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Gefahr durch Antibiotika in der Tiermast

Gero Rueter19. September 2012

Durch den massiven Einsatz von Antibiotika in der Tiermast entwickeln sich resistente Keime. Ärzte und Verbraucherschützer schlagen Alarm. Die Bundesregierung beschließt daher Änderungen im Arzneimittelgesetz.

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Massentierhaltung von Hühnern einer Geflügelfarm (Foto: PETA dpa/lni)
Bild: picture alliance/dpa

Mit bäuerlicher Idylle hat die industrielle Tiermast in Deutschland und anderen EU-Ländern wenig zu tun. In großen Ställen leben Hühner, Puten, Schweine und Rinder auf engsten Raum zusammengepfercht. Der Trend geht zu immer größeren Produktionsbetrieben, Höfe mit über 100.000 Hühnern und mehreren tausend Schweinen sind keine Seltenheit. In kürzester Zeit werden die Tiere möglichst günstig zur Schlachtreife gebracht.

Nur 32 Tage lang lebt ein Masthuhn im Durchschnitt, ein Schwein wird bis zur Schlachtreife etwa vier Monate alt. Wer bei dieser konventionellen Tiermast nicht mitmacht, kann Verlierer im harten Wettbewerb um billiges Fleisch sein.

Industrielle Tiermast ist nur mit Antibiotika möglich

Das industriell produzierte Billigfleisch hat aber auch Nebenwirkungen. Die Tiere werden nicht artgerecht gehalten und durch das enge Zusammenleben in großen Gruppen werden sie ohne den Einsatz von Antibiotika zwangsläufig krank, die Übertragung einer Infektion von nur einem Tier auf den ganzen Stall ist eine große Gefahr. Um dies zu verhindern, mischen die Landwirte Antibiotika unters Futter. Nach Angaben der Bundesregierung werden Masthähnchen im Schnitt 2,3 Mal in ihrem kurzen Leben mit Antibiotika behandelt, Schweine sogar 5,3 Mal.

Hausschwein in intensiver Haltung zusammengepfercht in kleinen Boxen
In nur vier Monaten schlachtreifBild: picture alliance/WILDLIFE

Tödliche Gefahr

In der Human- und Tiermedizin sollen Antibiotika sparsam und nur gezielt zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden. Doch der massive Gebrauch in den Tiermastbetrieben hat weitreichende Folgen. In den Ställen entwickeln sich neue Keime, die resistent gegen Antibiotika sind. Antibiotika, die auch in der Humanmedizin verwendet werden, helfen dann gegen diese Keime nicht mehr, das Medikament ist wirkungslos.

Gerät ein resistenter Keim zum Beispiel in eine offene Wunde und kommt es zur Infektion, kann der Verlauf mangels fehlendem Antibiotika tödlich sein. Vor allem für kranke und geschwächte Menschen sind resistente Keime deshalb eine Gefahr.

Nach Angaben von Marc Spencer, Chef des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle für Krankheiten, sterben jedes Jahr EU-weit etwa 25.000 Menschen durch Infektionen, die mit Antibiotika nicht mehr bekämpft werden können.

Geschlachtete Hühner hängen an einem Haken (Foto: Bildfunk)
Warnung vor resistenten Keimen in HühnerfleischBild: picture-alliance/dpa

Ärzte und Verbraucherschützer schlagen schon seit langem Alarm und warnen vor den Gefahren, die durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Tiermastproduktion ausgehen. In einer Studie wies der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) jetzt nach, dass mehr als die Hälfte der Hähnchenfleischprodukte in deutschen Supermärkten mit Krankheitskeimen belastet sind, die gegen Antibiotika resistent sind.

Doch Thomas Janning vom Verband der Deutschen Geflügelzüchter warnt vor Panikmache. "Das bloße Vorkommen antibiotikaresistenter Keime auf Geflügelfleisch sagt rein gar nichts über die gesundheitliche Gefährdung für die Verbraucher aus".

Wie kann man sich schützen?

Ob das Fleisch mit antibiotikaresistenten Keimen belastet ist, kann der Verbraucher nicht erkennen. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg rät deshalb zur strengen Hygiene in der Küche. Das Fleisch sollte mindestens zehn Minuten bei über 70 Grad erhitzt werden, um die Keime abzutöten. Den anschließenden Verzehr sieht er als unproblematisch an. Zudem rät der Verbraucherschützer, Fleisch und Salat oder Gemüse nicht auf dem gleichen Küchenbrett zu schneiden. Nur so könne eine Übertragung vermieden werden.

Wer resistente Keime ganz vermeiden will, sollte nach Ansicht von Valet besser Biofleisch oder Fleisch aus artgerechter Tierhaltung kaufen. Antibiotika werden hier nur in Ausnahmefällen zur gezielten Behandlung einzelner Tiere eingesetzt. Studien würden zeigen, dass dieses Fleisch nicht mit resistenten Keimen belastet ist, versichert der Mikrobiologe Professor Wolfgang Witte vom Robert-Koch Institut.

Mikrobiologe Professor Wolfgang Witte, Leiter im Wernigeröder Robert-Koch-Institut (Foto: Peter Förster dpa/lah)
Mikrobiologe Professor Wolfgang Witte warnt vor Tiermast mit AntibiotikaBild: picture-alliance/dpa

Politik ringt um Interessen

Ärzte, Umwelt- und Verbraucherschützer fordern ein Umdenken in der Tiermast. "Die Schlussfolgerung kann eigentlich nur so sein, die Tiere so zu halten und zu mästen, dass sich der Einsatz von Antibiotika von vornherein verbietet", sagt Witte. Die konsequente Umsetzung dieser Forderung hätte allerdings auch weitreichende Folgen. Die Tiermast könnte nicht mehr mit tausenden von Tieren in einem Stall stattfinden und die Tiere bräuchten viel mehr Platz. Lobbyvertreter aus der Agrar- und Fleischindustrie wehren sich dagegen, die billige Massenproduktion wäre so nicht mehr möglich.

Nach langem Ringen um eine Lösung, hat die Politik nun reagiert. Das Bundeskabinett beschloss, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast deutlich verringert werden soll. Kernpunkt ist die Einrichtung einer Datenbank zur Überwachung der Vergabe von Antibiotika. Die Tierhalter und Mastbauern müssen den Einsatz von Antibiotika in ihren Betrieben künftig noch umfassender dokumentieren. Außerdem soll der Einsatz bestimmter Wirkstoffe deutlich erschwert werden.

Gleichzeitig erhalten die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder schärfere Kontrollbefugnisse als bisher. Auch der Austausch zwischen den Behörden soll verbessert werden. "Wir können den Einsatz von Antibiotika in Deutschland innerhalb weniger Jahre deutlich senken, wenn die Länder und der Bund an einem Strang ziehen", erklärte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner. Voraussichtlich im Frühjahr 2013 soll das Gesetz in Kraft treten.