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Gefangenenaustausch mit dem Iran - nicht zum ersten Mal

Andreas Noll
19. September 2023

Nicht zum ersten Mal haben die USA und der Iran Gefangene ausgetauscht. Mit anderen Ländern laufen ebenfalls Verhandlungen. Doch Vereinbarungen mit Autokraten sind umstritten. Die Angst vor Nachahmern ist groß.

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Iran USA Gefangenenaustausch | Ankunft Gefangene in Doha
Im Iran im Gefängnis, jetzt in Freiheit: Siamak Namazi, Emad Sharghi and Morad Tahbaz (v.l.n.r.) bei ihrer Ankunft in DohaBild: Lujain Jo/AP Photo/picture alliance

Unabhängig davon, wie schlecht die Beziehungen zwischen zwei Staaten in der Öffentlichkeit sind, hat es in der Vergangenheit immer wieder Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch gegeben. Auch zwischen den Erzfeinden USA und Iran, die nach der Geiselnahme amerikanischer Botschaftsangehöriger in Teheran 1979 ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen hatten. Dass die Verhandlungen dann mit Hilfe von Vermittlern - im aktuellen Fall unter anderem Katar, Oman und die Schweiz - geführt werden, ist nicht ungewöhnlich.

Iran Atomprogramm
Erleichtert der Gefangenen-Deal die Gespräche über das Atomprogramm?Bild: Iranian Presidency Office/AP Photo/picture alliance

Der Austausch von insgesamt zehn Gefangenen in dieser Woche ist allenfalls vom Umfang her etwas Besonderes. Erfolgreiche Deals zwischen Washington und Teheran hat es aber auch schon früher gegeben. Unter US-Präsident Donald Trump wurde im Dezember 2019 der amerikanische Wissenschaftler Xiyue Wang vom Iran ausgeliefert. Der ehemalige Doktorand der Princeton University war 2016 im Iran festgenommen worden. Nach einer Anklage wegen Spionage verurteilte ihn ein Revolutionsgericht im April 2017 zu zehn Jahren Haft. Einen Teil davon musste Wang in unterirdischen Zellen des berüchtigten Hochsicherheitsgefängnisses Evin verbringen.

Die Initiative für einen Austausch des Historikers Wang ging im April 2019 vom iranischen Außenminister Dschawad Sarif aus. Mit dem Austausch wollte er iranische Staatsbürger freikaufen, die wegen Verstößen gegen die Iran-Sanktionen in den USA inhaftiert sind.

Angst vor Nachahmungseffekt

Die US-Regierung ging zunächst aus grundsätzlichen Erwägungen nicht auf das Angebot ein. Die USA befinden sich in einem moralischen Dilemma, denn ein erfolgreicher Gefangenenaustausch kann die Gefahr für amerikanische Staatsbürger im Ausland erhöhen.

USA New York | 78. UN-Generalversammlung | Joe Biden, US-Präsident
Schwierige Abwägung: Bei den Verhandlungen über Gefangenenaustausche muss US-Präsident Biden zwischen zwei Übeln wählenBild: Mike Segar/REUTERS

Immer wieder nimmt der Iran Doppelstaatler oder US-Bürger in Haft, um sie als Faustpfand für politische Zwecke einzusetzen. Im Dezember kam es schließlich auf Vermittlung der Schweiz zu einer Einigung, in deren Folge Wang gegen einen in den USA inhaftierten iranischen Stammzellenforscher ausgetauscht wurde. Wenige Wochen zuvor waren australische Reiseblogger aus iranischer Haft freigekommen - auch sie waren der Spionage beschuldigt worden. Im Austausch für die Blogger ließ die australische Regierung einen iranischen Studenten frei, dessen Auslieferung die USA beantragt hatten.

Details bleiben im Dunkeln

Die Öffentlichkeit wird in der Regel nicht umfassend über die Details der Abkommen zwischen den Staaten informiert. Im aktuellen Fall, der mit zehn beteiligten Gefangenen besonders umfangreich ist, spielt auch eine finanzielle Komponente eine Rolle. Denn Teheran kann nach dem Austausch auf Vermögenswerte von sechs Milliarden US-Dollar zurückgreifen, die sich in Südkorea befanden und wegen der Sanktionen gegen den Iran blockiert waren.

