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Gelingt der Neuanfang in Kenia?

Philipp Sandner9. April 2013

Uhuru Kenyattas Vereidigung als Präsident läutet für Kenia eine schwierige Phase ein: Gegen ihn wird wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt. Innenpolitisch stehen Reformen an.

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Kenias neuer Präsident Uhuru Kenyatta (Foto: REUTERS/Thomas Mukoya)
Bild: Reuters

Den Amtseid hat er abgelegt (9.04. 2013), Uhuru Kenyatta ist Kenias neues Staatsoberhaupt. Seine Vereidigung bedeutet das Ende eines Wahlprozesses, der weltweit mit viel Sorge beobachtet wurde - rund fünf Jahre, nachdem eine Präsidentschaftswahl das Land im Dezember 2007 in die Krise stürzte. Mehr als 1200 Kenianer verloren damals ihr Leben, Hunderttausende ihre Heimat. Kaum im Amt, kann der neue Präsident also schon einen Erfolg verbuchen: Er hat seinen Teil dazu beigetragen, dass sich die Unruhen von damals nicht wiederholten.

Mit der letzten genommenen Hürde haben seine Landsleute nun wieder Gelegenheit, nach vorne zu blicken. Die Erwartungen an Kenyatta sind hoch - das weiß Peter Oesterdiekhoff, Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Kenia, zu berichten: "Kenyattas Wahlbündnis hat eine Reihe von hochtrabenden Versprechungen gemacht", sagt Oesterdiekhoff. Die Bekämpfung der Armut, mehr Sicherheit und der Ausbau der Infrastruktur würden dazugehören. Ob sich all dies in der kommenden Wahlperiode verwirklichen lässt? - Da bleibt er skeptisch.

Willy Mutunga (Mitte) und zwei weitere Mitglieder des Obersten Gerichts in Kenia im Gerichtssaal in Nairobi, 30. März 2013 (Foto: REUTERS/Noor Khamis).
Der Oberste Gerichtshof hatte Kenyattas Wahlsieg Ende März 2013 bestätigtBild: Reuters

Dezentralisierung

Ein wichtiger Grundstein für den nötigen Neuanfang ist immerhin gelegt: Auf Grundlage von Kenias neuer Verfassung wurden erstmals Provinzregierungen gewählt - insgesamt 47. Das sieht Oesterdiekhoff als Chance, die Machtverhältnisse in dem ostafrikanischen Land zu verändern. "Dezentralisierung war immer eine Priorität unter der Bevölkerung", so Oesterdiekhoff im Gespräch mit der Deutschen Welle. Bei der Diskussion um eine Verfassungsreform, die über Jahre geführt wurde, habe dies stets die größte Rolle gespielt: "Die Bürger wollten mitsprechen, was in ihren Regionen passiert und wollten dafür auch Mittel zur Verfügung gestellt bekommen."

Wie mächtig die Provinzen schließlich sein werden, darüber wird zurzeit noch heftig gestritten. Sicherheitsfragen etwa möchte die Zentralregierung ungern aus der Hand geben. Eines beschäftigt die Provinzen in besonderer Weise: Besitz und Nutzung von Land sind das Thema, das in den einzelnen Landesteilen wiederholt für Konflikte sorgte. Eine Nationale Landkommission (NLC) soll sich dieser Frage annehmen. "Dass die Dezentralisierung noch nicht komplett umgesetzt ist, könnte zur Herausforderung werden", schätzt NLC-Vorsitzender Mohammed Swazuri.

Der Turm des Jomo Kenyatta Zentrums (Mitte) und der kleinere Uhrenturm des kenianischen Parlaments (rechts daneben) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. (Foto: picture-alliance/dpa)
Politik soll künftig nicht mehr nur in Kenias Hauptstadt Nairobi gemacht werdenBild: picture-alliance / dpa

Landreform

Pikant: Präsident Kenyatta gilt als einer der reichsten Menschen Kenias, von dem es heißt, dass er und seine Familie viel Grund und Boden besitzen. Die Frage, ob dieses Detail sich als Hindernis für eine Landreform herausstellen könnte, beantwortet Swazuri diplomatisch. "Wir müssen uns an die Gesetze halten", sagt der Vorsitzende der Landkommission. "Solange Kenyattas Reichtum nicht im Widerspruch zum Gesetz steht, gibt es keinen Konflikt."

Auch FES-Landesvertreter Oesterdiekhoff gibt sich "verhalten optimistisch". Dass mit Kenyatta und Vizepräsident William Ruto nicht gerade die Reformer an die Regierung gekommen seien, berge ein gewisses Risiko. Dennoch bestünde nicht die Gefahr, dass die politische Führung rigoros eigene Interessen verfolge: "Da ist die Aufmerksamkeit so groß, dass Kenyatta auf gar keinen Fall in der Lage sein wird, wie seine Vorgänger Land nach eigenem Gusto zu verteilen."

Internationales Verfahren

Auch wenn die Verfassung von 2010 die Macht des Präsidenten teilweise eingeschränkt hat, sind die Startbedingungen für Kenyatta nicht schlecht. Durch geschickte Allianzen könnte er sich neben dem Parlament auch eine Mehrheit im Senat sichern, der - nach amerikanischem Vorbild - ein Gegengewicht zum Parlament  darstellt. Langfristig könnte diese Mehrheit aber kippen: Ob das Zweckbündnis mit der Partei von Vizepräsident William Ruto die Legislaturperiode überlebt, bezweifelt Oesterdiekhoff. In Ruto hat Kenyatta nämlich einen denkbar ungleichen Mitstreiter. Ruto gehört der Volksgruppe der Kalenjin an. Kenyatta hingegen ist ein Kikuyu. Die Kikuyu-Elite des Landes könne versuchen, Ruto und seine Partei zu marginalisieren, schätzt der Experte der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Nach den Wahlen von 2007 standen sich Kikuyu und Kalenjin verfeindet gegenüber. Es sei schon makaber, dass gerade Vertreter dieser beiden Volksgruppen nun an einem Strang zögen, resümiert Oesterdiekhoff: "Der einzige rationale Grund für diese Koalition beruht auf dem Interesse der Koalitionspartner, sich immun zu halten gegenüber dem Prozess, der demnächst gegen sie in Den Haag beginnen wird." Dort sind Kenyatta und Ruto wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, weil sie ihre jeweiligen Ethnien bei den Unruhen gegeneinander aufgehetzt haben sollen. Ihr Sieg bei den Wahlen wird deshalb international kritisch gesehen. Die Gefahr, dass sie ihr Amt nutzen könnten, um sich aus der Affäre zu ziehen, sieht auch Oesterdiekhoff: "Inzwischen haben vier wichtige Zeugen ihre Aussagen zurückgezogen", sagt er der DW, "das Drohpotenzial ist gewachsen." Und dennoch: der Druck auf Kenyatta sei groß, die internationalen Beziehungen nicht aufs Spiel zu setzen. Darum werde er wohl kooperieren und hoffen, dass die Beweislage zu seinen Gunsten ausfalle.

Eingang des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, 2006 (Foto: JUAN VRIJDAG/AFP/Getty Images).
Das Verfahren gegen Kenyatta in Den Haag soll im Juli beginnen, Rutos im MaiBild: Getty Images

Ein Szenario, von dem inzwischen viele ausgehen. "Die Zeugen bleiben aus", analysiert Macharia Munene, Politikwissenschaftler an der United States International University in Nairobi. "Die Anklage hat sich stärker auf Gerüchte als auf handfeste Ermittlungen gestützt. Das erweist sich nun als Fehler."