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PolitikAsien

Gefangene im Iran: Zwischen den Mühlsteinen der Diplomatie

10. August 2021

Systematisch werden Ausländer im Iran willkürlich festgenommen und vor Gericht gestellt. Die Führung in Teheran setzt sie als Druckmittel ein. Auch gegen Deutschland.

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Im Iran inhaftierte Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi
Im Iran inhaftierte Deutsch-Iranerin Nahid TaghaviBild: Privat

Nahid Taghavi sitzt immer noch in Haft. Die 67-jährige Deutsch-Iranerin wurde im Oktober 2020 in der iranischen Hauptstadt Teheran festgenommen. Letzte Woche hat ein Revolutionsgericht sie wegen angeblicher politischer Aktivitäten zu zehn Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Das Islamische Revolutionsgericht im Iran ist ein Sondergericht. Verhandelt wird dort gegen jene, die nach Auffassung des iranischen Regimes die islamische Regierung stürzen wollen.

Die Verhandlungen im Fall von Taghavi fanden wie alle anderen Fälle hinter verschlossenen Türen statt. Die Beweise gegen die Angeklagte wurden nicht veröffentlicht. Taghavi selbst wies beide Vorwürfe der "Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation" sowie der "Propaganda gegen das Regime" zurück. "Dem Gericht ist ein faires und transparentes Verfahren nebensächlich", sagt der Teheraner Anwalt Saeid Dehghan im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Dehghan kennt sich mit den Akten der im Iran inhaftieren Ausländer oder Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft aus. Momentan vertritt er zwei inhaftierten Französen. "Die Gefangenen sitzen lange in Isolationshaft. Sie werden ohne Rechtsbeistand stundenlang verhört, um irgendetwas zu finden, weshalb man sie verurteilen kann. Ihre Anwälte können oft erst kurz vor dem Prozess die Akten lesen. Am Ende haben sie keine Chance, ihre Mandanten gegen die Anklage zu verteidigen, die ohne Beweise aufgestellt wird. Wir wissen, dass sie als Geiseln genommen werden, um später ausgetauscht zu werden."

"Offene Rechnung"

Seit der islamischen Revolution 1979 verhaftet der Iran systematisch ausländische Bürger oder Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft und setzt sie gezielt als Druckmittel für politische Zugeständnisse ein. So stürmten unmittelbar nach dem Sieg der Revolution religiöse Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 52 US-Diplomaten als Geiseln. Sie forderten die Auslieferung vom letzten König des Iran, Schah Mohmmadreza Pahlevi, der in die USA geflüchtet war. Die Geiselnahme endete erst nach 444 Tagen, nachdem der Iran acht Milliarden US-Dollar eingefrorenes Geld erhalten hatte.

"Wenn die Bürger eines Landes im Iran verhaftet und verurteilt werden, muss man davon ausgehen, dass der Iran aus irgendeinem Grund verärgert ist und eine Rechnung mit dem Land offen hat", sagt Omid Memariam im Interview mit der Deutschen Welle. Memarian hat 2005 die höchste Auszeichnung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, den "Human Rights Defender Award", erhalten. Heute ist er Kommunikationschef von DWAN, einer in New York ansässigen Nichtregierungsorganisation, die sich für Demokratie in der arabischen Welt einsetzt.

"Im Vergleich zu anderen westlichen Ländern hatte Deutschland eigentlich immer ein gutes Verhältnis zum Iran", sagt Memarian und fügt hinzu, "Deutschland ist immer noch der größte Handelspartner Irans in der EU und spielte die Schlüsselrolle bei den Atomverhandlungen mit dem Iran bis 2015. Außerdem hatte sich Berlin mit Kritik an den Menschenrechtsverletzungen im Iran zurückgehalten."

Diplomat des Iran in Belgien verurteilt 

Warum jetzt Deutschland ins Fadenkreuz der Revolutionsgarden geraten und in der Folge Nahid Taghavi in einem iranischen Gefängnis gelandet ist, kann man nur vermuten. Ein Grund könnte die Inhaftierung von Assadollah Assadi sein. Assadi wurde 2018 aufgrund eines europäischen Haftbefehls auf deutschem Boden verhaftet und später an die belgische Justiz ausgeliefert.

Anfang 2021 hatte ein Gericht im belgischen Antwerpen Assadi wegen mutmaßlicher Anschlagspläne auf iranische Regierungsgegner zu 20 Jahren Haft verurteilt. Die belgischen Ermittler hatten nach eigenen Angaben im Juni 2018 ein Bombenattentat in Villepinte nahe Paris vereitelt. Assadi war zur Zeit der Ereignisse iranischer Botschafter in Wien und soll als Drahtzieher im Hintergrund gewirkt haben. In Gesprächen mit der belgischen Polizei soll Assadi erklärt haben, dass er keine lange Haft erwarte. Er gehe davon aus, dass seine Regierung ihn schnell gegen einen europäischen Gefangenen austauschen. 

Bereitschaft für Gefangenenaustausch

Seit Assadis Verhaftung wurden vier Deutsche im Iran festgenommen. Für einen Austausch käme auch der schwedisch-iranische Mediziner Ahmadreza Dschalali in Frage, der seit vier Jahren in Haft sitzt und dem wegen "Spionage für Israel" die Hinrichtung droht. Wie viele Ausländer insgesamt im Iran hinter Gittern sitzen, ist nicht bekannt.

Obwohl der Iran zum Atomabkommen zurückkehren will, hält er Staatsbürger von allen westlichen Unterzeichnerstaaten des Atomdeals fest. Im Februar, kurz vor der Aufnahme der Wiener Gespräche zu einer möglichen Rückkehr zum Abkommen, hatten die USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland den Iran aufgefordert, alle "willkürlich inhaftierten Staatsangehörigen" ihrer Länder freizulassen. Kurz darauf signalisierte der Iran seine Bereitschaft für einen Gefangenenaustausch aus "humanitären Gründen".

Motiv für Austausch

Zuerst wollte der Iran vier im Iran inhaftierte US-Bürger freilassen im Austausch gegen vier iranische Staatsbürger, die wegen Verstoß gegen US-Sanktionen in den USA verurteilt wurden, und gegen die Freigabe von sieben Milliarden US-Dollar eingefrorenes Geld.

Am 3. August berichtete allerdingst die Webseite Nournews.ir, die dem iranischen Nationalen Sicherheitsrat nahesteht, dass Gespräche über einen Gefangenenaustausch mit den USA wegen "feigen Verhaltens der US-Regierung" unterbrochen worden seien. Damit bestätigte der Iran indirekt, dass er die inhaftierten Ausländer doch als Druckmittel für politische Zugeständnisse einsetzt. "Humanitäre Gründe" sind nur vorgetäuscht. Das Schicksal der einzelnen Menschen spielt kaum eine Rolle.  

"Nahid Taghavi geht es nicht gut", sagt ihre Tochter Mariam Claren auf Anfrage der Deutschen Welle. "Sie hat sich im Teheraner Evin-Gefängnis mit Covid-19 infiziert. Vor circa einem Monat gab es einen Corona-Ausbruch im Frauentrakt. Mehr als 15 Frauen sind aufgrund der Infektion in den Hafturlaub geschickt worden, aber nicht Nahid Taghavi, trotz ihres Alters und Vorerkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes. Gegen Empfehlung des Gefängnisarztes wurde ihr Gesuch auf medizinischen Hafturlaub abgelehnt, um den Druck auf Deutschland zu erhöhen. Die Geiseldiplomatie der Islamischen Republik ist allseits bekannt."