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G7: Nie war Klimaschutz so wichtig

Jens Thurau30. Mai 2015

Deutschland und Frankreich wollen alles tun, damit in Paris ein neuer Klimavertrag beschlossen wird. Die Chancen stehen gut. Aber die Entwicklungsländer mit ins Boot zu holen, erfordert viel Fingerspitzengefühl.

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Angela Merkel und Francois Hollande (Foto: AFP)
Bild: T. Schwarz/AFP/Getty Images

Noch sind es etwa 200 Tage, bis sich die Vertreter von rund 190 Staaten in Paris treffen, um das Weltübel des Klimawandels endlich energisch an den Hörnern zu packen. Ein neuer Klimavertrag soll her, der das alte, weitgehend erfolglose Kyoto-Protokoll ablöst und hilft, die Treibhausgase zu verringern. Durch mehr Wind-und Sonnenstrom überall auf der Welt, durch weniger und saubere Autos, eine umweltverträgliche Landwirtschaft, durch Waldschutz. Schon jetzt laufen die Vorbereitungen dafür, und die Chancen, im Dezember in Frankreich so etwas wie eine neue Klimaschutzarchitektur zustande zu bringen, sind so gut wie nie.

Deutschland will vor allem die G7-Präsidentschaft nutzen, die das Land gerade inne hat, um Dynamik beim Klimaschutz zu erzeugen. Im engen Schulterschluss mit den Franzosen, die als Gastgeber der Konferenz an einem Erfolg großes Interesse haben.

Keine Verhandlungen im exklusiven Klub

In wenigen Tagen beginnt im oberbayerischen Schloss Elmau der G7-Gipfel. Bundeskanzlerin Angela Merkel will, dass von dort ein klares Signal ausgeht, dass die führenden Industriestaaten beim Klimaschutz ernst machen. "Noch nie war der Klimaschutz einer G7-Präsidentschaft so viel wert", heißt es etwas vollmundig aus Regierungskreisen.

G7-Tagungsort Schloss Elmau (Foto: DW)
G7-Tagungsort Schloss ElmauBild: DW/S. Pabst

Das Problem: Die Schwellen-und Entwicklungsländer dürfen nicht den Eindruck gewinnen, dass sich die reichen Staaten im exklusiven G7-Klub schon auf Grundzüge des neuen Abkommens einigen. Anders als im bisherigen Klimavertrag, dem Kyoto-Protokoll, sollen die ärmeren Länder erstmals eigene Anstrengungen beim Abbau der Treibhausgase übernehmen. Am Versuch des Westens, einen Vertrag quasi von oben herab in kleinen informellen Gruppen der reichen Staaten zu entwerfen und den anderen Staaten dann zu präsentieren, war schon der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen gescheitert. Dieses Mal soll es anders laufen: Die G7 wollen die Perspektive einer "klimaneutralen Weltwirtschaft" formulieren: Klar genug, um ernst genommen zu werden - unverbindlich genug, um ja niemanden zu verärgern.

Wie fragil das sein kann, bewies erst jüngst ein Treffen internationaler Umweltminister in Berlin: Da polterte der indische Vertreter laut, der Westen müsse den Klimawandel allein bekämpfen, er habe ihn schließlich verursacht. Staaten wie Indien bräuchten vor allem Geld, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Ein nicht mehr zeitgemäßes Denken, so denkt man über eine solche Äußerung in der Bundesregierung. Längst ist etwa China - offiziell immer noch ein Schwellenland - weltgrößter Verursacher von Treibhausgasen.

10 Milliarden Dollar aus Deutschland bis 2020

Um die unübersichtliche Gruppe der Schwellen-und Entwicklungsländer - "G77" genannt - vom Mitmachen zu überzeugen, will vor allem die Kanzlerin Geld in die Hand nehmen. Schon vor Jahren haben UN-Staaten versprochen, bis 2020 insgesamt 100 Milliarden Dollar aufzubringen. Aus staatlichen und privaten Quellen, um damit Klimaschutzmaßnahmen in den armen Ländern zu finanzieren. Dieses Geld müssen natürlich die reichen Staaten bereitstellen, und Deutschland allein will zehn Milliarden Dollar davon übernehmen, 40 Prozent aus staatlichen Mitteln.

Der Rest soll "gehebelt" werden, indem das Geld weltweit Investitionen der Privatwirtschaft anregt. Und noch vor der Paris-Konferenz sollen im Oktober erste Projekte starten, die mit dem frischen Geld bezahlt werden. Das erhoffte Signal: Wir reden nicht nur, wir helfen euch. Jetzt könnt ihr mitmachen beim neuen Klimavertrag.

Freiwillige Ziele statt starrer Vorgaben

Der neue Klimavertrag soll eine ganz neue Architektur erhalten: Bislang (im alten Kyoto-Protokoll) haben die 38 reichsten Staaten versprochen, ihre Treibausgase zu senken. Und zwar in einem starren Zeitfenster (1990 bis 2010), mit einer starren Minderungsvorgabe (die EU etwa: minus acht Prozent). Kaum ein Land hat das geschafft (Deutschland gehört zu den Ausnahmen).

Jetzt sollen die Staaten freiwillige Ziele in den Vertrag einbringen. Ziele, die wohl - so schätzen Beobachter - nicht rechtsverbindlich sein werden. Und die durchaus unterschiedlich sein können, aber - so hofft man - Dynamiken in Gang setzen und über deren Einhaltung öffentlich Transparenz herrschen soll. Die Staaten durch ein hartes Klimaschutzregime zu Maßnahmen quasi völkerrechtlich zu zwingen, sei ein gescheiterter "Top-Down-Ansatz", heißt es in Regierungskreisen dazu.

Zwei-Grad-Ziel nicht erreichbar

Also könnte der Vertrag so aussehen: Ein Land verspricht, seinen Anteil an Erneuerbaren Energien zu verdoppeln. Ein Anderes, sich an einem System des Emissionshandels zu beteiligen. China etwa will seine Emissionen nur noch bis 2030 steigen lassen und dann kontinuierlich senken. Wie man diese verschiedenen Ziele allerdings vergleichen und überprüfen kann, bleibt vorerst ein Geheimnis.

UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2012: Dieses Mal soll es anders laufen (Foto: AP)
UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009: Dieses Mal soll es anders laufenBild: AP

Und anders als in Kopenhagen sollen die Verhandlungen in Paris im Wesentlichen von den Umweltexperten der Länder dominiert werden. Nicht noch einmal ein Showdown der Obamas, Merkels und Putins, lautet die Devise - was in der gegenwärtigen weltpolitischen Lage ohnehin schwer vorstellbar wäre. Offen ist, ob es zu Beginn der Konferenz ein kurzes Treffen der Staats-und Regierungschefs gibt. Und vielleicht ein kurzes am Ende, wenn sich ein Erfolg abzeichnet.

Alle in einem Boot, mit flexiblen Zielen und einem realistischen Ansatz, so lautet die neue Zauberformel. Ob das ominöse Zwei-Grad-Ziel (nicht mehr als zwei Grad Welterwärmung durch den Klimawandel zulassen) so erreicht wird, bezweifeln aber Umweltgruppen. "Mit den bislang angekündigten Emissionsminderungen steuern wir auf eine globale Erwärmung von über drei Grad zu. Dies ist vollkommen unakzeptabel", sagt Regine Günter von der Umweltgruppe WWF.