eröffnungszeremonie am Montag in Rio wird die Globale Allianz gegen Hunger und Armut ins Leben gerufen, eine Initiative im Rahmen der brasilianischen G20-Präsidentschaft, die darauf abzielt, die Anstrengungen im Kampf gegen Armut und Nahrungsmittelmangel bis 2030 zu beschleunigen.

Ist Reichensteuer sinnvoll?

Die brasilianische Regierung ist neben Frankreich, Spanien und Südafrika auch der Hauptbefürworter der vorgeschlagenen Steuer für Superreiche. Aber schon im eigenen Land gibt es Widerstand: Das Unterhaus des brasilianischen Parlaments, die Abgeordnetenkammer, lehnte im vergangenen Monat Pläne für eine zusätzliche inländische Steuer für Großverdiener ab.

"Es ist eine Schande, denn Brasilien könnte [von dieser Steuer] sehr profitieren, weil wir ein sehr ungleiches Land sind. Wenn es einen internationalen Konsens [über die Besteuerung der Superreichen] gäbe, könnte dies die Verhandlungen im brasilianischen Kongress erleichtern", sagte Lins.

In Brasilien, wie auch im Rest der Welt, schirmen die Reichen ihr Vermögen oft vor den Steuerbehörden ab, indem sie Briefkastenfirmen in Ländern mit niedrigen oder gar keinen Steuern gründen, das Bankgeheimnis ausnutzen oder Treuhandgesellschaften und wohltätige Stiftungen gründen, die großzügige Steuervergünstigungen bieten.

USA lehnen Vorschlag zur Vermögenssteuer ab

Während die Positionen Chinas und Indiens zu der neuen Steuer unklar sind, ist Washington nach wie vor strikt dagegen. US-Finanzministerin Janet Yellen erklärte im Mai gegenüber dem Wall Street Journal, die Maßnahme sei "etwas, dem wir nicht zustimmen können".

Der designierte Präsident Donald Trump hat sich noch nicht zu dem Vorschlag geäußert, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er eine Steuererhöhung für Superreiche unterstützen wird. Seine erste Amtszeit war von umfangreichen Steuersenkungen geprägt, von denen vor allem wohlhabende Privatpersonen und Unternehmen profitierten. Als Präsidentschaftskandidat im Jahr 2000 (er wurde damals nicht wieder gewählt) versprach er jedoch, die Staatsverschuldung zu senken - durch die Erhebung einer einmaligen Steuer von 14,25 Prozent für Wohlhabende.

Lulas Aussichten sind nicht gut, während des zweitägigen Gipfels bei diesem Thema nennenswerte Fortschritte zu erzielen, zumal viele kritische geopolitische Fragen sowie Brasiliens Vorschlag zur Verbesserung der Weltordnungspolitik die Gespräche ebenfalls beherrschen werden.

"Lula ist ein guter Verhandlungsführer", sagte Marques. "Er sieht sich selbst als Brückenbauer zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden. Aber ich weiß nicht, wie er bei diesem sehr sensiblen Thema einen Konsens erreichen kann."

Luiz Inacio Lula da Silva
Sein Thema: Reichensteuer für Armutsbekämpfung und gegen die Folgen des Klimawandels: Luiz Inacio Lula da SilvaBild: Erica Martin/TheNEWS2/picture alliance

Vermögenssteuer - ein Segen für Afrika

Eine bessere Vertretung Afrikas auf dem G20-Gipfel ist jetzt von entscheidender Bedeutung, da der Kontinent bei der Armuts- und Klimabekämpfung von jedem neuen Steuerplan profitieren könnte. Die Afrikanische Union, der regionale Zusammenschluss von 55 afrikanischen Ländern, wird zum ersten Mal am Gipfeltreffen in Rio teilnehmen, nachdem sie im August als Vollmitglied der G20 aufgenommen wurde.

Nächstes Jahr wird Südafrika den rotierenden G20-Vorsitz übernehmen und damit nach Indonesien, Indien und Brasilien zum vierten Mal in Folge die Führung des Blocks aus dem globalen Süden übernehmen. Diese Rolle wird dem Land und Afrika insgesamt weitere Möglichkeiten bieten, die globale Politik zu gestalten und sich für die Interessen des Kontinents einzusetzen.

"Die afrikanischen Länder waren in der G20 unterrepräsentiert, obwohl der Kontinent weltweit von großer Bedeutung ist", sagt Marques der DW. "Aber die Dinge ändern sich, und die Afrikanische Union beginnt nun, einen gewissen Einfluss auf die Politikgestaltung zu nehmen."

Eine Adaption aus dem Englischen von Sabine Faber