G7 will globale Impfkampagne stärken
19. Februar 2021Bei seinem allerersten Auftritt als neuer US-Präsident auf einem internationalen Forum hat Joe Biden gleich tief in die Tasche gegriffen. Im Kreise der Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten (G7) kündigte Biden in einer Videokonferenz an, die USA würden sich mit 3,2 Milliarden Euro an der Beschaffung von Corona-Impfstoffen für ärmere Länder beteiligen. Das ist doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Die USA waren unter Bidens Vorgänger Donald Trump aus der Weltgesundheitsorganisation ausgetreten und der internationalen Impf-Initiative COVAX unter Federführung der Vereinten Nationen nie beigetreten. Biden machte eine Wende um 180 Grad und schloss sich an seinem ersten Tag im Amt der COVAX-Allianz an.
Nicht nur bei der Impfstoff-Beschaffung auch bei vielen anderen Themen wollen die USA wieder enger mit ihren Verbündeten zusammenarbeiten, machte Biden deutlich. Das betrifft den Klimaschutz, die Sicherheits- und auch die Handelspolitik. Man werde nicht überall einer Meinung sein, meinte ein EU-Diplomat, der die G7-Gipfel vorbereitet. Aber die USA und die EU würden nach vier Trump-Jahren wieder nach Kompromissen suchen und wie "zivilisierte Leute" miteinander umgehen.
Merkel: Multilateralismus hat wieder eine Chance
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, taten es Biden gleich und sagten ebenfalls mehr Geld für COVAX zu. Angela Merkel erhöhte in der G7-Videokonferenz am Nachmittag den deutschen Beitrag um 1,5 Milliarden Euro. "Damit sind wir der größte einzelne Geber", sagte Merkel nach der Konferenz. "Es ist ganz klar, der Multilateralismus wird durch die G7 wieder ein Chance haben. Das freut mich ganz besonders." Der Regierungswechsel in den USA werde den multinationalen Ansatz wieder stärken.
Die EU-Kommission will ihren Beitrag von 500 Millionen auf eine Milliarde Euro verdoppeln. Die Vereinten Nationen hatten die Staaten der Erde wiederholt aufgefordert, mehr Geld für COVAX zu spenden. Von den geschätzten 5,4 Milliarden Euro, die die COVAX-Kampagne nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) allein in diesem Jahr zusätzlich braucht ist man noch ein ganzes Stück entfernt. Die WHO hofft auf weitere Zusagen aus den reichen Ländern. Die zwei Milliarden Dosen an Impfstoffen, die die Vereinten Nationen bis Ende des Jahres an 92 arme Länder verteilen wollen, kauft die COVAX-Initiative derzeit bei den Herstellern ein. In den nächsten Tagen sollen die ersten Länder beliefert werden. Mindestens 20 Prozent der Bevölkerung, also vor allem Risikogruppen und medizinisches Personal, sollen zuerst geimpft werden.
Der Direktor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, hatte die reicheren Staaten, die sich bislang den größten Teil der Impfstoffproduktion gesichert haben, eindringlich aufgefordert, überschüssige Dosen für ärmere Staaten zu spenden. Weltweit müsse es gleichen Zugang für alle zu Impfungen geben. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation kritisierte auch China und Russland, die an COVAX vorbei ihre Impfstoffe in Afrika und Lateinamerika nach politischem Gutdünken verteilten.
Überschüssige Dosen spenden
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron griff beim virtuellen G7-Gipfel die Ideen auf und regte an, vier bis fünf Prozent aller Impfdosen, die für die EU gekauft worden seien, bereits jetzt während der laufenden Impfungen zu spenden. Angela Merkel zeigte sich für den Vorschlag offen. Über einen Zeitplan sei aber nicht gesprochen worden. "Es wird aber kein Impftermin in Deutschland darüber in Gefahr geraten", sagte die Bundeskanzlerin. Der britische Premierminister Boris Johnson, der zurzeit den Vorsitz in der G7 führt, sieht das anders. Es bleibe bei dem Grundsatz, die eigene Bevölkerung zuerst. Alles, was dann übrig sei, müsse gespendet werden. Die EU hat sich inzwischen 2,8 Milliarden Impfdosen bei sechs Herstellern durch Kaufverträge gesichert, also mehr als für die 92 armen Länder in der COVAX-Initiative insgesamt zur Verfügung stehen sollen.
Der Sprecher der EU-Kommission, Eric Mamer, wies darauf hin, dass es im Moment auch nicht so sehr um die Kaufverträge und fehlendes Geld, sondern um die tatsächliche Lieferung und Verteilung gehen müsse. EU-Beamte schränkten in Brüssel allerdings ein, dass es der europäischen Bevölkerung kaum verständlich zu machen wäre, wenn jetzt nicht sämtliche Impfdosen, die die EU bekommen könne, auch hier verimpft würden. Auch US-Präsident Joe Biden hielt in der G7-Runde an dem Plan seines Vorgängers Donald Trump fest, der vorsieht, US-Bürger zuerst zu impfen. Impfstoffe, die in den USA produziert werden, dürfen derzeit nicht exportiert werden.
Vor einem Jahr hatte ein erster Pandemie-Sondergipfel der G7 noch das Ziel ausgegeben, das die Vereinten Nationen verfolgen: Alle Staaten sollten gleichmäßig mit Impfstoffen versorgt werden, weil es keinen Sinn hat, nur einen Teil der Welt zu impfen. Das Virus könnte sich aus der ungeimpften Bevölkerungen erneut weltweit ausbreiten.
Die G7 arbeitet jetzt an einem Plan, um sich gegen künftige Pandemien zu wappnen. Mehr Forschungseinrichtungen für Viren, mehr Produktionsstätten, bessere Gesundheitssysteme und weniger Handelsschranken für Medikamente sind die Ziele. Der britische Premier Johnson gab die Parole aus, wonach Impfstoffe künftig in 100 Tagen entwickelt werden sollen.
Flexibler britischer Vorsitz
Frisch aus der EU ausgetreten, will Boris Johnson die Bedeutung seines Landes in der G7 unter dem Motto "gobal Britain" auf der Weltbühne hervorheben. Im vergangenen Jahr hatte er noch seine Freundschaft mit Ex-Präsident Donald Trump betont, jetzt lobt er den "großen Joe" über den grünen Klee, weil Joe Biden Trumps Austritt aus dem Pariser Klima-Abkommen wieder rückgängig gemacht hat. "Zusammen werden wir große Dinge vollbringen", sagte Johnson und forderte seine Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, Japan und den USA auf, sich beim weltweiten Impfen gegen Corona "gemeinsam zu bewegen." Biden hält den Brexit für einen Fehler, Trump hatte Johnson noch applaudiert.
Im Juni plant Boris Johnson ein richtiges Gipfeltreffen mit persönlichen Begegnungen im englischen Cornwall. Im letzten Jahr hatte Donald Trump den Gipfel als Vorsitzender abgesagt, weil die übrigen sechs Staaten Russland nicht wieder in die Gruppe aufnehmen wollten.