Kein neuer Krieg am Golf
Auch wenn die USA an den Persischen Golf einen Flugzeugträger geschickt haben, von dem aus Kampfflugzeuge starten, auch wenn Iran an Europa ein Ultimatum von 60 Tagen gerichtet hat, um das Atomabkommen zu retten: Eine unmittelbare Kriegsgefahr kann davon nicht abgeleitet werden. Gewiss, die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Islamischen Republik nehmen wieder zu. Die militärische Einheit, die ohnehin an den Indischen Ozean unterwegs war und nun einen Umweg über den Persischen Golf nimmt, reicht jedoch für eine größere Operation nicht aus, und Iran betont weiter seine Bereitschaft, zu verhandeln. Eine Verlängerung des von Präsident Rohani ausgesprochenen Ultimatums nach den 60 Tagen ist daher sehr wahrscheinlich.
Bei Seiten können keinen Waffengang wollen
Noch weniger spricht für eine bevorstehende militärische Konfrontation, wenn die Interessen der beiden Kontrahenten ins Spiel kommen. Der amerikanische Präsident war mit dem Versprechen angetreten, die Soldaten seines Landes aus dem Nahen Osten nach Hause zu holen. Er hat offenbar von den Fehlern seiner Vorgänger gelernt und ist nicht bereit, sich in einen neuen Krieg hineinziehen zu lassen, aus dem die USA nicht ohne große Verluste herauskommen. Dafür greift er zum Mittel von - zuweilen maßlosen - Drohungen, um auch gegen Iran seinen "Deal" durchzusetzen.
Auf der anderen Seite ist Iran kein Land, das sich in Abenteuer stürzt. Die iranische Außen- und Sicherheitspolitik ist, selbst wenn sie oft den Interessen des Westens diametral entgegensteht, berechenbar. Iran reagiert auf die Schwäche seiner Gegner, etwa der arabischen Welt, oder auf die Stärke seiner Gegner, etwa auf den amerikanischen Druck. Bestenfalls ist Iran zu einer kalkulierten Eskalation bereit. Schließlich führt es den aktuellen Konflikt aus einer Position der Schwäche heraus: Die US-Armee ist den iranischen Streitkräften weit überlegen, und die eigene Wirtschaft liegt am Boden.
Bei dieser Konstellation besteht jedoch auch die Gefahr, dass beide Seiten an der Schraube der Eskalation drehen und die nach einem kritischen Punkt nicht mehr zurückzudrehen ist. Schließlich hat Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton schon einmal, 2003, den Krieg bekommen, den er wollte. Bekannt wurde sein Satz: Wer die iranische Bombe verhindern wolle, müsse Iran bombardieren. Zudem plädiert er aggressiv für einen Regimewechsel in Teheran, bei dem allerdings niemand weiß, was danach kommen soll.
In Iran hingegen könnten die Hardliner um die Revolutionswächter darauf drängen, das Atomprogramm wiederanzulaufen, was Wasser auf die Mühlen der Falken in den USA, Saudi-Arabien und Israel wäre.
Neue Verhandlungen zwischen Iran und USA?
Entscheidend wird sein, unter welchen Bedingungen beide Seiten bereit sein werden, wieder zu verhandeln. Donald Trump hat ja am Donnerstag mitgeteilt, die iranische Führung müsse ihn nur anrufen. Das hat man in Teheran zwar erst einmal brüsk abgelehnt, aber einen ersten Testballon hatte der iranische Außenminister Zarif bereits am 24. April steigen lassen. Und Trump hat sich inzwischen auch schon zweimal mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un getroffen. Der iranische Revolutionsführer Chamenei ist zwar von einem übergroßen Misstrauen gegenüber den USA durchdrungen. Sein Vorgänger Khomeini hatte, in seinen eigenen Worten, jedoch auch einen Giftbecher geschluckt, als er 1988 dem Friedensschluss mit dem Irak zugestimmt hatte.
Bevor es zu einem Krieg kommen könnte, der nicht ganz auszuschließen ist, sind daher viele Optionen anderer Lösungen denkbar.