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KonflikteIsrael

Gantz droht Netanjahu mit Austritt aus Kriegskabinett

19. Mai 2024

Mitten im Krieg eskaliert in der israelischen Regierung der Konflikt über die Zukunft des Gazastreifens. Minister Gantz verlangt von Premier Netanjahu den Plan für eine Nachkriegsordnung - und geht dabei aufs Ganze.

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Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu und der ressortlose Minister Benny Gantz (Archivbild)
Nur ein aus der Not geborenes Zweckbündnis: der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu und der ressortlose Minister Benny Gantz (Archivbild)Bild: Haim Zach/GPO/dpa/picture alliance

Der dem israelischen Kriegskabinett angehörende Minister Benny Gantz hat eine Frist für die Vorlage eines Nachkriegsplans für den Gazastreifen gesetzt und dies mit einer Rücktrittsdrohung untermauert. In einer Fernsehansprache sagte Gantz am Samstag, das Kabinett müsse "bis zum 8. Juni einen Aktionsplan formulieren und verabschieden, der zur Umsetzung sechs strategischer Ziele von nationaler Bedeutung führt".

Werde der Nachkriegsplan nicht innerhalb der Frist vorgelegt, sei seine Partei zum Rücktritt gezwungen, sagte Gantz, der sich in der Rede direkt an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wendete. Zu den sechs Zielen gehörten die Entmachtung der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas, die Sicherstellung der israelischen Kontrolle über das Palästinensergebiet und die Rückkehr der israelischen Geiseln aus dem Gazastreifen. Zudem solle eine "amerikanische, europäische, arabische und palästinensische Verwaltung geschaffen werden, die zivile Angelegenheiten im Gazastreifen regelt und die Grundlage für eine künftige Alternative schafft, die nicht Hamas oder (Mahmud) Abbas ist", sagte Gantz mit Verweis auf den Präsidenten der Palästinenserbehörde.

Netanjahu: "Leere Worte" von Gantz 

Netanjahu wies die Forderungen von Gantz als "leere Worte" zurück, "deren Bedeutung klar ist: das Ende des Krieges und eine Niederlage für Israel, die Aufgabe der meisten Geiseln, eine weiterhin intakte Hamas und die Schaffung eines palästinensischen Staates". Schon in den vergangenen Tagen waren Risse im Kriegskabinett deutlich geworden. Am Mittwoch hatte Verteidigungsminister Joav Galant eine israelische Kontrolle über den Gazastreifen im Anschluss an den Krieg ausgeschlossen und Netanjahu persönlich attackiert.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant im Juli 2023 an einem Militärposten an der Grenze zum Westjordanland
Auch zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant hat es vor wenigen Tagen Differenzen gegeben Bild: Shir Torem/IMAGO/UPI Photo

Der 64-jährige Gantz war nach dem beispiellosen Angriff der Hamas am 7. Oktober als Minister ohne Ressort und Mitglied des Kriegskabinetts in Netanjahus Regierung eingetreten. Damit wollten die Beteiligten ein Zeichen der Geschlossenheit setzen. An sich ist die von Gantz geführte Zentrumspartei Nationale Union in der Opposition. In Meinungsumfragen liegt sie derzeit weit vor Netanjahus Likud-Partei. 

Wieder Anti-Netanjahu-Proteste in Jerusalem

Auch auf Jerusalems Straßen gab es wieder wütende Proteste gegen den israelischen Regierungschef, bei denen erneut die Rückholung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gefordert wurde. "Netanjahu ist verantwortlich dafür, sie nach Hause zu bringen", riefen die Demonstranten. Er habe sie "im Stich gelassen", er müsse sie zurückbringen. Einige hielten auch Transparente in der Hand, auf denen zu lesen war: "Beendet den Krieg" und "Hungersnot ist ein Kriegsverbrechen".

Einmal mehr wird bei einer Demonstration in Jerusalem die Rückholung der noch verbliebenen Hamas-Geiseln gefordert
Einmal mehr wird bei einer Demonstration in Jerusalem die Rückholung der noch verbliebenen Hamas-Geiseln gefordertBild: IMAGO/Saeed Qaq

Die Kämpfe im Gazastreifen gingen indes ohne Unterlass weiter. Augenzeugen berichteten, in der Stadt Rafah im Süden des Palästinensergebietes habe es Bombardements und Gefechte gegeben. Nach Angaben des kuwaitischen Krankenhauses in Rafah wurden dort zwei Menschen in einem Flüchtlingslager bei einem nächtlichen israelischen Luftangriff getötet. Augenzeugen sprachen außerdem von Schüssen und Granatenexplosionen im Südosten sowie Angriffen von Kampfjets im Osten von Rafah.

Armee: 50 Tote in Rafah - Räumungen in Dschabalia

Die israelische Armee erklärte, bei ihren "gezielten Angriffen" im Osten von Rafah seien rund 50 Kämpfer der Hamas getötet und dutzende Tunnel-Schächte entdeckt worden. "Hunderte terroristischer Infrastrukturen wurden zerstört", darunter auch "Einrichtungen zur Waffenproduktion", hieß es. Am Samstagabend ordnete die Armee zudem die sofortige Evakuierung der westlichen Viertel von Dschabalia im Norden des Gazastreifens an, von wo aus ihrer Ansicht nach Raketen auf israelische Städte abgefeuert worden waren.

Kinder schauen auf die von der israelischen Armee attackierte Stadt Rafah (Foto vom 13. Mai)
Kinderaugen schauen auf die von der israelischen Armee attackierte Stadt Rafah (Foto vom 13. Mai) Bild: -/AFP

Der Krieg im Gazastreifen war durch den Hamas-Großangriff auf Israel im Oktober ausgelöst worden. Dabei töteten islamistische Kämpfer nach israelischen Angaben mehr als 1170 Menschen, 252 weitere wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Großangriff geht Israel seither massiv militärisch in dem Küstenstreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 35.380 Menschen im Gazastreifen getötet. Die Hamas wird von Israel, Deutschland, der EU, den USA und anderen Staaten als Terrororganisation gelistet.

sti/gri/fab (afp, dpa)