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Politik

Der IS ist nicht auf Dauer besiegt

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
18. März 2019

Auch wenn der sogenannte "Islamische Staat" sein gesamtes Territorium verloren hat - das Übel des dschihadistischen Terrors ist deswegen nicht ausgerottet, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Syrien ein Kämpfer zündet eine IS Flagge an
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Hussein

Dank des entschlossenen Einsatzes der Staatengemeinschaft ist der Islamische Staat nahezu besiegt - selbst wenn das nur mit Einschränkungen gilt: Die Terrormiliz ist zumindest militärisch besiegt und zumindest vorläufig. Man sollte sich jedoch vor Illusionen hüten, auch wenn sich der letzte Kämpfer des IS ergibt und wenn der letzte Rest eines Gebiets erobert ist, das noch vor fünf Jahren beinahe so groß war wie Großbritannien: Mehr als ein - wenn auch wichtiger - Etappensieg ist nicht errungen. Die Welt sollte sich keineswegs in Gewissheit wiegen, dass die Geißel des dschihadistischen Terrors nun beseitigt ist.

Vorsicht ist weiter geboten

Für eine solche Vorsicht spricht zum einen, dass die Ideologie des dschihadistischen Salafismus ein fester Bestandteil im Arsenal der Begründungen für Terror geworden ist. Nicht jeder Salafist, also nicht jeder, der so leben will wie die frühen Muslime, ist aber automatisch ein Terrorist. Die Bandbreite reicht von einem völlig unpolitischen Salafismus bis hin zu einem, dessen Anhänger überzeugt sind, dass sich ihre Utopie nur durch Gewalt, den Dschihad, herstellen lässt.

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Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Die Aktivierung solcher Kräfte kann jederzeit geschehen und nach dem militärischen Ende des "Islamischen Staats" auch schnell wieder der Fall sein. Denn zum anderen schätzen Fachleute die Zahl der IS-Kämpfer, die in den vergangenen zwei Jahren in den Untergrund abgetaucht sind, auf 30.000. Möglicherweise lassen sich von ihnen einige in ihre früheren Gesellschaften integrieren. Viele warten jedoch nur auf eine neue Chance. Die könnte sich ihnen bieten, sollten Konfliktparteien, die sich gegenseitig bekämpfen, unbeabsichtigt ein Vakuum schaffen oder sich die USA doch aus Syrien zurückziehen. Der IS würde wieder jedes Vakuum rasch füllen, so wie er es schon bei seinem Siegeszug 2014 getan hatte.

Der IS und seine Vorläuferorganisationen sind schon wiederholt unterschätzt worden. Bei dem vorletzten Sieg über den IS im Jahr 2008 wurde die Zahl der Dschihadisten, die im Irak in den Untergrund abgetaucht waren, auf wenige Hundert geschätzt. Drei Jahre später jedoch war die Organisation mit großer Wucht zurück, denn seine Führer hatten aus den Fehlern gelernt und sich an das neue Umfeld angepasst. Das wird dieses Mal nicht anders sein. Wie damals wird der Rest zunächst auf eine klassische Guerilla-Taktik mit Terroranschlägen ausweichen, um weiter Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie werden dabei auch versuchen, ihren Krieg in den Westen zu tragen. Es ist also weiter Wachsamkeit geboten.

Jugend braucht Perspektiven

Um den meisten Dschihadisten den Boden zu entziehen, hilft nur eins: In ihren Herkunftsstaaten müssen Bedingungen herrschen, die Partizipation und Gerechtigkeit bieten, so dass die jungen Leute nicht meinen, nur der Terror biete einen Weg in eine bessere Zukunft. Auch wenn das gegenwärtig kaum der Fall ist, ist der jetzige Sieg über den IS dennoch wichtig. Denn dem IS ist nun das Territorium genommen, mit dem er für ein Leben in seinem sogenannten Islamischen Staat locken konnte.