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Gemeinsame Verteidigungspolitik der EU nicht in Sicht

Nina Haase, Brüssel (glh)19. Dezember 2013

Ob die EU ein ernst zu nehmender globaler Partner ist - das wird sich in diesen Tagen zeigen. Denn die EU-Staats- und Regierungschefs diskutieren über ihre Außenpolitik. Konkrete Ergebnisse werden jedoch nicht erwartet.

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Bundeswehrsoldaten von hinten, stehend (Foto: Jens Büttner/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn am Donnerstag (19.12.2013) in Brüssel die 28 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zu ihrem Gipfel zusammen kommen, wird es eine Premiere geben. Denn sie beraten zum ersten Mal auf höchster Ebene über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Bislang beschäftigten sich lediglich die nationalen Verteidigungs- und Außenminister damit.

Ende November (19.11.2013) trafen sich die Verteidigungsminister der EU-Länder noch und legten somit den Grundstein für den anstehenden Gipfel. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits seit Jahren. "Zu Beginn waren die Erwartungen sehr hoch", sagt Sicherheitsexperte Jan Techau, Vorsitzender der Brüsseler Denkfabrik "Carnegie Europe". "Mittlerweile sind diese aber schon zurück gegangen. Trotzdem werden zumindest einige inhaltliche Ergebnisse erwartet. Wenn gar nichts bei dem Treffen heraus käme, wäre die Enttäuschung danach wahrscheinlich sehr groß."

"Battle Groups" zeigen, dass EU nicht handlungsfähig ist

Wie schwer es der EU fällt, ihre Kräfte in Sachen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu bündeln, zeigt der konkrete Fall der sogenannten EU-"Battle Group" (Deutsch: Kampftruppe). Seit 2007 verfügt die Europäische Union de facto über zwei "Battle Groups", bestehend aus 1500 Soldaten, die jederzeit bereit zum Einsatz sind. Die Soldaten werden im halbjährlichen Rhythmus von den Mitgliedsstaaten entsandt. Bisher wurden die "Battle Groups" jedoch noch nie eingesetzt.

Catherine Ashton (rechts) und Lithauens Außenminister Linas Linkevicius (Foto: TOMAS LUKSYS/AFP)
Catherine Ashton will, dass die EU ihre Kräfte bündeltBild: TOMAS LUKSYS/AFP/Getty Images

Schuld daran seien allerdings nicht die fehlenden Gelegenheiten, europäische Interessen zu verteidigen, sagt Olivia Cahuzac, Sicherheitsexpertin des Forschungsunternehmens CEIS: "Die EU Battle Groups kommen immer wieder auf den Plan. In Mali hätte man sie beispielsweise bestens einsetzen können. Doch damals gab es politische Gründe, dies nicht zu tun."

Zu viele EU-Länder, zu viele Entscheidungen

Eine weitere große Hürde: die politischen Entscheidungsprozesse. Sobald die EU-Mitgliedsstaaten sich in einer akuten Krise für einen Militäreinsatz entschieden haben, wird ein Krisenplan entworfen. Nachdem dieser Plan dann auf EU-Ebene genehmigt wurde, muss jedes einzelne Mitgliedsland diesem innerhalb von fünf Tagen zustimmen. Doch die Entscheidungsprozesse sind von Land zu Land sehr unterschiedlich: So muss in Deutschland beispielsweise das Parlament, der Bundestag, zustimmen, wenn Truppen entsandt werden. Diese Vorgänge dauern oft zu lange und das Risiko, dass der richtige Moment für einen militärischen Eingriff bereits verstrichen ist, bevor die Genehmigung dafür erteilt wurde, ist allgegenwärtig.

"Die Battle Groups liegen im Grunde im Koma", so Jan Techau im Gespräch mit der DW. "Sie wurden noch nie in irgendeiner wichtigen Angelegenheit eingesetzt. Sie sind eine dieser Ideen, die immer mal wieder aufkommen, wenn die EU es mal wieder mehr oder weniger ernst meint mit der Verteidigungsstrategie. Wir sollten versuchen, sie wieder zu beleben. Aber bisher ist nichts passiert."

Französische Soldaten in Mail in Savanne (Foto: REUTERS/Francois Rihouay)
In Mali machte Frankreich einen AlleingangBild: Reuters

Die EU habe ein Führungsproblem, sagt Jan Techau. Die drei größten EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien verfolgen im Grunde eine ähnliche Verteidigungsstrategie. Aber: "Die Briten mögen die EU nicht besonders, die Franzosen wollen die EU für ihre Strategie nutzen und die Deutschen zögern immer viel zu sehr, sei es innerhalb der EU, der NATO oder generell."

Kostspielige Doppelstrukturen

Kritiker der "Battle Groups" befürchten auch, dass sich teure Doppelstrukturen etablieren könnten. Die "Battle Groups" würden die gleichen Aufgaben übernehmen, die die NATO bereits inne hat, so Gegner des Projekts.

Neben den "Battle Groups" hat auch die EU selbst einige kritische Defizite bei vergangenen EU-Militär-Einsätzen festgestellt. Diese Punkte stehen ebenfalls auf der Agenda des EU-Gipfels. Der Großteil ist bereits bekannt: Die Europäische Verteidigungsagentur (EVA), angeführt durch die Außen- und Sicherheitsbeauftragte der EU, Catherine Ashton, stellte beispielsweise die Luftbetankung von Kampfflugzeugen als einen Bereich heraus, der mehr Zusammenarbeit benötigt. Des Weiteren will man über ferngesteuerte Luftfahrzeugsysteme und Cybersicherheit sprechen.

Auch wenn noch immer unklar ist, ob der Gipfel konkrete Ergebnisse hervorbringen wird, bleibt Olivia Cahuzac optimistisch: "Bei den Vorbereitungen wurden bereits mehrere Dokumente der EU- Institutionen eingereicht, beispielsweise vom Parlament und aus Frau Ashtons Büro. Dass über die Themen gesprochen wird, ist schon einmal ein erster Erfolg und ein guter Start, um sich dann in den kommenden Monaten auf die spezifischen Themen zu konzentrieren."

Jan Techau glaubt, dass zumindest entschieden wird, dass die EU-Verteidigung zukünftig auf höchster EU-Ebene diskutiert werden soll. Und das, sagt er, wäre ein wichtiges Signal an die USA und den Rest der Welt: Nämlich, dass Europa seine eigene gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik ernst nimmt und deswegen auch als globaler Partner ernst genommen werden kann.