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Geld für radikale Islamisten?

Bernd Riegert 26. Januar 2006

Rund 480 Millionen Euro hat die EU im vergangenen Jahr der palästinensischen Führung zur Unterstützung gezahlt. Was passiert mit den EU-Hilfen, wenn sich die Hamas an der Regierungsbildung beteiligt?

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Schafft die Hamas eine Regierungsbeteiligung?Bild: AP

Nicht ohne Stolz verkündet die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner, bei jeder Gelegenheit, dass die Europäische Union der größte Mittelgeber für die Palästinensergebiete ist. Im Jahr 2005 flossen aus Europa rund 480 Millionen Euro nach Gaza und ins Westjordanland.

2006 sollen es noch mehr werden. Allein für die Durchführung der Wahlen erhöhte Ferrero Waldner, die vergangene Woche einzelne Projekte der EU in der Region besuchte, die Mittel auf 18,5 Millionen Euro. Weitere 20 Millionen gab es für Energieversorgung und Umweltschutz.

"Finanzstöpsel in der palästinensischen Badewanne"

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Lockt mit Geld: EU-Kommissarin Ferrero-WaldnerBild: EU

Angesichts der massiven Geldspritzen aus Brüssel sind sich EU-Diplomaten auch sicher: Ohne uns läuft bei den Palästinensern gar nichts, oder, wie es der EU-Sonderbeauftragte für den Nahen Osten, Marc Otte, einmal formuliert hat: "Die EU hat den finanziellen Stöpsel zur palästinensischen Badewanne in der Hand."

Die Gelder fließen in den Aufbau der Selbstverwaltung, das Justiz- und Polizeiwesen und die Förderung von kleinen und mittleren Betrieben. Der größte Batzen (122 Millionen
Euro) wird über die Hilfsprogramme der Vereinten Nationen für Lebensmittel- und Flüchtlingshilfen ausgegeben.

Veruntreutes Geld?

Palästinenserin auf dem Weg zum Wahllokal Wahlurne Wahlen Gaza-Stadt
Palästinenserin auf dem Weg ins WahllokalBild: AP

Vor allem zu der Zeit, als der verstorbene Palästinenserführer Yassir Arafat das Geld noch persönlich verwaltete, waren vielfach Vorwürfe der Veruntreuung dieser Gelder laut geworden. Sie sind jedoch laut Ferrero-Waldner nicht mehr haltbar: "Alle Untersuchungen durch die EU-Behörde für Betrugsbekämpfung haben gezeigt, dass kein Geld veruntreut wurde. Darum ist die Palästinenserbehörde mit unserer Hilfe bei der Regierungsführung in der Lage, die neuen Mittel richtig einzusetzen."

Mit der finanziellen Macht im Rücken versucht der außenpolitische Beauftragte des Europäischen Rates Javier Solana, Druck auf die Palästinenserführung und vor allem die radikale Hamas auszuüben. Sollte die nämlich an der nächsten Regierung beteiligt sein, hätte die EU ein Problem und könnte den Geldhahn zudrehen, drohte Solana im Dezember.

Ein Vertreter der Hamas beklagte sich prompt bei EU-Wahlbeobachtern in Ramallah: "Wir leiden unter der Einmischung der Europäischen Gemeinschaft und unter Solanas Drohung, es gebe keine Geld mehr, wenn die Hamas bei den Wahlen mitmacht." Während die USA und Israel Kontakte mit der Hamas kategorisch ablehnen, gibt es zwischen der EU und dem so genannten zivilen Arm der Hamas gelegentlich inoffizielle Kontakte. Grund: Die Hamas ist beim Aufbau von sozialen Strukturen in den Palästinensergebieten eine wichtige Kraft.

Gelder für Regierung mit Hamas?

Palästinensischer Polizist in Ramallah, zerstörtes Büro von Arafat
Ramallah in TrümmernBild: AP

Bei ihrem letzten Auftritt im Europäischen Parlament vor wenigen Tagen ließ EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner offen, wie sich die EU bei einem Wahlerfolg der Hamas verhalten werde. Man werde das Wahlergebnis respektieren, so Ferrero-Waldner diplomatisch, und mit jedem zusammenarbeiten, der den gewaltfreien Weg zum Frieden beschreite. Bei Wohlverhalten hat die EU-Kommission der Palästinenserbehörde sogar noch mehr Geld in Aussicht gestellt: "Wenn Israel und Palästina konstruktiv miteinander arbeiten und wenn die Mitgliedstaaten mitgehen, dann macht es Sinn, dass wir die Verdoppelung dieser Hilfe vornehmen", so Ferrero-Waldner.

Kontakte und Handelsmöglichkeiten mit dem Rest der Welt sind in den Augen vieler EU-Planer der Schlüssel zu einem lebensfähigen palästinensischen Staat. Deshalb kündigte die EU-Kommissarin bei ihrem jüngsten Besuch im Gaza-Streifen an, die EU wolle 25 Millionen Euro für den Bau eines Güterterminals am Flughafen von Gaza ausgeben. Das Problem ist nur: Der fast fertige Flughafen wurde durch israelische Vergeltungsschläge während der letzten Intifada zerstört. Sowohl die Startbahn als auch der Tower sind zurzeit nur Schutthaufen.