"Ungewohnt harmonisches" G20-Treffen
27. Februar 2016Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen eine weitere Abschwächung der Weltwirtschaft mit raschen Reformen verhindern. Die G20-Finanzminister und -Notenbankchefs verständigten sich in Shanghai darauf, mehr zu tun, um die globalen Wachstumsziele zu erreichen.
Die Top-Wirtschaftsmächte betonten zugleich ihre Bereitschaft, sich für mögliche Konjunkturrückschläge zu wappnen. Auch die Fiskalpolitik solle "flexibel" eingesetzt werden, heißt es in der Abschlusserklärung. Hierunter fallen die Gestaltung von Steuern und die staatlichen Ausgaben.
"Innovativer, flexibler, widerstandsfähiger"
"Schnellere Fortschritte bei Strukturreformen sollten mittelfristig das potenzielle Wachstum stärken und unsere Volkswirtschaften innovativer, flexibler und widerstandfähiger machen", heißt es in der Erklärung. Die G20 sehen die globale Wirtschaft zwar weiter auf Wachstumskurs. Sie verwiesen aber darauf, dass der Aufschwung ungleichmäßig sei und hinter dem Ziel eines nachhaltigen und ausgewogenen Wachstums zurück bleibe. Die Abwärtsrisiken und die Anfälligkeiten nähmen zu.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte nach den zweitägigen Beratungen in der chinesischen Metropole: "Offensichtlich haben wir uns in den letzten Jahren im Rahmen der G20 ein Stück weit aufeinander zu bewegt." Auch Unterhändler merkten an, dass Treffen sei "ungewohnt harmonisch" verlaufen. Die Lage der Weltwirtschaft sei besser, als die Schwankungen an den Märkten glauben machten, ergänzte Schäuble. "Es ist überhaupt kein Anlass für eine Krise." Man sei sich einig, Übertreibungen entgegenzuwirken, ohne die Lage schönzureden.
Konsequent gegen Steuerflucht
Der Schwerpunkt liege auf Strukturreformen. Es gebe wachsenden Konsens in der G20, dass der Spielraum der Geldpolitik kleiner sei, so Schäuble. Ein Zurückdrehen der Finanzmarktregulierung werde es nicht geben: "Sie wird konsequent umgesetzt werden. Das ist ein entscheidender Punkt." Der Kampf der G20 gegen Steuertricks internationaler Konzerne werde vorangetrieben.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ergänzte, die konjunkturellen Perspektiven seien besser als ihr Ruf. Das globale Wachstum dürfte sich fortsetzen, wenngleich nicht in der Geschwindigkeit wie erwartet: "Auf lange Sicht besteht kein Anlass, die Lage allzu schwarz zu malen." Auch für China gebe es keinen Hinweis auf einen scharfen Einbruch. Im Euro-Raum dürfte sich die wirtschaftliche Erholung in diesem und nächsten Jahr fortsetzen.
"Wachsende Befürchtungen"
Als Risiken für die Weltwirtschaft nennen die G20 das Auf und Ab bei Kapitalströmen, die stark fallenden Rohstoffpreise sowie die "eskalierenden" geopolitischen Konflikte. Verwiesen wird aber auch auf den "Schock" eines möglichen EU-Austritts Großbritanniens sowie eine große und steigende Flüchtlingszuwanderung in "einigen Regionen". Es gebe zudem "wachsende Befürchtungen", dass die Vorhersagen für das globale Wirtschaftswachstum nochmals nach unten korrigiert werden.
Einen "Währungskrieg" und Abwertungswettlauf wollen die G20 vermeiden. Es solle auch weiterhin keine Zielmarken für Wechselkurse geben. Mit einer weitergehenderen Formulierung als üblich betonten die G20-Minister und Notenbankchefs: "Wir werden uns eng abstimmen über die Devisenmärkte." Hintergrund sind Sorgen, dass Länder ihre Währung künstlich drücken, um so Exporte zu verbilligen. Das betrifft nicht nur China, auch der Euro und der japanische Yen sind derzeit niedrig bewertet.
Hintertür offenhalten
Mit Blick auf die anhaltende Politik des billigen Geldes durch die Notenbanken erklären die G20, die Geldpolitik werde fortgesetzt, um die Wirtschaft zu stützen und Preisstabilität zu erreichen. Die Länder stellen aber auch fest: "Die Geldpolitik allein kann nicht zu ausgewogenem Wachstum führen."
Trotz aller starken Akzente auf strukturelle Reformen halten sich die führenden Industrie- und Schwellenländer allerdings eine Hintertür zu staatlichen Konjunkturspritzen offen. Sie betonen ihre Bereitschaft, "auf mögliche Risiken zu reagieren" und falls nötig Wachstum und Stabilität zu stützen. Die Finanzpolitik solle so "wachstumsfreundlich wie möglich" sein - ohne jedoch den Schuldenstand aus den Augen zu verlieren.
jj/sti (dpa, afp, rtr)