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Politik

Das Resultat von vier Jahren Hass-Botschaften

Anabel Hernández
9. August 2019

Nach dem Massaker von El Paso hat Donald Trump Rassismus und Intoleranz verurteilt. Doch wenn Hass in den USA keinen Platz hat, dann sollte er selbst diese Botschaft als Erster verinnerlichen, meint Anabel Hernández.

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Texas, El Paso: Trauer nach Schießerei im Walmart
Bild: picture-alliance/AP. J. Locher

Elsa Mendoza, 59, war Lehrerin und Rektorin an einer Sonderschule in Ciudad Juárez, Chihuahua. Am Samstag, den 3. August, überquerte sie zusammen mit ihrem Mann und einem ihrer beiden Kinder die Grenze zwischen Juarez und El Paso, Texas, um Familienmitglieder zu besuchen, so wie sie es täglich tat. Gegen 11 Uhr war sie im Walmart in der Cielo Vista Mall, als der 21-jährige Patrick Crusius das Feuer auf die Menge eröffnete, "um Mexikaner zu töten".

Elsas Körper kehrte diese Woche in einem Leichenwagen nach Ciudad Juarez zurück. Sie ist eines von acht mexikanischen Opfern des Massakers, bei dem 20 Menschen starben und 26 verletzt wurden. Mit ihr starben Sarita Regalado und ihr Mann Adolfo Cerros, María Eugenia Legarreta, Jorge Calvillo, Gloria Irma Marquez, Iván Filiberto Manzano und Juan de Dios Velazquez. Sie alle hatten drei Dinge gemeinsam: Sie lebten und arbeiteten in Grenznähe, sie überquerten regelmäßig auf legale Weise diese Grenze, und in ihrem Umfeld waren sie als Menschen bekannt, die zur Verbesserung der Gesellschaft beitrugen.

Ciudad Juárez und El Paso - eigentlich eine Stadt

Die Entfernung zwischen dem Haus der Lehrerin Elsa Mendoza und dem Supermarkt, in dem der Angriff stattfand, beträgt weniger als zehn Kilometer. Ciudad Juárez und El Paso sind eigentlich eine Stadt. Beide umgibt die gleiche staubige Landschaft. Häufig leben Mitglieder derselben Familie beiderseits der Grenze und treffen sich am Wochenende entweder auf der mexikanischen oder amerikanischen Seite.

Das Einzige, was die beiden Städte tatsächlich trennt, ist der Rio Bravo, der eigentlich ein kleineres Rinnsal ist, und ein Zaun, der einige Meter entfernt schon in der Landschaft verschwindet. Der klarste Weg, um zu unterscheiden, wo Juarez aufhört und El Paso beginnt, ist eine seltsame rote X-förmige monumentale Skulptur auf der mexikanischen Seite.

Fast 10.000 Menschen überqueren täglich zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Lastwagen oder PKW die vier Grenzübergänge. Tausende reisen jeden Morgen von Juarez nach El Paso, um zur Arbeit, zur Schule oder zum Supermarkt zu gehen. US-Bürger kommen von El Paso nach Juarez, um ihre Benzintanks zu füllen, in die Apotheke oder Arztpraxis zu gehen, weil es hier billiger ist. Und natürlich zum feiern.

USA, Texas: Stadtansicht El Paso
Links Ciudad Juárez, rechts El Paso - die Grenze verläuft mitten durch die Stadt, die eigentlich eine istBild: Getty Images/AFP/Y. Cortez

Etwas anderes sind die vielen andere Mexikaner und Migranten aus verschiedenen Teilen Lateinamerikas, die illegal die Grenze in der Wüste durchqueren auf der Suche nach Arbeit. Sie riskieren ihr Leben auf der Flucht vor Armut, Gewalt oder beidem.

