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PolitikIsrael

Gaza nach dem Krieg und die Rolle der arabischen Staaten

24. Mai 2024

Es muss einen Nachkriegsplan für Gaza geben. Israels arabische Nachbarn sind dafür von entscheidender Bedeutung. Auf einigen von ihnen ruhen die internationalen Hoffnungen auf Stabilität in dem Küstenstreifen.

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Ein Mann in roter Jacke und heller Schirmmütze trägt einen prall gefüllten, tiefroten Sack auf der Schulter
Flucht und Vertreibung: Wie soll es weitergehen mit dem Gazastreifen?Bild: AFP

Wie soll es nach einem Ende des Kriegs im Gazastreifen politisch weitergehen? Mit dieser ungeklärten Frage ist die internationale Politik immer stärker beschäftigt. Denn niemand weiß, wie der Gazastreifen künftig regiert werden soll.

Ausgelöst wurde der Krieg durch den Terrorangriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023. Bei dem Angriff wurden 1163 Menschen von palästinensischen Hamas-Milizen getötet, etwa 250 wurden entführt. Israel schließt seitdem eine weitere Regierungsrolle der von USA, EU und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuften Hamas kategorisch aus. 

Zurückhaltung der arabischen Staaten

Die Lage ist auch darum kompliziert, weil Israels arabische Nachbarn ihre Beteiligung an der künftigen Verwaltung oder Finanzierung des Wiederaufbaus davon abhängig machen, ob sich ein gangbarer Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung finden lässt. Doch ein palästinensischer Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt wird vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu kategorisch abgelehnt. Der Angriff der Hamas, so Netanjahu, dürfe nicht dadurch belohnt werden, dass Israel die Gründung eines palästinensischen Staates garantiere.

"Es gibt keine gemeinsame Basis", sagt Yohanan Tzoreff, Politologe am Tel Aviv Institute for National Security Studies, im DW-Interview. Alle Versuche, Kompromisse zu finden, seien bislang gescheitert. "Die derzeitige israelische Regierung wird die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung nicht akzeptieren. Nur Wahlen könnten dies ändern."

Israels Regierungskoalition in Gefahr

Die Zukunft Gazas spaltet sogar die politische Führung Israels und wirft Fragen über die politische Stabilität des jüdischen Staates auf. Anfang dieser Woche setzte der ehemalige Generalstabschef Benny Gantz, der neben Netanyahu und Verteidigungsminister Joav Galant Teil des dreiköpfigen israelischen Kriegskabinetts ist, der Regierung eine Frist: Bis zum 8. Juni müsse sein Nachkriegsplan für den Gazastreifen vom Kabinett angenommen werden.

Der Sechs-Punkte-Plan umfasst unter anderem die Rückgabe der noch immer von der Hamas festgehaltenen Geiseln, das Ende der Hamas-Herrschaft in Gaza, die Entmilitarisierung des Gazastreifens und die Einführung einer israelischen Sicherheitskontrolle über Gaza. Sollte der Plan abgelehnt werden, werde er seinen Posten im Kriegskabinett niederlegen, kündigte Gantz an.

Bisher hat Netanjahu jegliche weiteren Diskussionen über "den Tag danach" in Gaza als solange bedeutungslos zurückgewiesen, "wie die Hamas nicht besiegt und die Geiseln nicht zurückgebracht sind".

Es sei keine palästinensische Verwaltung in Gaza denkbar, ohne dass Israel seine Präsenz auf dem Territorium und eine weitreichende Sicherheitspolitik aufrechterhalte, sagt Neil Quilliam vom Londoner Think Tank Chatham House, im DW-Interview. "Das bedeutet, dass Israel weiterhin militärische Mittel im Gazastreifen behält. Das aber wäre wohl ein Gräuel für jede regierende palästinensische Gruppe und jeden in Gaza lebenden Palästinenser."

Bildkombo: der nationale US-Sicherheitsberater Jake Sullivan und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman
Im Gespräch: der nationaler Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan (l.), und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman Bild: Nathan Posner/AA/Leon Neal/AP/picture alliance

Hoffnungsträger Arabisches Quintett

Auch US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte, Israel müsse einen klaren und konkreten Plan vorlegen, um ein Machtvakuum im Gazastreifen zu vermeiden. Denn auf dieses könnten chaotische Zustände folgen. Im Gegenzug intensivierte der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, die Gespräche mit dem sogenannten Arabischen Quintett, bestehend aus Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Katar. Erörtert wird eine mögliche Beteiligung der Gruppe an einer durch eine UN-Resolution legitimierten, multinationalen arabischen Friedensmission.

Die Mitglieder des Quintetts wollen ihre Teilnahme von der Einrichtung eines wirksamen Waffenstillstands sowie der Aussicht auf eine ernsthaft in Angriff genommene Zwei-Staaten-Lösung abhängig machen. Am Samstag erklärte jedoch der Außenminister der VAE, Abdullah bin Zayed Al Nahyan, sein Land werde sich nicht an einer neuen Zivilverwaltung in Gaza beteiligen.

Anders dagegen Bahrain, das vor vier Jahren im Rahmen des von den USA vermittelten Abraham-Abkommens seine Beziehungen zu Israel normalisierte. Das Land signalisierte Bereitschaft, sich einer solchen multinationalen Truppe anzuschließen. Auch Saudi-Arabien deutet Bewegungsbereitschaft an. Bis zum Angriff der Hamas vom 7. Oktober war das Königreich dabei, seine Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Nun hat es einem fast fertig ausgearbeitetem Entwurf zu weitreichenden Sicherheitsabkommen mit den USA zugestimmt. Dieser beinhaltet auch eine "Verbesserung" der israelisch-saudischen Beziehungen.

"Es ist schwer vorstellbar, dass Saudi-Arabien zum jetzigen Zeitpunkt die Beziehungen zu Israel normalisiert, es sei denn, eine wie auch immer geartete Lösung ist in Sicht", sagt Neil Quilliam.

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Ähnlich sieht es der Nahostexperte Hugh Lovatt vom Think Tank European Council on Foreign Relations. "Die israelische Regierung hat sich geweigert, auch nur annähernd das Minimum dessen anzubieten, was Saudi-Arabien für einen Deal verlangen würde."

UN-Truppe als "realistischste Vision" für Gaza?

Der Vorschlag des Arabischen Quintetts für eine multinationale Truppe unter UN-Aufsicht sei die mit Abstand realistischste Vision zur Stabilisierung des Gazastreifens nach einem Waffenstillstand, so Lovatt: "Jedenfalls solange, wie sie mit einem neuen diplomatischen Weg zur Unterstützung der palästinensischen Selbstbestimmung verbunden ist."

"In gewisser Weise führt das auch zu einer vollständigen regionalen Integration Israels", sagte Lovatt der DW und fügt hinzu: "Auch wenn noch erhebliche Hindernisse zu erwarten sind, ist dies doch ein wichtiger Ausgangspunkt für zukünftige Diskussionen."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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Jennifer Holleis
Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.