Gedenken und Mahnungen zur Pogromnacht
8. November 2018Zum 80. Jahrestag der Pogrome der deutschen Nationalsozialisten gegen Juden sagte Bundesaußenminister Heiko Maas, einem Wiedererstarken von Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus dürfe kein Raum gegeben werden. "Denn erst sind es Worte, dann folgen die Taten." Populisten und Nationalisten wollten spalten, indem sie Vorurteile schürten, sagte der Außenminister. Hass spalte, hetzte auf und töte. Er forderte dazu auf, klar "auf der anderen Seite" zu stehen und für Toleranz, Respekt und Mitgefühl einzutreten.
Gedenkausstellung im Auswärtigen Amt
"Als im November 1938 die Synagogen brannten, war es bereits zu spät. Der Weg zur systematischen Vernichtung der Juden Europas war eingeschlagen." Nur fünf Jahre hätten damals "gereicht, um Anstand, Moral und Menschlichkeit aus dem deutschen Staatsapparat zu verdrängen", warnte Maas mit Blick auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler im Jahr 1933.
"Es ist schlicht unerträglich, wenn auf unseren Straßen wieder offen der Hitlergruß gezeigt wird" und "Jude" wieder "zum Schimpfwort auf unseren Schulhöfen wird", sagte Maas in einer Rede anlässlich einer Ausstellungseröffnung im Auswärtigen Amt in Berlin. Dort werden bis zum 28. November die Berichte ausländischer Diplomaten aus mehr als 20 Staaten über die antijüdischen Ausschreitungen aus der Nacht vom 9. auf den 10. November vor 80 Jahren gezeigt.
Kirchen fordern Widerstand gegen Antisemitismus
Auch die beiden großen Kirchen in Deutschland nehmen den Jahrestag der Novemberpogrome zum Anlass, um zum Widerstand gegen jede Form von Antisemitismus aufzurufen. "Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Juden in welcher Form auch immer angegriffen werden", sagte der Vorsitzende der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in Würzburg bei einer Gedenkfeier des Zentralrates der Juden zur Pogromnacht. "Dass damals so viele - die meisten von ihnen waren Christen - weggeschaut oder tatenlos zugeschaut haben, erfüllt uns bis heute mit Scham", sagte Marx.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) warnte vor dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und weltweit. Mit Blick auf den Anschlag auf eine Synagoge im US-amerikanischen Pittsburgh und Übergriffe auf Juden in Deutschland gab die EKD zu bedenken: "Antisemitismus ist kein Phänomen von gestern." Auch heute müsse allen Formen von Judenfeindschaft und Antisemitismus entschieden entgegen getreten werden.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, sagte bei der Gedenkveranstaltung in Würzburg, die Frage, wie sicher jüdisches Leben in Deutschland ist, habe wieder an Aktualität gewonnen. Doch so beunruhigend manche Entwicklung auch sei, so müsse man die Unterschiede zur Nazi-Zeit deutlich benennen: "Damals handelte es sich um staatlich initiierte und staatlich gelenkte Gewaltakte gegen Juden." Und die breite Bevölkerung habe dem schweigend zugesehen. "Heute hingegen stellt sich der Staat schützend vor die Minderheiten", betonte Schuster.
Aktionswoche gegen Antisemitismus
In der Reichspogromnacht 1938 waren auf Geheiß der Nationalsozialisten zahlreiche Synagogen zerstört, jüdische Geschäfte verwüstet und Gewalttaten an deutschen Juden verübt worden. Protest der deutschen Gesellschaft gegen die Pogrome gab es so gut wie nicht. In ganz Deutschland finden zum 80. Jahrestag zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt.
In Berlin eröffnete am Vormittag der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, gemeinsam mit Israels Botschafter Jeremy Issacharoff die bundesweiten Aktionswochen gegen Antisemitismus. In den kommenden Wochen sind dazu mehr als 150 Veranstaltungen geplant.
qu/uh (afp, epd, kna)