Das "Bracero-Programm" - als Mexikaner willkommen waren

Dieser Migrationsstrom hat eine Vorgeschichte. Es wurde 1942 während des Zweiten Weltkriegs von beiden Ländern mit der Unterzeichnung des bilateralen "Bracero-Programms" gefördert. Ziel war es, mexikanische Arbeitskräfte einzustellen, die es der US-Wirtschaft ermöglichen würden, das Defizit an eignen Arbeitskräften zu decken, das die Soldaten im Kriegseinsatz hinterlassen hatten. Obwohl der Krieg drei Jahre später endete, verlängerten beiden Regierungen das "Bracero-Programm" bis 1964, da die US-Wirtschaft in der Nachkriegszeit stark wuchs. Dies erklärt, warum 83 Prozent der 680.000 Einwohner von El Paso hispanischer Herkunft sind. Die überwiegende Mehrheit sind Mexikaner.

Seit vier Jahren führt Donald Trump über Twitter eine massive Hass-Kampagne gegen Mexikaner im Besonderen und Migranten im Allgemeinen. Er hat dies schon am 16. Juni 2015 getan, als er ankündigte, dass er die Kandidatur der Republikanischen Partei für die Präsidentschaft anstrebe.

"Wenn Mexiko seine Leute schickt, dann schicken sie nicht ihre besten. Sie schicken nicht Euch. Sie schicken Leute, die viele Probleme haben und sie bringen diese Probleme mit zu uns. Sie bringen Drogen. Sie bringen Verbrechen. Sie sind Vergewaltiger. Und manche, nehme ich an, sind gute Leute. Aber ich rede mit Menschen an der Grenze und die erzählen mir was da vor sich geht", sagte Trump an diesem Tag. Später im Wahlkampf kündigte er an, dass er als Präsident den Bau einer Mauer entlang der 3.000 Kilometer langen Grenze anordnen werde.

DW Kolumne Anabel Hernández
DW-Kolumnistin Anabel Hernández

Wie der Rassismus salonfähig wurde

Die beleidigenden Reden fand Anklang in einer Nische der amerikanischen Gesellschaft, die, wenn man es so sagen will, bis dahin in einer eher diskreten Rolle verblieben war. Ich lebte damals in San Francisco, als Trump seine Kampagne begann. In dieser liberalen Gegend machten sich die Akademiker an der Universität Berkeley über den Unternehmer Trump lustig. Sie nannten ihn einen "Clown", "lächerlich", "ignorant", und waren sich sicher, dass einer wie er nie Präsident der Vereinigten Staaten werden könne. Und ich war dort, als er im November 2016 tatsächlich zum Präsidenten gewählt wurde. Ich sah eine intellektuelle Klasse weinen, die nicht verstand, was geschehen war. Ein Lehrer aus dem Fachbereich Spanisch und Portugiesisch sagte mir: "Dies ist der schlimmste Tag meines Lebens.

Die Haltung einiger US-Amerikaner begann sich auch in ehemals nicht-rassistischen Gegenden zu ändern. Ich erinnere mich, dass mir eine US-amerikanische Akademikerin empört erzählte, wie sie nach Trumps Wahlsieg Zeuge wurde, wie an einem Strand, den sie täglich besuchte, eine hispanische Familie von einer US-amerikanischen Familie von ihrem Platz am Strand vertrieben wurde, - weil sie Latinos waren.

Trumps Hasspropaganda hat sich stetig fortgesetzt: "Mexiko lässt Tausende durch ihr Land ziehen bis an unsere dumme, offene Tür. Die Mexikaner verlachen uns, währen sie in den Bussen an uns vorbeifahren." "Mexiko betrügt die Vereinigten Staaten." "Seit 2000 verlor North Carolina 300.000 Arbeitsplätze in der Fertigung und Ohio 400.000. Die sind jetzt in Mexiko." "Das mexikanische Justizsystem ist korrupt wie ein Großteil Mexikos. Bezahlt das Geld, das ihr uns schuldet, und hört auf, Kriminelle an unsere Grenze zu schicken." "Mexiko ist nicht unser Freund. Sie töten uns an der Grenze und sie töten uns in der Beschäftigung und im Handel." "Ich werde eine Mauer bauen und Mexiko wird sie bezahlen." Dies sind nur einige seiner Twitter-Tiraden aus den vergangenen vier Jahren.

