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Politik

Profiteure des Falls Khashoggi

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
19. Oktober 2018

Die saudische Führung hat sich mehr als zwei Wochen nach dem Verschwinden des prominenten Dissidenten immer noch nicht entschieden, zu was sie sich bekennen soll. Das Zeitfenster schließt sich, meint Rainer Hermann.

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Istanbul Konsulat Saudi Arabien
Immer noch liegt im Dunkeln, was im saudischen Generalkonsulat in Istanbul wirklich geschahBild: picture-alliance/abaca/C. Erok

Je länger Riad mit einer offiziellen Erklärung zum Fall Khashoggi wartet, desto höher werden die politischen Kosten für das Haus Saud. Kronprinz Mohammed bin Salman wird noch lange nicht die mutmaßliche Ermordung Khashoggis durch Leute aus seinem Umfeld abstreifen können. Das wird an ihm kleben bleiben. Daher wächst der Druck auf ihn , eine Art Wiedergutmachung zu leisten, indem er etwa Korrekturen an seiner Außenpolitik vornimmt, beispielsweise bei dem verheerenden Krieg im Jemen.

Nicht mehr korrigieren kann er, dass sich in den vergangenen zwei Wochen das Machtgleichgewicht im Nahen Osten und in der islamischen Welt verschoben hat. Vor einem Monat hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit der Vereinbarung zur syrischen Provinz Idlib, wo seine Initiative eine bevorstehend Tragödie verhinderte, als ein unentbehrlicher Partner empfohlen.

Zurückhaltung als politische Tugend

Aufgrund seines klugen Verhaltens im Fall Khashoggi kann er jetzt eine weitere Dividende einstreichen. Denn er hat sich zurückhaltend geäußert und der saudischen Führung Zeit gegeben, sich zu dem Verschwinden Khashoggis im Istanbuler Konsulat zu äußern. Auch gegenüber Washington erweitert er seinen Spielraum. Denn er kann für sich in Anspruch nehmen, den wichtigsten arabischen Verbündeten im Nahen Osten vor einer noch tieferen Fall bewahrt zu haben.

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Die saudische Führung machte aus ihrer Ablehnung des türkischen Präsidenten und dessen Politik keinen Hehl. Die Beziehungen waren nach außen zwar freundlich, aber nicht freundschaftlich, sondern kühl. Denn Erdogan unterlief in wichtigen Politikfeldern die Linie Riads. So kritisierte er das Embargo gegen Katar und die saudischen Beziehungen zu Israel, die auf Kosten der Palästinenser gehen.

Nun hat Erdogan einen Hebel in der Hand, um auf ein saudisches Entgegenkommen zu drängen, beispielsweise auf eine Lockerung des Embargos gegen Katar, womit er zugleich der Muslimbruderschaft, die in Katar und Istanbul ihren Sitz hat, die von Riad aber entschieden bekämpft wird, einen wichtigen Dienst tut. Erleichtert werden nun auch wirtschaftliche Hilfen Saudi-Arabiens für die von einer Wirtschaftskrise gebeutelte Türkei. Sie könnten in umfangreichen saudischen Investitionen bestehen und in einem Rabatt bei Öllieferungen.

Auch in den Beziehungen zu den USA nützlich

Auch den zuletzt merklich abgekühlten Beziehungen zu den USA nutzt die Art, wie die Türkei mit dem Fall Khashoggi umgeht. Zwar wird die amerikanische Justiz, die unabhängig ist, nicht den türkischen Wunsch erfüllen, den türkischen Prediger Fethullah Gülen auszuliefern. Das Weiße Haus würde jedoch nicht länger einen türkischen Antrag beim Internationalen Währungsfonds blockieren, sollte Ankara dort um Hilfe bitten. Auch könnte die Türkei den Druck auf Washington erhöhen, die Unterstützung für die nordsyrischen Kurden zu reduzieren, so dass Ankara in Nordsyrien freier agieren könnte.

Nicht zuletzt punktet die Türkei in der Rivalität um die Führung der islamischen Welt. Denn der Fall Khashoggi hat nicht nur viele junge Saudis enttäuscht. Er unterspült auch die moralische Glaubwürdigkeit des Landes, dessen König den Titel "Hüter der beiden Heiligen Stätten" trägt. Die Profiteure des mutmaßlich grauenhaften Geschehens im saudischen Generalkonsulat in Istanbul sind die Türkei und ihr Präsident Erdogan.