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Gastkommentar: Mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie

Ban Ki-Moon | Patrick Verkooijen
1. August 2021

Forscher warnen: Die jüngsten Flutkatastrophen zeigen das Ende eines stabilen Klimas an. Die Menschheit muss mehr tun, um Schäden durch Extremwetterereignisse zu minimieren, meinen Ban Ki-Moon und Patrick Verkooijen.

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Erdkugel im Wasser
Die jüngsten Überschwemmungen und Hitzewellen sind ein Zeichen für das Ende eines stabilen KlimasBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Ohde

Die katastrophalen Überschwemmungen im Rheinland, in Belgien und den Niederlanden müssen global als Warnung verstanden werden, dass es immer dringender wird, mehr für die Anpassung an den Klimawandel zu tun. Der volle Schaden ist noch nicht abzusehen, aber der Wiederaufbau wird wohl Milliarden kosten und Monate dauern.

Auch wenn es noch zu früh ist, das genaue Ausmaß des Klimawandels abzuschätzen, befürchten Wissenschaftler, dass durch Treibhausgase verursachte Schäden noch extremere Wetterereignisse hervorrufen könnten, als bislang erwartet. Die extremen Hitzewellen, die jetzt an der Westküste der Vereinigten Staaten und Kanadas sowie in Sibirien und anderen Teilen der Welt zu beobachten waren, sind ein weiterer Beweis für ein zunehmend bedrohliches Klima - und für die Notwendigkeit, sich schnell darauf einzustellen.

Ein globales Problem

Die Bilder aus Deutschland unterstreichen die Gefahren, die der Klimawandel selbst für die fortschrittlichsten Volkswirtschaften der Welt mit sich bringt. Die Europäische Union hat zwar mehr als die meisten anderen getan, um die Risiken zu mindern - so hat die EU-Kommission vor Kurzem das bisher ehrgeizigste Paket von Klimamaßnahmen für eine große Volkswirtschaft vorgeschlagen. Doch werden diese Maßnahmen die bereits eingetretenen Veränderungen nicht rückgängig machen. Das von der Menschheit ausgestoßene Treibhausgas Kohlendioxid bleibt etwa 100 Jahre lang in der Atmosphäre.

Ban Ki-Moon (links) und Patrick Verkooijen
Patrick Verkooijen (links) und Ban Ki-Moon Bild: Global Center on Adaptation

Wir müssen mit einem gewissen Temperaturanstieg leben lernen und auch mit den damit verbundenen extremen Wetterereignissen. Anpassungen sind nötig, selbst wenn die Ziele des Pariser Abkommens erreicht werden. Wissenschaftler warnen, dass die jüngsten Überschwemmungen und Hitzewellen nicht nur die neue Normalität sind, sondern dass sie das Ende eines stabilen Klimas einläuten, das wir bisher gewohnt waren. Wenn nicht gehandelt wird, könnten bis zum Jahr 2030 bis zu 132 Millionen Menschen durch den Klimawandel in extreme Armut getrieben werden, sagt die Weltbank.

Jetzt gilt es schneller zu handeln und mehr Mittel bereitzustellen, um uns anzupassen und Wege zu finden, mit der Natur in Einklang zu leben, anstatt gegen sie zu arbeiten.

Wenn wir die Investitionen jetzt beschleunigen, können wir wirtschaftliche Schäden in Milliarden- oder gar Billionenhöhe verhindern und viele Tausende Menschenleben retten. Eine Studie der Global Commission on Adaptation zeigt: Wenn bis Ende des Jahrzehnts in nur fünf Schlüsselbereichen 1,8 Billionen US-Dollar (1,5 Billionen Euro) investiert werden, könnte das einen Gewinn von insgesamt 7,1 Billionen US-Dollar bringen - indem man das Geld unter anderem in neue Infrastruktur, wie stärkere Dämme und Entwässerungssysteme sowie Frühwarnsysteme steckt.

Es gibt bereits einige eindrucksvolle Projekte zur Verbesserung der Klima-Widerstandsfähigkeit. In Deutschland wird der neue Stadtteil HafenCity in Hamburg auf erhöhtem Grund gebaut, wodurch das gesamte Areal mindestens acht Meter über dem Meeresspiegel liegt. In den Niederlanden arbeiten Ingenieure an dem Programm "Raum für den Fluss." Sie wollen durch Verbreiterung und Vertiefung den Wassern von Rhein, Maas, Waal und IJssel mehr Platz geben, um die Städte und Gemeinden an den Ufern besser zu schützen. Neue Kanäle wurden gebaut, überschwemmungsgefährdete Gebäude abgerissen und zusätzliche Rückhaltebecken geschaffen. Auch Bauern sind in das Projekt eingebunden, um bei Fluten die Wassermassen auf landwirtschaftliche Flächen leiten zu können.

In China haben Überschwemmungen zwischen 2006 und 2016 jährlich Schäden in Höhe von durchschnittlich 251 Milliarden Yuan (33 Milliarden Euro) verursacht. Dort gibt es nun sogenannte Schwammstädte wie Xiangyang Han River Eco City. Sie verfügen über mehr unversiegelte Flächen - einschließlich begrünter Dächer - und effizientere Wasserkanäle und -speicher.

Den Erfolg teilen

Diese Projekte allein reichen nicht aus. Eine der größten Herausforderungen bei der Klimaanpassung besteht darin, dass sich die Verantwortung auf viele verschiedene staatliche Einrichtungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene verteilt. Extreme Hitze, Überschwemmungen und Stürme erfordern zudem eine vorsorgliche Planung und Investitionen in Anpassungsmaßnahmen.

Daher ist es unerlässlich, dass die Menschheit sich über erfolgreiche Strategien austauscht und Wissen und Lösungen untereinander weitergeben werden. Um die erforderlichen Maßnahmen zu ermitteln und Erfolge zu registrieren, müssen Regierungen und der Privatsektor ermitteln, wie groß das Ausmaß der Schäden durch Überschwemmungen und Hitzestress sein wird. Diese Daten müssen Grundlage für die Planung sein und zur Überprüfung der Fortschritte verwendet werden.

Wir müssen schnell handeln. Das Sammeln detaillierter Kenntnisse wird es uns auch ermöglichen, ohnehin benachteiligte Gruppen besser zu schützen, die in der Regel unverhältnismäßig stärker vom Klimawandel betroffen sind als andere.

Die jüngsten Extremwetterereignisse haben gezeigt, dass der Klimanotstand ein gesamtgesellschaftliches und globales Problem ist. Es ist ermutigend, dass die USA und die EU planen, ihre Beiträge zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Bekämpfung des Klimawandels zu erhöhen. Alle Industrieländer müssen nun ihr Versprechen einlösen, gemeinsam 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Finanzmitteln für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung in den Entwicklungsländern zu mobilisieren.

Wie die Überschwemmungen in Europa und China gezeigt haben, müssen wir die Anpassungsbemühungen weltweit beschleunigen, um sicherzustellen, dass wir so gut wie möglich für das gerüstet sind - egal, welche Auswirkungen unser immer instabileres Klima als Nächstes hat. Und wir müssen es jetzt tun.

Ban Ki-Moon ist der 8. Generalsekretär der Vereinten Nationen. Patrick Verkooijen ist Chef des Global Center on Adaptation in Rotterdam.