Gefälschte Amok-Drohung im Internet?
13. März 2009Für erhebliche Irritationen sorgt ein angeblicher Eintrag des 17-jährigen Täters in einem Internet-Forum, in der er die Bluttat mit 16 Toten angekündigt haben soll. Die Polizei teilte am Donnerstag (13.03.2009) mit, dass auf dem beschlagnahmten Computer des Amokläufers kein Hinweis auf eine solche Ankündigung gefunden worden sei. Das Hin und Her der Verlautbarungen deutet auf eine Ermittlungspanne hin.
Nur ein "Übermittlungsfehler"?
Nachdem der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) am Donnerstag den angeblichen Beleg für den Eintrag präsentiert hatte, sagte er nun der "Süddeutschen Zeitung": "Irgendein Verrückter hat wohl eine schlimme Falschmeldung in die Welt gesetzt." Der Eintrag müsse "wohl im Nachhinein konstruiert worden sein". Er wies zugleich den Vorwurf zurück, die Ermittlungsbehörden hätten sich zu früh auf die Echtheit des Eintrages festgelegt: "Ich habe stets deutlich gemacht, dass es sich um den vorläufigen Stand der Ermittlungen handelt." Ein Sprecher der Polizeidirektion Waiblingen sprach mit Blick auf die Informationspolitik der Behörden von einem möglichen "Übermittlungsfehler".
Nun wird überprüft, ob der Todesschütze Tim K. die Tat von einem anderen Computer, etwa einem Laptop oder in einem Internet-Café, angekündigt haben könnte. Dazu sollen auch Zeugen gehört werden. Laut Polizei wollen zwei Jugendliche schon vor der Tat am Mittwochmorgen den Eintrag im Internet gesehen haben. Ein Jugendlicher aus Bayern soll den Eintrag nicht ernst genommen, aber seinen Vater informiert haben. Ein weiterer Zeuge stamme aus Mitteldeutschland.
Polizei erhofft sich Klarheit aus den USA
Die Polizei richtete zudem nach eigenen Angaben ein Rechtshilfeersuchen an die USA. So soll geklärt werden, ob der Eintrag auf dem Server eines amerikanischen Anbieters gespeichert worden sei, der von dem Betreiber des Chat-Forums genutzt wurde. Nur der Betreiber könne sagen, ob etwas ins Netz gestellt worden sei und wer dies getan habe, erklärte ein Polizeisprecher. Der Chat-Eintrag schien eine deutliche Erklärung für das Verbrechen zu liefern. Dort schrieb der Absender an den Adressaten Bernd: "Ich meine es ernst, Bernd - ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen."
Der 17-Jährige war am Mittwoch in eine Realschule in der Kleinstadt Winnenden bei Stuttgart gestürmt und hatte dort neun Schüler und drei Lehrerinnen erschossen. Auf der Flucht tötete er drei weitere Menschen, ehe er sich selbst das Leben nahm. Nach Erkenntnissen der Polizei hatte Tim K. die psychiatrische Behandlung einer depressiven Störung vorzeitig abgebrochen. Seine Freizeit habe der 17-Jährige mit Killerspielen und Horrorfilmen verbracht.
Gleich mehrere Trittbrettfahrer strapazierten inzwischen die Nerven der Sicherheitskräfte. Nach einer Amokdrohung sperrte die Polizei am Freitag eine Realschule in Ilsfeld südlich von Heilbronn ab. Die niedersächsische Polizei nahm einen 21-Jährigen aus Schneverdingen fest, der in einem Chat einen Amoklauf an einer Schule angekündigt hatte. Als Motiv gab der junge Mann an, er habe sich einen Spaß machen wollen. Er muss voraussichtlich die Kosten des Polizeieinsatzes tragen.
Debatte über bessere Prävention
Unterdessen geht die Diskussion weiter, ob und wie Amokläufe künftig verhindert werden können. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) rief die Schützenvereine in Deutschland dazu auf, ihre Mitglieder besser zu kontrollieren. "Es muss klar sein, dass die Aufbewahrungspflichten im Waffengesetz unbedingt eingehalten werden müssen", sagte sie der "Rheinischen Post". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vertrat die Ansicht, dass ein schärferes Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden nicht verhindert hätte.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft beklagte "eklatante Sicherheitslücken" bei der Kontrolle von Waffen. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, forderte schärfere, vor allem unangemeldete Kontrollen von privaten Waffenbesitzern: "Wer sich nicht an die Vorschriften zur sicheren Verwahrung hält, sollte mit dem sofortigen Entzug der Waffenbesitzerlaubnis zu rechnen haben." (kle/gri/dpa/ap/epd/afp/rtr)