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Gegenseitige Erpressung?

Andreas Rostek19. August 2016

Bei VW droht die Produktion weitgehend zum Halt zu kommen. Hintergrund ist ein Streit zwischen Volkswagen und Zulieferern. Aber wie konnte der so eskalieren? Worum geht es dabei?

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Wolfsburg Volkswagen-Werk Mitarbeiter
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Einige wenige Informationen von Seiten der Justiz gibt es. Dort nämlich, genauer vor dem Landgericht Braunschweig, ist die Sache längst gelandet. Bei dem Gericht hatte Volkswagen in der vergangenen Woche eine Einstweilige Verfügung gegen den Zulieferer Car Trim erwirkt. Eine weitere Verfügung erging gegen die Firma ES Automobilguss. Dagegen legten die Zulieferer Berufung ein. Eine Entscheidung kann dauern.

Beide Firmen gehören zur Unternehmens-Gruppe Prevent, deren Hauptsitz in Bosnien-Herzegowina ist, die deutsche Niederlassung hingegen in Wolfsburg. Der Grund für den Konflikt zwischen Prevent und Volkswagen, so hieß es von Seiten des Gerichts, sei ein gescheitertes gemeinsames Projekt. Worum es dabei genau geht, blieb zunächst im Dunkeln. "Es werden Ansprüche geltend gemacht, die aus einer anderen, letztlich nicht zustande gekommenen Geschichte hergeleitet werden", sagte ein Sprecher des Gerichts. Deswegen hielten die Tochter-Firmen ihre Lieferungen zurück.

Deswegen auch schweigen die Beteiligten weitgehend über die Gründe des Konflikts, der das Zeug hat, Europas größte Autofabrik, nämlich das VW-Werk in Wolfsburg, lahmzulegen. Die juristische Auseinandersetzung zwinge zur Vertraulichkeit, sagte Alexander Gerstung aus der Geschäftsführung der ES Automobilguss, die in Sachsen sitzt.

"Ordnungsgeld, Ordnungshaft, Beschlagnahme"

So wie der Zulieferer zu radikalen Mitteln gegriffen hat, droht VW angesichts der Produktionsausfälle nun mit der großen Keule. Man sei gezwungen, die "zwangsweise Durchsetzung der Belieferung vorzubereiten", zitierte am Freitag die "Süddeutschen Zeitung" einen VW-Sprecher. Dafür werde man alle Mittel nutzen, die laut Gesetz möglich seien. "Dazu gehören Ordnungsgeld, Ordnungshaft, Beschlagnahme, die über das Gericht beantragt werden."

Einigermaßen ratlos angesichts der Dynamik des Konflikts wirkt auch die Landesregierung von Niedersachsen. Das Land ist im VW-Aufsichtsrat vertreten. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies sagte, es sei nicht einfach, die Hintergründe der Auseinandersetzung mit der Prevent-Gruppe vollständig zu durchschauen. Bisherige Schilderungen ließen jedoch den Schluss zu, dass dies ein unglaubliches und für ihn nicht nachvollziehbares Verhalten von Prevent sei, so der Minister. Niedersachsen ist ein Großaktionär von VW.

Warmenau Automobilzulieferer Prevent Firmensitz
Firmensitz von Prevent bei WolfsburgBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Zu den Hintergründen des Konflikts gehört womöglich der Diesel-Skandal, der VW stark unter Druck setzt und für den der Autobauer viele Milliarden Euro an Strafen, Wiedergutmachung und Prozesskosten bereit halten muss. Das deutsche „Handelsblatt“ zitiert in dem Zusammenhang einen ungenannten Sprecher der Zuliefergruppe Prevent mit den Worten: "Wir sind als kleiner Lieferant weder in der Lage noch motiviert, die Folgen der Dieselaffäre des VW-Konzerns zu tragen." In den letzten Monaten sei der Druck von Seiten des VW-Einkaufs kontinuierlich erhöht worden, so der Sprecher.

"Unzumutbare Praktiken".

Prevent macht mit weniger als tausend Beschäftigten rund 500 Millionen Euro Jahresumsatz. Dem "Handelsblatt" sagte ein Vertreter von Prevent, es gebe "ein über Jahre hinweg historisch gewachsenes Misstrauen gegen den Einkauf von VW und dessen für Zulieferer unzumutbare Praktiken".

Die Äußerungen lassen den Eindruck entstehen, ein Zulieferer wehre sich nun durch eine Art Erpressung gegen Praktiken, die er als erpresserisch wahrnimmt. "Sich derart mit einem der ganz Großen in der Branche anzulegen", so ein Insider gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" gelte "in der Autoindustrie beinahe als ‚Selbstmord‘". Zu den Kunden von Prevent zählen neben Volkswagen auch VW-Töchter wie Audi und Skoda, aber auch andere Autobauer wie Daimler, Ford oder Fiat. Die seien alle auf verlässliche Lieferungen angewiesen.

Wegen der fehlenden Bauteile muss VW nun Tausende seiner Arbeiter in Zwangsurlaub schicken. Eine Woche Produktionsausfall könnte den Konzern einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag kosten. Für Prevent allerdings könnte es ums Überleben der Firma gehen.