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Gazastreifen: Erneuter Luftangriff Israels in Chan Junis

10. September 2024

Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben in einer humanitären Zone des Gazastreifens eine Kommandozentrale der radikalislamischen Hamas bombardiert. Dabei gab es nach palästinensischen Angaben viele Todesopfer.

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Rettungskräfte suchen in einem Bombenkrater nach möglichen Verschütteten
Rettungskräfte suchen nach dem israelischen Luftangriff nach möglichen VerschüttetenBild: Jehad Alshrafi/Anadolu/picture alliance

Israels Armee spricht von einem Luftangriff auf ein Kommandozentrum der Hamas im Süden des Gazastreifens. Dabei seien in Al-Mawasi in Chan Junis ranghohe "Terroristen" der militant-islamistischen Palästinenserorganisation getroffen worden, teilte das israelische Militär mit. Man habe vor dem Angriff mit Präzisionsmunition zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um das Risiko zu verringern, dass Zivilisten zu Schaden kommen. Angaben zu möglichen Opfern machte die Armee in der Nacht nicht.

Sie warf den "terroristischen Organisationen im Gazastreifen" vor, "zivile und humanitäre Infrastruktur systematisch zu missbrauchen, darunter das ausgewiesene humanitäre Gebiet, um terroristische Aktivitäten gegen den Staat Israel und die israelische Armee auszuführen". Die Hamas versicherte, in dem angegriffenen Gebiet hätten sich keine Kämpfer aufgehalten.

Der palästinensische Zivilschutz teilte mit, in Al-Mawasi seien die Zelte von Geflüchteten bombardiert und dabei mindestens 40 Menschen getötet und 60 weitere verletzt worden. "Unsere Teams versuchen immer noch, 15 Vermisste zu bergen", sagte Mohammed al-Mughair vom Zivilschutz im Gazastreifen der Nachrichtenagentur AFP.

Tiefe Krater im Sand

Nach Angaben von Einwohnern und Medizinern sind in dem Lager nahe Chan Junis mindestens vier Raketen eingeschlagen. Die Geschosse hätten Krater von bis zu neun Metern Tiefe in die Erde gerissen, meldet der Zivilschutz. Ganze Familien seien in den tiefen Löchern unter dem Sand verschwunden, sagte dessen Sprecher, Mahmud Basal. Nach seinen Angaben waren die Zivilisten in dem Gebiet vorab nicht vor dem Luftangriff gewarnt worden. Mindestens 20 Zelte hätten Feuer gefangen, heißt es weiter.

Mehrere Helfer suchen in der Nacht nach möglichen Opfern des Luftangriffs
Nächtliche Suche nach vermissten PalästinensernBild: Hani Alshaer/Anadolu/picture alliance

Die israelische Armee hatte Al-Mawasi in der Anfangsphase des Gaza-Kriegs als sichere Zone für Zivilisten ausgewiesen. Zehntausende durch den Krieg vertriebene Palästinenser suchten auf Anweisung des israelischen Militärs dort Schutz vor den Kämpfen. Hin und wieder führt die israelische Armee jedoch in dem Gebiet und seiner Umgebung Angriffe aus.

Erneute Attacke auf humanitäre Zone

Das israelische Militär hatte bereits im Juli ein abgezäuntes Objekt in der humanitären Zone zwischen Chan Junis und Al-Mawasi bombardiert, das nach israelischer Darstellung als Basis für Hamas-Terroristen diente. Dabei wurden der Militärchef der Hamas, Mohammed Deif, und der Kommandeur der Chan-Junis-Brigade der Hamas, Rafa Salama, getötet. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden bei dem massiven Luftangriff damals mindestens 90 Menschen getötet und weitere 300 wurden verletzt.

Deif gilt als einer der Drahtzieher des Terrorangriffs der Hamas und anderer extremistischer Gruppen vom 7. Oktober 2023. Die Angreifer hatten bei den Überfällen auf Orte im Süden Israels nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei seit Oktober mehr als 40.990 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Die USA, die Europäische Union, Deutschland und andere Länder stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

Mehrfache Vertreibungen

Seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs wurde die meisten der 2,4 Millionen Menschen im Gazastreifen mindestens einmal vertrieben. In Al-Mawasi nahm die Bevölkerungsdichte im Zuge der Fluchtbewegungen massiv zu. Hatten dort vor dem Krieg rund 1200 Menschen pro Quadratkilometer gelebt, sind es nach Berechnungen der UN nun 30.000 bis 34.000. Die unter Schutz stehende Zone schrumpfte derweil von 50 auf 41 Quadratkilometer.

Israelische Reservisten wollen nicht wieder in den Krieg

Die USA, Katar und Ägypten bemühen sich um die Vermittlung eines Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas, das auch die Freilassung aller im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln ermöglichen soll. Die indirekt geführten Verhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien sind allerdings festgefahren. Während die Hamas als Bestandteil des Abkommens einen vollständigen Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen verlangt, beharrt die israelische Regierung darauf, dass sie im sogenannten Philadelphi-Korridor an der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten die Kontrolle behalten müsse.

Erfolgreiche Polio-Impfungen

Die im Gazastreifen laufende Polio-Impfkampagne ist nach Angaben der Vereinten Nationen auf Kurs. In der abgeschlossenen zweiten Phase seien mehr als 446.000 Kinder im Kampf gegen das hochansteckende Virus erreicht worden, sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. Das entspreche fast 70 Prozent der Gesamtzahl von 640.000 zu impfenden Jungen und Mädchen.

Ein palästinensisches Mädchen erhält eine Polio-Impfung im Gazastreifen (31.08.2024)
Palästinensische Kinder bei Polio-Impfung in Chan Junis (Ende August)Bild: JIHAD AL-SHARAFI/AFP via Getty Images

An diesem Dienstag soll die dritte Phase der Kampagne beginnen. Dabei sollen die Kinder im Norden des abgeriegelten Palästinensergebiets am Mittelmeer die Schluckimpfung bekommen.

kle/AR/fab (afp, dpa, rtr)