Bildergalerie Trump besichtigt Mauer-Prototypen
Donald Trump bei der Besichtigung von Prototypen der Mauer, die er zwischen den USA und Mexiko bauen willBild: Reuters/K. Lamarque

Nicht Drogen aus Mexiko töten am häufigsten

Die Ignoranz ist in allen Hassreden der Welt historisch verankert. Trump ist da keine Ausnahme. In seinen rassistischen Botschaften erwähnt er nie das "Bracero-programm" oder den Reichtum, den legale und illegale mexikanische Arbeitskräfte in den USA seit Jahrzehnten generieren. Er erwähnt auch nicht, dass die Drogen, die von amerikanischen Bürgern am häufigsten konsumiert werden, nicht die Drogen sind, die von den mexikanischen Kartellen gehandelt werden, sondern die Opiat-Medikamente, die legal von US-amerikanischen Pharmaunternehmen hergestellt und mit in den USA ausgestellten Rezepten gekauft werden. Laut einem Bericht der US-Drogenbehörde DEA vom Oktober 2018 sind diese verschreibungspflichtigen Medikamente für die größte Zahl von Todesfällen durch Überdosierung seit 2001 in den USA verantwortlich - mehr als jede andere illegale Droge.

"Mexiko hat die Vereinigten Staaten über Jahrzehnte hinweg ausgenutzt und ein Vermögen gemacht", schrieb Trump erst im Juni 2019.

In einem rassistischen Pamphlet, das die texanische Polizei Patrik Crusius zuschreibt, spricht dieser von der "hispanischen Invasion in Texas" und dem damit verbundenen Risiko, dass die Hispanics die wirtschaftliche und politische Kontrolle über den Staat bekämen. "Wenn wir genug von ihnen loswerden, kann unsere Lebensweise nachhaltiger werden", schrieb der junge Mann, der mit einem AK-47 Sturmgewehr bewaffnet den ganzen Morgen, mehr als neun Stunden lang, von Allen Texas, zu dem Walmart-Markt in El Paso führ, wo er direkt das Feuer die Menschen eröffnete. Das Ziel war es, "so viele Mexikaner wie möglich zu töten", gestand er nach seiner Verhaftung.

Hass tötet - sagt sogar Trump

"Psychische Erkrankungen und Hass drückten den Abzug, nicht die Waffe", sagte Trump über das Massaker von El Paso. Der Mann, der eine Wiederwahl für eine zweite Amtszeit anstrebt, sagte auch, dass Hass keinen Platz in den USA habe und das Rassismus, weißer Rechtsextremismus und Intoleranz zu verurteilen seien. Dabei müsste er der Erste sein, der diese Botschaft verinnerlichen sollte.

Die Folgen des in El Paso begangenen rassistischen Verbrechens für die Vereinigten Staaten und für Mexiko sind unmöglich abzusehen. Aber ich möchte etwas hervorheben: Ich habe Dutzende von Botschaften gelesen, die von Freunden, Familienangehörigen und Arbeitskollegen der getöteten Lehrerin Elsa Mendoza veröffentlicht wurden. Sie erzählen von ihrer liebevollen und unterstützenden Natur. Und auch davon, dass sie nie die Unterschiede, sondern stets die Gemeinsamkeiten ihrer Schüler herausgestellt hat und dadurch ihr gemeinsames Potenzial gestärkt habe. Ganz im Gegensatz zu Trump.

Die Journalistin und Buchautorin Anabel Hernández berichtet seit vielen Jahren über Drogenkartelle und Korruption in Mexiko. Nach massiven Morddrohungen musste sie Mexiko verlassen und lebt seitdem in Europa. Für ihren Einsatz erhielt sie beim Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn den DW Freedom of Speech Award 2019. Jede Woche schreibt sie die Kolumne "Gegen den Strom".

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