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Politik

Afghanen, nicht willkommen

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
7. März 2020

Von den Menschen, die jetzt versuchen von der Türkei in die EU zu kommen, stammen nur die wenigsten aus Syrien. Wofür es nachvollziehbare Grunde gibt, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Migranten an der griechisch-türkischen Grenze
Bild: picture-alliance/dpa/Xinhua/D. Tosidis

Es gibt zwei Gründe, weshalb sich in der Türkei überproportional viele Afghanen auf den Weg an die Grenze nach Griechenland und Europa gemacht haben und nur relativ wenige Syrer: Die Syrer, die in den vergangenen Jahren in der Türkei Fuß gefasst haben, hätten bei einer illegalen Migration nach Europa viel zu verlieren, die Afghanen - und mit ihnen viele andere irreguläre Migranten aus Iran und Pakistan - aber nicht. Syrer leben meist im Familienverbund, sie bleiben. Bei den Afghanen und Iranern in der Türkei handelt es sich jedoch meist um junge, alleinstehende Männer - sie wollen gehen.

Damit rückt die aktuelle Migrationskrise einen wichtigen Aspekt ins Blickfeld: In der Türkei haben nicht nur syrische Flüchtlinge Schutz gesucht. Vielmehr ist das Land auch eine wichtige Transitstation für Migranten aus anderen Ländern geworden, die gar nicht vorhaben, in der Türkei zu bleiben, sondern die eigentlich schon immer nach Europa wollen.

Nur Schätzungen

In der Türkei leben geschätzt fünf Millionen registrierte und irreguläre Migranten. Das entspricht einem Anteil von sechs Prozent der türkischen Bevölkerung. In nur wenigen Ländern der Welt ist der Anteil höher. Nach den registrierten 3,6 Millionen Syrern sind die Afghanen die zweitgrößte Gruppe. Wie viele Hunderttausend von ihnen in der Türkei sind, lässt sich nicht ermitteln. Die drittgrößte Gruppe sind mit geschätzten 20.000 Menschen die Iraner.

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Der Kampf der türkischen Behörden gegen den unerwünschten Zustrom von Afghanen gleicht dem Kampf gegen die Windmühlen. Im vergangenen Jahr habe die Türkei, so offizielle Zahlen, 200.000 Afghanen wegen irregulärer Einreise in die Türkei festgenommen, in provisorische Abschiebelager gebracht und nach Afghanistan abgeschoben beziehungsweise zur Abschiebung vorbereitet. Die erfolgt in der Regel mit Flugzeugen.

Zu Syrien sind mittlerweile weite Teile der türkischen Grenze durch eine hohe Betonmauer gesichert. Seit ein paar Monaten verstärkt nun die Türkei erheblich die Präsenz der Grenzpolizei an der Grenze zu Iran. Über sie gelangen die irregulären Migranten aus Afghanistan, Pakistan und Iran in das Land. Anders als im mesopotamischen Flachland zur Syrien ist dieser Grenzabschnitt gebirgig und damit schwer zu kontrollieren.

Keine Hilfe für die Menschen vom Hindukusch

Für Afghanen ist die Türkei nur ein schwieriges Transitland. Während die Syrer von Hilfen des türkischen Staats, internationaler Organisationen und des Flüchtlingsabkommens mit der EU profitieren, sind die Flüchtlinge aus anderen Ländern in der Regel auf sich allein gestellt. Die Türkei gewährt derzeit nur Syrern und Irakern politisches Asyl, nicht Afghanen. Sie erhalten daher auch keinerlei Unterstützung - weder bei der Suche nach einer Wohnung, noch bei der nach Arbeit. Afghanen arbeiten daher schwarz und weit unter dem Mindestlohn.

In der Regel bekommen sie weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltsgenehmigung. Und ohne offizielle Dokumente sind ihnen der türkische Gesundheitsdienst und Schulen - sollten sie Kinder haben - verschlossen. Bestenfalls gewährt ihnen die Türkei temporären Schutz. Hilfen können sie nur von privaten Hilfsorganisationen bekommen.

Der Anreiz, in der Türkei zu bleiben, ist daher äußerst  gering. Das wollen sie im Normalfall auch nicht. Eine willkommene Chance bietet ihnen daher der türkische Präsident, als er die Grenze nach Europa für offen erklärte. Eine weitere Hürde ist damit genommen. Die nächste - nach Griechenland zu kommen - erweist sich für die meisten in diesen Tagen aber als zu hoch.