Gefangenenaustausche finden immer dann statt, wenn ein solcher Schritt für beide Seiten vorteilhaft erscheint. Er kann als vertrauensbildende Maßnahme zwischen verfeindeten Staaten dienen. Hochrangige Regierungsvertreter in den USA zeigten sich jedoch skeptisch, ob der jüngste Gefangenenaustausch auch die Gespräche über ein neues Abkommen zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms beschleunigen kann, wie es die US-Regierung erhofft.

Während des Kalten Krieges, als auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs immer wieder Spione verhaftet wurden, tauschten die USA und die Sowjetunion wiederholt Gefangene aus, ohne dass dies die Beziehungen wesentlich beeinträchtigt hätte.

Russland Moskau SOMMER 2022 | Verhaftung Brittney Griner, US-Basketballspielerin
Großer Druck der Öffentlichkeit: die Basketballspielerin Brittney Griner nach ihrer Festnahme in MoskauBild: Evgenia Novozhenina/REUTERS

Auch andere Staaten profitieren

Nicht nur der Iran, sondern auch andere Staaten, in denen die Justiz von den Machthabern kontrolliert wird, nutzen die Inhaftierung ausländischer Staatsbürger für politische Zwecke. Zwischen Moskau und Washington sorgte im Dezember 2022 der Austausch der zweifachen Olympiasiegerin Brittney Griner für Schlagzeilen. Die Basketballspielerin war in Russland festgenommen worden, weil in ihrem Gepäck Cannabisöl gefunden worden war.  Der Preis für den WNBA-Star war hoch: Russland erhielt im Gegenzug den russischen Waffenhändler Viktor But, der in Medien auch "Händler des Todes" genannt wird.

VAE Abu Dhabi Airport | Gefangenenaustausch USA Russland
Zurück in die Heimat: Waffenhändler Viktor But im Dezember 2022Bild: SNA/IMAGO

Weiterhin in russischer Haft befindet sich unter anderem der Amerikaner Paul Whelan, der im Dezember 2018 wegen angeblicher Spionage verhaftet wurde und derzeit eine 16-jährige Haftstrafe verbüßt. Er wurde unter anderem wegen eines in seinem Hotelzimmer gefundenen USB-Sticks, auf dem eine Namensliste von Kadetten einer russischen Militärschule gespeichert gewesen sein soll, in ein russisches Straflager eingewiesen.

Nach der Freilassung Griners ließ der Sprecher des US-Außenministeriums keinen Zweifel daran, dass die USA auch Whelan im Rahmen eines Gefangenenaustauschs nach Hause holen werden: "Wir haben eine Botschaft für Paul Whelan. Es ist eine Botschaft, die wir ihm vor kurzem übermittelt haben und die wir ihm heute erneut übermitteln. Behalte den Glauben, wir werden dich holen", sagte damals der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price.

Kritik am Freikauf

Dass der bislang letzte Deal zwischen Moskau und Washington nicht zur Freilassung Whelans führte, stieß in den USA vor allem bei den oppositionellen Republikanern auf Kritik. Die Bedingungen für Gefangenenaustausche variieren stark. 2019 boten die russischen Behörden Medienberichten zufolge gleich 15 US-Amerikaner für die Freilassung des berüchtigten Waffenhändlers But an - im vergangenen Jahr genügte Washington die Rückkehr der prominenten Basketballspielerin. 

Katar Iranisch-amerikanische Gefangene tauschen in Doha Gefangene aus
Drehscheibe Doha: Der Gefangenenaustausch kam auf Vermittlung des Emirats Katar zustandeBild: Qatar News Agency/UPI Photo/Newscom/picture alliance

Entsprechende Deals zwischen den USA und Russland haben auch Folgen für westliche Partner, die vergleichbare "Preise" zahlen müssen. Manchmal betreffen die Absprachen auch mehrere Staaten. Medienberichten zufolge verlangt der Kreml von den USA die Auslieferung des in Deutschland inhaftierten sogenannten Tiergartenmörders. Ob die Bundesrepublik für einen entsprechenden Deal zur Verfügung stünde, ist allerdings offen. Mehr noch als der Austausch von Kriegsgefangenen hat das Feilschen um politische Gefangene einen deutlich erpresserischen Charakter. Der aktuelle Gefangenenaustausch zwischen den USA und dem Iran ist daher auch in den USA umstritten. Ein republikanischer Senator bezeichnete die Vereinbarung als "Lösegeld für einen Terrorstaat". Parallel zum Austausch verhängte die US-Regierung jedoch auch neue Sanktionen gegen den Iran.