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Politik

Libyen - Fortschritte, aber kein Durchbruch

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
2. Februar 2020

Für die einen ist zwei Wochen nach dem Berliner Libyen-Gipfel das Glas halb leer, für die anderen ist es halb voll. Eine Beilegung des Konflikts ist noch lange nicht in Sicht, meint Rainer Hermann von der FAZ.

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Libyen Tripolis Kämpfer der GNA
Bild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Das Ziel der Berliner Libyen-Konferenz, den Einfluss externer Akteure in Libyen zu beenden, liegt unverändert in weiter Ferne, und auf einen Mechanismus zur Sanktionierung der Waffenlieferungen, die gegen Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats verstoßen, haben sich die Staats- und Regierungschefs in Berlin ebenfalls nicht verständigen können.

Auf der Habenseite steht jedoch, dass die Einigung auf eine Waffenruhe zumindest einige Zeit zu einem Rückgang der Gewalt geführt hat. Zudem besteht eine realistische Chance, dass in dieser Woche in Genf erstmals der Militärausschuss tagen wird, der sich aus jeweils fünf Vertretern der beiden Kriegsparteien zusammensetzt. Er soll Modalitäten einer Waffenruhe festlegen, die zu einem Waffenstillstand führen.

Verstöße gegen den Geist von Berlin

Das Gipfeltreffen in Berlin hatte sich auf die Einrichtung von drei Ausschüssen verständigt, die sich jeweils zu gleichen Teilen aus Vertretern der Regierung von Ministerpräsident Fajez Sarradsch in Tripolis und des Rebellengenerals Chalifa Haftar aus Benghazi zusammensetzen. Neben dem militärischen Ausschuss werden Ausschüsse zu politischen und wirtschaftlichen Fragen eingerichtet.

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Schwerwiegend sind aber die Verstöße gegen den Inhalt und auch den Geist von Berlin. Am Donnerstag beklagte der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, vor dem UN-Sicherheitsrat, dass die erstmals am 12. Januar vereinbarte Waffenruhe seither 110 Mal gebrochen worden sei und drohe, Tinte auf dem Papier zu bleiben.

Die größte Verantwortung dafür tragen die Truppen des Rebellengenerals Haftar. Sie haben die Waffenruhe dazu benutzt, ihren wichtigen Luftwaffenstützpunkt al-Kadhim, der auch eine wichtige Basis für die Vereinigten Arabischen Emirate ist, auszubauen. Zudem rückte Haftar weiter auf die Stadt Misrata vor, wurde jedoch in der vergangenen Woche zurückgeschlagen.

Lösung nur durch "Gewehr und Munition"

Zu Recht klagt Salamé, dass sich einige Akteure dem Schein nach hinter einer politischen Lösung versteckten, aber unverändert einen militärischen Sieg wollten. Im Auge dürfte er Haftar und dessen wichtigste Unterstützer gehabt haben, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Russland und Frankreich. Haftars Sprecher sagte in der vergangenen Woche unmissverständlich, wenn man sich an internationalen Konferenzen beteilige, dann nicht, weil man eine politische Lösung suche. Im Gegenteil sei man davon überzeugt, dass nur "das Gewehr und die Munition" eine Lösung herbeiführen könnten.

Wie brüchig die Berliner Beschlüsse sind, zeigte vergangene Woche der verbale Schlagabtausch zwischen den Präsidenten Frankreichs und der Türkei, die sich gegenseitig vorgeworfen haben, den bewaffneten Konflikt in Libyen anzufachen. Beide mischen sich ein. Frankreich unterstützt Haftar mit schlagkräftigen Waffen, die Türkei liefert an Sarradsch weiterhin Waffen und auch Söldner, die die unterlegenen Truppen der Regierung in Tripolis schlagkräftiger machen sollen.

Libyen als Projektionsfläche

In keiner Weise ist zu erkennen, dass die Einmischung der externen Akteure zurückgehen könnte. Der Preis für Libyen ist für sie zu hoch, als dass sie davon lassen könnten. So wünschen sich die Emirate und Ägypten ihren Mann Haftar als Militärdiktator über Libyen; Frankreich sieht in Haftar den geeigneten Mann, um die Sahelzone von Norden her abzuschirmen. Russland schließlich will an der Steuerung der Migrationsroute nach Europa kontrollieren sowie die geplante Gaspipeline von Zypern nach Europa verhindern, weshalb sich Moskau nun auch auf die Seite der Türkei geschlagen hat.

Die Türkei wiederum nutzt das von Europa und den USA hinterlassene Vakuum, um einerseits auch in Libyen ihren Konflikt mit den Emiraten auszufechten und andererseits im Kampf um die Erdgasvorkommen im Mittelmeer, bei dem Ankara leer auszugehen droht, wieder mitreden zu können.

Für alle diese divergierenden Interessen ist Libyen eine große Projektionsfläche. Eine friedliche Beilegung des Konflikts muss daher weit über Berlin hinausgehen. Sie gleicht der Quadratur des Kreises.