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Politik

Gedenken an KZ-Befreiungen vor 75 Jahren

19. April 2020

Für Zehntausende war es die Rettung vor dem Tod: Im April 1945 wurden die Konzentrationslager Bergen-Belsen, Sachsenhausen und Ravensbrück befreit. Das Gedenken zum 75. Jahrestag musste anders stattfinden als geplant.

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Gedenken im ehemaligen KZ Bergen-Belsen
Bild: picture-alliance/dpa/P. Schulze

Die Gedenkfeiern konnten wegen der Corona-Pandemie nur in kleinem Rahmen stattfinden. In der Gedenkstätte Bergen-Belsen nahe Celle erinnerten Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und andere Landespolitiker sowie Vertreter jüdischer Gemeinden in einer nicht öffentlichen Veranstaltung an die Befreiung des Lagers. Neben Weil legte unter anderem der Landesverbands-Vorsitzende jüdischer Gemeinden, Michael Fürst, einen Kranz an der Inschriftenwand der Gedenkstätte ab, die an die Opfer des KZ erinnert.

"Bergen-Belsen ist und bleibt eine offene Wunde unserer Geschichte. Wir gedenken in tiefer Trauer und in tiefer Scham der Opfer", sagte Weil in seiner Rede. Das Gedenken an die Opfer und ihr Leiden auf eine schlichte  Kranzniederlegung beschränken zu müssen, tue weh, sagte der SPD-Politiker. Die Corona-Pandemie lasse aber keine andere Wahl. Die ursprünglich geplante große Gedenkveranstaltung, zu der 5000 Gäste erwartet worden waren, wurde auf den 18. April 2021 verschoben.

Weil: "Gegen alle Anzeichen von Antisemitismus vorgehen"

Weil rief dazu auf, die Erinnerung an Bergen-Belsen und die Verbrechen der NS-Zeit wachzuhalten. Wichtiger aber als ein Gedenktag sei es, dass alles dafür getan werde, damit "die Opfer - und übrigens auch die Täter - nicht in Vergessenheit geraten", so der SPD-Politiker. "Und besonders wichtig ist es, die richtigen Lehren zu ziehen und auch heute gegen alle Anzeichen von Antisemitismus, Rassismus und Unterdrückung mit aller Konsequenz vorzugehen", betonte Weil.

Konzentrationslager Sachsenhausen (Foto: Getty Images/AFP/T. schwarz)
Die Gedenktafel am Eingang des KZ-Sachsenhausen erinnert an die Opfer der Gräueltaten der NS-Zeit Bild: Getty Images/AFP/T. schwarz

Im dem Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen in der Lüneburger Heide starben von 1939 bis 1945 mehr als 52.000 KZ-Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene durch Gewalt der SS oder an Hunger und Seuchen. Zu den Opfern gehörte auch das durch sein Tagebuch später weltberühmt gewordene jüdische Mädchen Anne Frank (1929-1945) und ihre Schwester Margot, die im März 1945 an Typhus starben. Das Lager wurde am 15. April 1945 durch britische Truppen befreit. Sie fanden Zehntausende ausgehungerte und todkranke Menschen und Tausende unbestattete Leichen vor.

Gottesdienst und virtuelles Gedenken

Der Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück durch die Rote Armee wurde mit einem christlich-jüdischen Gottesdienst in der Berliner Gedenkkirche Maria Regina Martyrum und einem "Virtuellen 75. Jahrestag" im Internet gedacht. Ursprünglich wollten rund 60 Überlebende zu den Veranstaltungen anreisen.

Stattdessen wurden ihre Videobotschaften und Aussagen von Politikern auf den Social-Media-Kanälen und auf den Webseiten der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten veröffentlicht. Auch Clips über künstlerische und pädagogische Projekte, die Bestandteile der ursprünglich geplanten Veranstaltungen waren, wurden online gestellt.

Maas: "Kampf gegen das Vergessen darf nicht still sein"

Außenminister Heiko Maas erinnerte in einer gemeinsamen Video-Botschaft mit seinem polnischen Amtskollegen Jacek Czaputowicz an die Menschen, die in den Konzentrationslagern ums Leben kamen. "Würde man für jeden eine Schweigeminute abhalten, bliebe es zwei Wochen lang still. Aber der Kampf gegen das Vergessen darf nicht still sein."

Der SPD-Politiker wandte sich "gegen das Gift des Hasses und des Antisemitismus", die auch heutzutage wieder auflebten. "Wenn Gedenken als Schuldkult diffamiert wird, wenn Opfer zu Tätern umgedeutet werden, im In- oder im Ausland, dann können wir Deutschen das nicht schweigend hinnehmen." Das gebiete die Verantwortung vor der eigenen Geschichte und der Respekt vor den Opfern. Erinnern heute bedeute, "solidarisch zu sein mit den Opfern und mutig gegenüber den Tätern".

Grütters: Digitales Erinnern nur Hilfestellung

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die bereits am Donnerstag in Ravensbrück einen Kranz niedergelegt hatte, zeigte sich in ihrer Videobotschaft "unendlich traurig", dass das Erinnern wegen der Coronavirus-Pandemie in diesem Jahr nur digital stattfinden konnte. Daher sei es in diesem Jahr besonders wichtig, neue Wege des Erinnerns zu beschreiten. Die digitalen Angebote könnten jedoch nur Hilfestellungen sein, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen und daraus die Verantwortung für die heutige Zeit zu ziehen.

Die Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück wurden am 22. und 23. April 1945 von der sowjetischen Armee befreit. Im KZ Sachsenhausen waren bis dahin mehr als 200.000 Menschen inhaftiert, Zehntausende starben. Das KZ Ravensbrück war das größte Konzentrationslager für Frauen während der Herrschaft der Nationalsozialisten. Von 1939 bis 1945 waren dort mehr als 130.000 Frauen inhaftiert. Zum Lager gehörte auch ein abgetrenntes, kleineres Männerlager sowie in unmittelbarer Nähe das Jugend-KZ Uckermark. Schätzungen zu Folge starben im KZ Ravensbrück mindestens 28.000 Menschen.

ww/sam (dpa/epd/kna)