G7-Gipfel im Zeichen des Ukraine-Kriegs
25. Juni 2022Hohe Berge mit schneebedeckten Gipfeln, sattgrüne Wiesen und blaue Flusstäler: Im Süden Bayerns bietet sich ein Urlaubs-Panorama wie aus dem Bilderbuch. Hier liegt das Fünf-Sterne-Hotel Schloss Elmau, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz als Gastgeber des diesjährigen G7-Gipfels ab Sonntag die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den USA begrüßt.
Schon unter der letzten deutschen G7-Präsidentschaft 2015 erwies sich das Schloss als idealer Gipfel-Ort. Die traumhafte Kulisse, um schöne Bilder von dem Polit-Spektakel in die Welt zu senden, dazu die Lage in einem schwer zugänglichen und gut zu sichernden Tal oberhalb von Garmisch-Partenkirchen. Mindestens 18.000 Polizisten und ein 16 Kilometer langer Sicherheitszaun um das Schloss sorgen dafür, dass kein Demonstrant die Idylle stören kann. Die Gäste werden mit Hubschraubern eingeflogen. 180 Millionen Euro haben der Bund und das Land Bayern allein für die Absicherung des Gipfels veranschlagt.
Der Krieg und der Klimawandel
Die Idylle des Tagungsorts steht in deutlichem Kontrast zu den drückenden Problemen, die besprochen werden sollen. "Fortschritt für eine gerechte Welt" lautet das Motto des Gipfels. Eigentlich sollten der Kampf gegen den Klimawandel, gegen Hunger und Armut ganz oben auf der Agenda stehen. Doch tatsächlich werden der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine weitreichenden und existenziellen Folgen den Gipfel dominieren. "G7 ist in diesem Jahr von ganz herausragender Bedeutung", betont der Kanzler, der auf das Signal einer entschlossenen und geschlossenen G7 hofft.
Als Gastgeber kommt Deutschland dabei eine entscheidende Rolle zu und diesen Vorteil könnte Scholz nutzen, um sein angekratztes Image wieder aufzupolieren. In den letzten Wochen musste sich Deutschland international viel Kritik gefallen lassen. Zwar hatte der Bundeskanzler kurz nach Kriegsausbruch eine Kehrtwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt und eine massive Aufrüstung der Bundeswehr. Doch dann folgte erst einmal - nichts.
Fehlender Rückhalt in der SPD
Vom zaudernden und zögernden Bundeskanzler war weltweit die Rede. Waffenlieferungen in die Ukraine ließen auf sich warten und Scholz vermied es monatelang auch, in die Ukraine zu reisen. Es schien, als laviere er - auch um den Gesprächskanal zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht vollständig zu verbauen.
Das Zögern hatte allerdings auch innerparteiliche Gründe. Die SPD, die Partei des Kanzlers, steht keineswegs geschlossen hinter der "Zeitenwende". Pazifismus und die Überzeugung, dass es ohne die Einbindung Russlands keinen Frieden in Europa geben kann, sind bei den Sozialdemokraten tief verwurzelt.
Führungsmacht Deutschland?!
Angesichts des brutalen Vorgehens der russischen Armee in der Ukraine sind die Pazifisten immer stiller geworden. Anfang dieser Woche veröffentlichte die Bundesregierung nun eine lange zurückgehaltene Liste mit allen, auch den militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine. Kurz danach wurde bekannt, dass die ersten deutschen Panzerhaubitzen im Kriegsgebiet angekommen sind.
SPD-Parteichef Lars Klingbeil, der inhaltlich hinter Olaf Scholz steht, überraschte zeitgleich mit der Forderung: "Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben." In einer Grundsatzrede betonte er die deutlich wachsenden Erwartungen an Deutschland weltweit. "Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem." Das Land habe sich in den letzten Jahrzehnten ein hohes Maß an Vertrauen erarbeitet. "Deutschland steht immer mehr im Mittelpunkt, wir sollten diese Erwartung, die es an uns gibt, erfüllen."
G7 auf Kurs bringen
Der G7-Gipfel könnte ein erster Prüfstein für Scholz' Führungsqualitäten werden. Sollte es ihm gelingen, die Staats- und Regierungschefs auf einen klaren und einigen Kurs zu bringen, würde das positiv auch auf ihn abstrahlen. Dabei hilft, dass Deutschland als Gastgeber maßgeblichen Einfluss auf den Ablauf und die Agenda des Gipfels hat.
Schon am ersten Gipfeltag soll es um die Sanktionen gegen Russland und weitere langfristige Hilfe für die Ukraine gehen. "Wir werden die Ukraine auch weiterhin massiv unterstützen - finanziell, wirtschaftlich, humanitär, politisch und nicht zuletzt mit der Lieferung von Waffen - und zwar so lange, wie die Ukraine unsere Unterstützung braucht", sagte Olaf Scholz am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag, in der er auch einen Wiederaufbau-Plan für das kriegszerstörte Land vorschlug.
Analog zum "Marshall-Plan", mit dem die USA nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau in Deutschland und anderen europäischen Staaten förderten. "Das Ausmaß der Zerstörung ist enorm", so Scholz. Seit Kriegsbeginn seien bereits Mittel in Milliardenhöhe mobilisiert worden, Deutschland sei vorne mit dabei. "Aber wir werden viele weitere Milliarden Euro und Dollar für den Wiederaufbau brauchen - und das über Jahre hinweg. Das geht nur mit vereinten Kräften." Darüber soll in Elmau gesprochen werden und auch über eine einzuberufende Expertenkonferenz. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird virtuell an den Gesprächen teilnehmen.
Klimawandel, Hunger und Armut bekämpfen
Durch den Krieg bleiben die Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland aus. Die Vereinten Nationen warnen vor der größten Hungerkatastrophe seit Jahrzehnten. Dabei kämpfen viele Länder des globalen Südens noch mit den Folgen der Corona-Pandemie. "Wenn es uns nicht gelingt, diesen Ländern solidarisch beizustehen, dann werden Mächte wie Russland und China das ausnutzen", warnt der Bundeskanzler.
Ohnehin findet er es wichtig, die großen Demokratien in Asien, Afrika und im Süden Amerikas mehr in den Blick zu nehmen. Das Verständnis von Demokratie greife zu kurz, wenn man sich nur auf den klassischen Westen konzentriere, sagt Scholz. Fünf Partnerländer werden am zweiten Gipfeltag in Elmau dabei sein: Indonesien und Indien, die aktuell und im kommenden Jahr die G20-Präsidentschaft der wichtigsten Entwicklungs- und Schwellenländer innehaben, Senegal, als Präsidentschaft der Afrikanischen Union, Argentinien als Vorsitz der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten und Südafrika.
Mit ihnen soll auch über den "Klimaclub" gesprochen werden, eine Idee, die der Kanzler schon länger hat. Dabei sollen "alle in der Welt mitmachen können, die sich gleichgerichtet für eine Verbesserung der Situation und die große industrielle Transformation einsetzen, die jetzt notwendig ist, damit wir CO2-neutral wirtschaften können und trotzdem gute Arbeitsplätze in aller Welt haben", erklärt Scholz.