Das West-Eastern Divan Orchestra tourt durch Europa
14. Januar 2009Vor dem Beginn der Proben des West-Eastern Divan Orchestra in der Berliner "Staatsoper Unter den Linden": Neunzig junge Musiker stimmen ihre Instrumente. Dann kommt Maestro Daniel Barenboim in den Saal, tritt ans Pult und in kürzester Zeit ist aus einem Musik-Wirrwar ein einheitlicher Klangkörper geworden. So harmonisch das West-Eastern Divan Orchestra Beethovens 5. Sinfonie spielt, so unterschiedlich sind die Meinungen der Musiker über die Situation in der Region, aus der die meisten von ihnen kommen - dem Nahen Osten. Denn außer den 19 jungen spanischen Musikern sind 34 von ihnen Araber und 32 Israelis.
Erklären nicht attackieren
Sie spielen nicht nur gemeinsam, sie diskutieren auch miteinander über die Situation im Nahen Osten. Jeder Musiker hat seine Meinung, die er in den Diskussionen zwischen den Proben vertreten kann. "Es ist eine wirklich schwierige Lage, die dort entstanden ist", sagt der palästinensische Violinist, Nabeel Abboud Ashkar. "Die Palästinenser müssen zusehen, wie unschuldige Kinder ermordet werden. Und für die Israelis ist es schwer zu ertragen, wenn Bomben in Sderot und in anderen Städten an der Grenze zum Gazastreifen einschlagen."
Der Bratschist Ramzi Aburedwan ist der Meinung, dass das Geschehen in Gaza, nicht aus heiterem Himmel gekommen sei. Die palästinensische Handlungsweise hänge mit der jahrzehntenlangen israelischen Besatzung zusammen, mit der Isolierung des Gazastreifens und der so herbeigeführten Misere für die Menschen dort. "Ziel der Diskussion, ist zu erklären und nicht zu attackieren. Was ich den israelischen Musikern sagen will ist, dass nicht sie daran schuld sind, sondern die israelische Regierung", sagt er. "Wir alle haben das Recht auf eigene Meinung und auch darauf das Handeln der eigenen Regierung abzulehnen. Ich bin auch nicht mit dem einverstanden, was unsere Regierung in Palästina macht."
Weniger Spannungen als noch beim Libanon-Konflikt
Mit 14 Jahren hat Ramzi Aburedwan noch Steine gegen israelische Truppen in Ramallah geworfen, mittlerweile führt er dort eine Musikschule und hat in Flüchtlingslagern mehrere Musikjugendgruppen gegründet. Diese Entwicklung hat er weitgehend seiner Mitgliedschaft im West-Eastern Divan Orchestra zu verdanken. Dazu gehört auch die Fähigkeit, mit seinen israelischen Kollegen zu reden. Das war nicht immer so.
"Noch zwei Jahren zuvor, als der Libanonkrieg in Gang war, waren wir emotional sehr aufgewühlt als wir zusammenkamen", erinnert sich die israelische Oboistin Meirav Kadichevski. Damals, 2006, führte die Tatsache, dass sich viele Mitglieder des Orchesters weigerten, an einem Workshop teilzunehmen, zu Schwierigkeiten. "Dieses Jahr", so Meirav Kadichevski, "haben nur ein oder zwei Leute erklärt, es sei schwierig für sie zu kommen. Alle übrigen haben für sich beschlossen teilzunehmen, weil sie es für die richtige Entscheidung hielten, in dieser schwierigen Zeit zusammenzukommen."
"Eine militärische Lösung funktioniert nicht."
In der Diskussion habe sich gezeigt, dass man zwar eine unterschiedliche Meinung darüber habe, wer Schuld ist an der Situation im Nahen Osten ist. Es herrsche aber Einigkeit darüber, dass Gewalt keine Lösung herbeiführen wird. Der 66-jährige Dirigent Daniel Barenboim, der bereits für seinen Einsatz für das palästinensische Volk und für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ausgezeichnet wurde meint dazu: "Der israelisch-palästinensische Konflikt ist ein humaner Konflikt zwischen zwei Völkern, die fest davon überzeugt sind, dass sie jeweils das Recht haben auf dem selben Landstrich zu leben. Wie wollen sie diesen Konflikt lösen? Militärisch? Mit Soldaten, Waffen, Bomben? Das funktioniert nicht."
Die Alternative könne nur sein, dass die Israelis die Geschichte der Palästinenser verstünden und die Palästinenser wiederum, die der Israelis. Für das Divan Orchester bleibt nur zu hoffen, dass sie wie geplant in all ihren Herkunftsländern auch tatsächlich spielen können. Denn für die jungen Musiker lassen sich Gefühle nun mal besser in Musik, als in Worten ausdrücken.