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Geläuterter Gaddafi?

Michael Brückner26. August 2002

Der libysche "Revolutionsführer" Gaddafi, der sich 1969 an die Macht putschte und als Drahtzieher hinter dem Terroranschlag von Lockerbie gilt, wird wahrscheinlich der nächste Vorsitzende der UN-Menschrechtskommission.

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Fällt gerne auf: <br>Muammar al GaddafiBild: AP

Ist wieder einmal Moritz Hunzinger an allem Schuld? Deutschlands einflussreichster PR-Berater soll auch die Familie des exzentrischen libyschen Diktators Gaddafi beraten haben. Und jetzt ist Muammar el Gaddafi drauf und dran, den Vorsitz der UN-Menschenrechtskommission zu übernehmen.

Diese schnelle Wandlung vom Führer eines von der US-Regierung so genannten "Schurkenstaates" hin zum obersten Hüter der Menschenrechte im Namen der Vereinten Nationen hat Gaddafi vor allem dem traditionellen Rotationsprinzip bei Ämterbesetzungen der UN zu verdanken.

Die Regeln der UNO

Nach den Regeln der Vereinten Nationen hat 2003 ein afrikanisches Land den Vorsitz der UN-Menschenrechtskommission zu übernehmen. Die eigentliche Kandidatenauswahl blieb den 53 Mitgliedern der neu gegründeten Afrikanischen Union (AU) vorbehalten. Und die wiederum war diesmal gehalten, ein afrikanisches Land nördlich der Sahara zu benennen. "Wir stehen hier nicht vor einer Wahlentscheidung, sondern vor den Entscheidungsmechanismen der UN", so elegant zog sich gegenüber DW-WORLD ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin aus der Affäre.

"Wir erwarten, dass die Legitimität und Funktionsfähigkeit der UN- Menschenrechtskommission auch weiterhin gewährleistet wird", lässt sich der Außenamtssprecher jedoch weiterhin vernehmen. Wenn man denn will, könnte man dies immerhin als diplomatische Sorgebekundung auslegen. Es scheint aber kein Mitgliedsland der UNO an den althergebrachten Entscheidungsmechanismen der Weltorganisation rütteln zu wollen - jeder profitiert manchmal selbst von ihnen.

Menschenrechtsverletzungen in Libyen

Bisher ist Muammar el Gaddafi nicht gerade als Vorkämpfer der Menschenrechte in Erscheinung getreten. In Libyen sind politische Parteien und Kritik am Herrschaftssystem sogar gesetzlich verboten. Der aktuelle Jahresbericht von amnesty international berichtet von strikter Zensur aller Medien, jahrelangen Inhaftierungen ohne Prozess oder Verteidigung und schweren Folterungen. Sonderberichterstatter genau der Kommission, deren Vorsitz Libyen nun anstrebt, hat Gaddafi noch nie in sein Land gelassen.

Wenn das Land dermaßen im Rampenlicht stehen wird, sollte es sich zumindest dieser Forderung nicht länger widersetzen, so die pragmatische Einschätzung von Amnesty Deutschland. Amnesty will das UN-Auswahlverfahren nicht kommentieren, kündigt scharfe Beobachtung an, schließt sogar positive Effekte für die Menschenrechtslage in Libyen nicht aus, wenn sich das Land so weit aus dem Fenster lehnt.

Raus aus der Isolation

Zumindest vom Ruf des Terroristen-Führers hat sich Gaddafi in letzter Zeit schon so gut wie befreien können. Auf die Auslieferung einiger Hauptverdächtiger im Lockerbie-Prozess folgte die Ankündigung von Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen des Sprengstoffattentats auf den Pan Am Flug 103 am 21. Dezember 1988. 270 Menschen kamen damals ums Leben. Allerdings will Gaddafi die angebotenen 2,7 Milliarden Dollar erst dann zahlen, wenn alle UN-Sanktionen und das US-Embargo gegen Libyen aufgehoben werden.

Selbst dafür gibt es Chancen: Medienwirksam verurteilt Gaddafi das Treiben von Osama Bin Laden. Den USA gestand er nach dem 11. September öffentlich das Recht auf Selbstverteidigung zu. Diese offizielle Abwendung vom Terrorismus hat dazu geführt, dass die USA laut über eine Lockerung der Sanktionen gegen Libyen nachdenken. Die britische Regierung sieht Libyen seit Anfang August 2002 sogar offiziell auf dem Weg heraus aus der internationalen Isolierung.

In Deutschland stieg Gaddafis Ansehen durch seine Hilfe bei der Befreiung der drei deutschen Touristen, die 1999 auf der philippinischen Insel Jolo von der Extremistengruppe Abu Sayyaf verschleppt worden waren. Bundesaußenminister Fischer bedankte sich sogar persönlich bei ihm in Tripolis.