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Politik

Eine Niederlage für Putin

17. Oktober 2018

Die Bildung einer unabhängigen orthodoxen Kirche in der Ukraine ist ein Schlag gegen Putins Versuch, das Land im Moskauer Orbit zu halten. Den höchsten Preis bezahlt die russische Kirche, meint Konstantin Eggert.

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Präsident Wladimir Putin und  Patriarch Kirill
Bild: Getty Images/AFP/A. Nikolsky

In der Kathedrale der Heiligen Sophia in Kiew, heute ein Museum, stehen Gerüste, und es herrscht Baulärm. Die Renovierungsarbeiten dort finden nicht zufällig statt. Die Kathedrale wird höchstwahrscheinlich der Ort sein, an dem die Abgesandten des ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. der orthodoxen Kirche der Ukraine feierlich ihre Selbstverwaltung gewähren werden.

Während das genaue Datum noch gar nicht feststeht, zu dem die ukrainische orthodoxe Kirche unabhängig vom Patriarchat Moskau werden soll, sind die Folgen schon jetzt weitreichend: Weil Bartholomäus, der ökumenische Patriarch in Istanbul (seit den Tagen des Byzantinischen Reiches traditionell als Patriarchat von Konstantinopel bezeichnet) diese Loslösung unterstützt, hat die russisch-orthodoxe Kirche ihre Beziehungen dorthin am Montag völlig abgebrochen.

Mehr als 300 Jahre unter Moskaus Jurisdiktion

Die "Moskauer Kirche", wie sie in der Ukraine häufig genannt wird, ist bisher die größte orthodoxe Gemeinschaft des Landes. Sie genießt zwar administrative Unabhängigkeit, sieht Moskau aber als ihre geistige Heimat. Die Patriarchen von Moskau haben die Ukraine seit 1688 unter ihrer kanonischen Gerichtsbarkeit, als der Patriarch von Konstantinopel, Dionysius IV., dem Primas der russischen Kirche das Recht gab, den Kiewer Metropoliten zu ernennen.

von Eggert Konstantin Kommentarbild App
Konstantin Eggert ist russischer Journalist

Das Patriarchat von Konstantinopel mit seiner fast 1700-jährigen Geschichte ist die älteste der 15 autokephalen orthodoxen Kirchen. Sein Oberhaupt wird von anderen orthodoxen Hierarchen als "Erster unter Gleichen" angesehen. Der gegenwärtige Patriarch Bartholomäus sagt nun, dass das Dekret aus dem 17. Jahrhundert nur eine Übergangslösung war, und nennt seine Entscheidung, sich die ukrainische Kirche unmittelbar selbst zu unterstellen, legitim. In Vorbereitung auf eine vollständige Unabhängigkeit der zukünftigen ukrainischen Kirche hob er die Exkommunikation zweier bisher nicht von Konstantinopel anerkannter ukrainischer orthodoxer Kirchen auf, die nach ihrer Loslösung vom Moskauer Patriarchat in den 1990er-Jahren verhängt worden waren.

Dies führte zu einer wütenden Reaktion des Moskauer Patriarchen Kyrill: Er leitete am Montag eine außerordentliche Heilige Synode der russisch-orthodoxen Kirche. Diese ordnete an, alle offiziellen Beziehungen zum ökumenischen Patriarchat zu kappen. Das bedeutet, dass russische Geistliche nicht zusammen mit Kirchenleuten unter der Jurisdiktion Konstantinopels Gottesdienste feiern dürfen und Gläubige nicht in den Kirchen des ökumenischen Patriarchats Sakramente empfangen können.

Putins Verlust ist Poroschenkos Gewinn

Die Rivalität zwischen dem ökumenischen Patriarchat und der russischen Kirche ist nichts Neues. Konstantinopel ist zwar die älteste Kirche, aber nicht sehr groß. Das Patriarchat Moskau ist erst seit dem 16. Jahrhundert unabhängig, inzwischen aber das reichste -und es hat die meisten Gläubigen. Schon 1996 setzte der damalige Moskauer Patriarch Alexis II. wegen eines Streits um die orthodoxe Gerichtsbarkeit in Estland alle Verbindungen zur Kirche in Konstantinopel für einige Wochen aus. Am Ende gab es zwei orthodoxe Kirchen - eine Kirche, die Moskau treu blieb, die andere, die dem ökumenischen Patriarchat angehörte.

Die Krise um die ukrainische Autokephalie ist jedoch die schwerste in der jüngeren Geschichte. Nachdem Wladimir Putin die Krim annektiert und 2014 in die Ostukraine eingedrungen war, folgte der Moskauer Patriarch Kyrill treu der Kreml-Linie. In seinen öffentlichen Äußerungen beklagt er den "Bürgerkrieg in einem brüderlichen Land" und nennt Russen und Ukrainer "ein Volk". Diese Wortwahl leugnet die Realität der russischen Invasion und der ukrainischen Souveränität. Das lokale Oberhaupt der Moskauer Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, der Metropolit Onufriy, tut dasselbe - wenn auch auf eine vorsichtigere Weise.

Ukraine Sophienkathedrale in Kiew in Kiew
Die Sophienkathedrale in Kiew - hier sind einige der schönsten mittelalterlichen Mosaike Mitteleuropas zu sehenBild: picture-alliance/dpa/T. Eisenhuth

Dies hat zu einer Gegenreaktion in der ukrainischen Gesellschaft geführt, in der die "Moskauer Kirche" zunehmend als Putins Propagandainstrument angesehen wird. Seit 2014 nimmt der Ruf nach Autokephalie, also nationaler Eigenständigkeit der Ortskirche, zu. Patriarch Kyrill verschärfte die Situation 2016, als er sich in letzter Minute weigerte, am Panorthodoxen Rat auf der griechischen Insel Kreta unter dem Vorsitz von Patriarch Bartholomäus teilzunehmen. Er überredete auch die Leiter der georgischen, bulgarischen und antiochischen orthodoxen Kirchen, dasselbe zu tun. Der ökumenische Patriarch war brüskiert, sah seine Autorität angegriffen und ist seither gegenüber Moskau einen zunehmend schärferen Kurs gefahren. Als der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ihn bat, der ukrainischen Kirche die Unabhängigkeit zu gewähren, nutzte Patriarch Bartholomäus die Chance.

Die Kirche als künftiger Träger des ukrainischen Patriotismus

Das bedeutet nicht, dass das Moskauer Patriarchat nun komplett aus der Ukraine verbannt wird. Seine Gesetze garantieren ja die Freiheit der religiösen Vereinigung. Bis auf weiteres werden viele Bistümer und Pfarreien weiterhin für Patriarch Kyrill als ihr geistliches Haupt beten. Der durch den Krieg verschärfte Prozess der Trennung von allen russischen Dingen wird jedoch mit der Zeit dazu führen, dass immer mehr Gläubige der neu gegründeten unabhängigen ukrainischen Kirche beitreten. Sie wird fast standardmäßig zum Träger des ukrainischen Patriotismus mit einem gewissen Grad an Nationalismus werden. Dies ist eine unvermeidliche Folge der Stärkung des ukrainischen Nationalbewusstseins, die durch die Aggression Putins massiv gefördert wurde.

Präsident Poroschenko, der 2019 wiedergewählt werden will, ist der große Gewinner dieses Kirchenstreits. Patriarch Kyrill und Wladimir Putin sind die großen Verlierer. Doch niemand außer den beiden selbst ist daran schuld.