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PolitikNahost

Gazastreifen: Humanitäre Lage dort "mehr als katastrophal"

Veröffentlicht 6. September 2024Zuletzt aktualisiert 6. September 2024

Der Krieg zwischen Israel und der terroristischen Hamas nimmt kein Ende - was verheerend für die im Gazastreifen lebenden Palästinenser ist. Es fehlt vor allem an Nahrungsmitteln. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm.

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Palästinenser inspizieren den Ort eines israelischen Angriffs im Gazastreifen
Ein Leben in Zelten und in ständiger Angst: Palästinenser im GazastreifenBild: Ramadan Abed/REUTERS

Die humanitäre Situation im Gazastreifen ist nach Ansicht der Vereinten Nationen nach wie vor "mehr als katastrophal". Mehr als eine Million Palästinenser hätten im August keine Lebensmittelrationen auf humanitärem Weg erhalten, berichtete UN-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. So sei die Zahl der täglich gekochten Mahlzeiten im Vergleich zum Juli um 35 Prozent auf 450.000 gesunken. Dujarric führte den drastischen Rückgang zum Teil auf die mehrfachen Evakuierungsbefehle der israelischen Streitkräfte zurück. Dadurch seien mindestens 70 von 130 Küchen dazu gezwungen worden, ihren Betrieb entweder einzustellen oder zu verlagern.

Partner der UN verfügten außerdem den zweiten Monat in Folge nicht über ausreichende Nahrungsmittelvorräte, um den Bedarf im zentralen und südlichen Gazastreifen zu decken. Als Gründe für den kritischen Mangel an Hilfsgütern führte Dujarric auch beschädigte Straßen, Zugangsbeschränkungen und den Zusammenbruch von Recht und Ordnung an. Der UN-Sprecher wies zudem darauf hin, dass es internationalen Medienvertretern auch elf Monate nach Kriegsbeginn noch immer verboten sei, in den Gazastreifen einzureisen, um über die Auswirkungen des Kriegs zu berichten.

Palästinensische Kinder erhalten gekochte Essensrationen
Palästinensische Kinder erhalten gekochte Essensrationen in einem behelfsmäßigen Flüchtlingslager im südlichen GazastreifenBild: BASHAR TALEB/AFP

Der Israel-Hamas-Krieg hatte nach dem beispiellosen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel begonnen, bei dem die Islamisten offiziellen Angaben zufolge 1205 Menschen töteten und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppten. Nach jüngsten israelischen Zahlen befinden sich noch immer 97 Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen, 33 von ihnen sind demnach tot. Als Reaktion auf den Hamas-Angriff geht Israel massiv militärisch gegen Ziele im Gazastreifen vor. Nach Darstellung der Hamas sollen dabei schon mehr als 40.800 Menschen getötet worden sein. Diese Zahl lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Die Hamas wird von Israel, den USA, der Europäischen Union und etlichen anderen Ländern als Terrororganisation eingestuft.

"Nah dran" an einer Waffenruhe? 

US-Außenminister Antony Blinken drängte Israel und die Hamas, endlich ein Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen zu schließen. "Nach dem, was ich gesehen habe, sind 90 Prozent erledigt", sagte Blinken in Bezug auf Fortschritte bei den Verhandlungen. "Es liegt wirklich an beiden Parteien, in den verbleibenden Fragen zu einem Ja zu kommen", fügte er bei einer Pressekonferenz in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince hinzu. Die Vereinigten Staaten würden in den kommenden Tagen über die Vermittler Katar und Ägypten weitere Vorschläge unterbreiten, in der Hoffnung, eine Einigung zu erzielen. Jeder Tag, an dem kein Abkommen zustande komme, sei ein Tag, "an dem etwas anderes passiert und ein Ereignis dazwischenkommt, das die Dinge einfach aufschiebt", mahnte der amerikanische Außenminister.

US-Außenminister Antony Blinken in Haiti
Äußerte sich bei einem Besuch in Haiti: US-Außenminister Antony BlinkenBild: Roberto Schmidt/AFP/AP/picture alliance

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies Blinkens Einschätzung hingegen zurück. "Wir sind nicht nah dran", betonte er im US-Sender Fox News mit Blick auf den Abschluss eines Waffenruhe-Abkommens.

Baerbock: Gewaltspirale nicht befeuern

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock erklärte bei einem Besuch in Israel, ein rein militärisches Vorgehen im Gazastreifen werde den Konflikt nicht lösen. Es habe sich gezeigt, dass eine solche Strategie das Leben der noch verbliebenen Geiseln gefährde, sagte die Grünen-Politikerin. Es müsse jetzt alles dafür getan werden, dass die Geiseln freikämen. Sie verstehe das Sicherheitsdilemma Israels, aber es könnten dafür Lösungen gefunden werden. "Es braucht eine Feuerpause", unterstrich Baerbock. Am vergangenen Wochenende waren sechs von der Hamas verschleppte Geiseln tot aufgefunden worden.

Deutliche Kritik übte Baerbock am Vorgehen der israelischen Regierung im Westjordanland. Israel müsse dort "stärker und sichtbarer gegen die Gewalttaten von radikalen Siedlern" vorgehen, forderte sie bei einem Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Israel Katz in Tel Aviv. "Wer Menschen angreift, aus ihren Häusern vertreibt oder sogar tötet, muss zur Rechenschaft gezogen und hart bestraft werden." Israel müsse zudem seine Siedlungsprojekte im Westjordanland aufgeben, diese seien "illegal", betonte Baerbock.

Annalena Baerbock und Israel Katz geben sich die Hand
Kamen in Tel Aviv zusammen: Annalena Baerbock und ihr israelischer Kollege Israel KatzBild: GIL COHEN-MAGEN/AFP

Es irritiere sie, "wenn Mitglieder der israelischen Regierung selbst fordern, im Westjordanland genauso vorzugehen wie in Gaza", sagte Baerbock. Katz selbst hatte Ende August verlangt, Israel müsse die "Terrorinfrastruktur" dort mit der selben Entschlossenheit zerschlagen wie im Gazastreifen. Baerbock hingegen merkte an: "Das Kalkül der Terroristen, eine ewige Gewaltspirale zu befeuern, genau das muss durchbrochen werden." Die deutsche Ministerin traf auch den israelischen Verteidigungsminister Joav Galant.

Am Donnerstag hatte Baerbock im Rahmen ihrer Nahost-Reise in Amman angekündigt, Deutschland werde die Lieferung von Gaza-Hilfsgütern aus Jordanien über den Landweg mit weiteren fünf Millionen Euro unterstützen. Über den sogenannten Jordanien-Korridor gelangten inzwischen pro Woche 120 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen. "Es ist unser gemeinsames Ziel, diese Zahl auf mindestens 350 pro Woche über diese Route zu erhöhen", so Baerbock. Zudem stelle Deutschland weitere 50 Millionen Euro bereit für die Arbeit der Vereinten Nationen und internationaler NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die Hilfe vor Ort leisten - etwa bei der Versorgung von Säuglingen oder der Bereitstellung von sauberem Wasser.

wa/se/kle (dpa, afp, rtr)