Gabriel findet freundliche Worte in Polen
8. März 2017Es ist der erste Besuch Sigmar Gabriels in Polen seit seinem Amtsantritt als Außenminister und er nutzt den Termin, um das gemeinsame Interesse von Deutschen und Polen an einem starken Europa hervorzuheben. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem polnischen Ressortkollegen Witold Waszczykowski nannte er es ein "großes Wunder", dass sich Polen und Deutsche trotz aller unterschiedlichen Meinungen als Freunde bezeichnen könnten. Es sei ein Geschenk, so frei und demokratisch zusammenleben zu können wie in Europa. Europa werde in der Welt aber nur dann gehört, wenn es eine einige europäische Stimme gebe. Das heiße auch, dass Europa gemeinsam zu europäischen Werten stehen müsse.
Auf die von Polen angekündigte Blockade der von der EU insgesamt gewünschten Wiederwahl des früheren polnischen Regierungschef Donald Tusk als EU-Ratspräsident gingen beide Minister erst auf Nachfrage der Journalisten ein. Die nationalkonservative Regierung in Warschau unter der Führung der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) will beim EU-Gipfel am Donnerstag verhindern, dass der zum oppositionellen liberalen Lager gehörende Tusk bis 2019 im Amt bestätigt wird. Waszczykowski sagte, dass sein Land weiter gegen eine zweite Amtszeit für Tusk sei. Gabriel äußerte die Hoffnung, dass das Thema beim Gipfel "nicht zu einem größeren Streit führt".
Seine Sorge über "manche Entwicklung" in dem Nachbarland hatte Gabriel vor seiner Ankunft in Warschau geäußert. Mit Blick auf umstrittene Reformen der polnischen Regierung in Justiz, Medien und Wahlrecht sagte der SPD-Politiker der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza", Europa sei "eine Gemeinschaft, in der die gleichen Rechte, Werte und demokratischen Grundlagen herrschen sollen".
Alle wollen Tusk - außer der PiS
Klarer als ihr Außenminister äußerte sich Ministerpräsidentin Beata Szydlo. Sie bekräftigte am Mittwoch in einem Schreiben an die 27 anderen Regierungschefs der EU ihren entschiedenen Widerstand gegen eine zweite Amtszeit für Tusk, dem sie Einmischung in die nationale Politik vorwirft. Tusk habe auf dem EU-Posten gegen das Gebot politischer Neutralität "brutal verstoßen" und sich in die polnische Innenpolitik eingemischt. "Wir können keinen gefährlichen Präzedenzfall zulassen, bei dem eine demokratisch gewählte Regierung eines Mitgliedslandes auf politischer Ebene durch den Präsidenten des Europäischen Rates angegriffen wird", schrieb Szydlo. Tusk hatte aber im Dezember von Warschau "Respekt" gegenüber "verfassungsrechtlichen Prinzipien und Werten" verlangt, als die polnische Regierung die Parlamentsberichterstattung einschränken wollte.
Innenpolitisches Kalkül
Aber der Abwehrkampf gegen Tusk hat noch weitere Gründe: Da wäre zum Beispiel die persönliche Antipathie zwischen dem ehemaligen liberalen Regierungschef der Jahre 2007 bis 2014 und Jarosław Kaczyński, dem Vorsitzenden der PiS. Im Hintergrund schwingt noch eine andere Sorge der PiS mit. Sollte Tusk weiter im Amt bleiben, endet seine zweite Amtszeit in Diensten der Europäischen Union 2019. Im selben Jahr wird in Polen das Parlament gewählt und Tusk könnte zurückkehren und gegen die regierenden Nationalkonservativen antreten.
Warschau fast chancenlos
Die Regierung in Warschau hatte am Wochenende den Europa-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski als Gegenkandidaten zu Tusk ins Rennen geschickt. Er hat den Nachteil, erstens kein ehemaliger Staats- oder Regierungschef zu sein - was informelle Voraussetzung für den Job des Ratspräsidenten ist - und scheint zweitens kaum Rückhalt in den anderen Mitgliedstaaten zu genießen. Lediglich Ungarn hat sich Warschau zufolge hinter Saryusz-Wolski gestellt.
Die Wahl zum EU-Ratspräsidenten kann per qualifizierter Mehrheit erfolgen. Damit müssten 21 der 28 Mitgliedstaaten für Tusk stimmen. Der 59-Jährige hat das Amt seit Dezember 2014 inne. Er gehört der liberal-konservativen polnischen Bürgerplattform an, die in Polen in der Opposition ist.
qu/stu (dpa, afp, APE, Phoenix)