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Gen-Food gegen den Hunger?

Judith Hartl13. Juni 2012

Brauchen wir gentechnisch veränderte Lebensmittel, um den Hunger in der Welt zu besiegen? Darüber wird höchst kontrovers diskutiert und sehr emotional. Die Wahrheit liegt wohl - wie meistens - irgendwo in der Mitte.

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Bundesweit einziges Genkartoffelfeld wird abgeerntet Ein Mann hält mit Schutzhandschuhen am Mittwoch (29.09.2010) auf dem bundesweit einzigen kommerziellen Genkartoffel-Feld bei Zepkow in Mecklenburg-Vorpommern einige der geernteten Kartoffeln in den Händen. Bei trockenem Wetter wird mit einem Kartoffelroder der 14 Hektar große Acker abgeerntet. Die Stärkekartoffeln der Sorte Amflora gehören der BASF Plant Science GmbH (Limburgerhof), einer Tochterfirma des Chemiekonzerns BASF. Foto: Jens Büttner
Grüne Gentechnik GenkartoffelfeldBild: picture-alliance/ZB

Über eine Milliarde Menschen auf der Welt leiden nach Schätzungen der Welternährungsorganisation WHO an Hunger. Obwohl mehr Lebensmittel produziert werden als je zuvor. Die Gründe dafür sind vielfältig: Ein großer Teil geht bei der Ernte verloren - unter anderem weil Lager- und Transportmöglichkeiten fehlen. In den Industrienationen werden 40 Prozent aller Nahrungsmittel nicht gegessen, sondern vernichtet. Außerdem werden auf mehr als einem Drittel der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen Futtermittel angebaut – Mais, Getreide oder Sojabohnen.

Auch der Anbau von Pflanzen, die zu Biotreibstoff verarbeitet werden, verdrängt den Anbau wertvoller Nahrungspflanzen. Das macht Lebensmittel für die Ärmsten immer teurer.

Ändern wird sich diese Situation in absehbarer Zeit wohl nicht. Die Zahl der Menschen nimmt weiter zu – 2050 werden wir über neun Milliarden sein. Die Mehrzahl wird in Städten leben, so die Prognosen – Fleischkonsum und Energiebedarf werden weiter ansteigen. Allein mit den Methoden der konventionellen Landwirtschaft komme man da nicht mehr hinterher, sagen viele Experten. Nur mit Hilfe gentechnisch veränderter Pflanzen könne die landwirtschaftliche Produktion angekurbelt und der Hunger in der Welt bekämpft werden.

Mais

Solchen transgenen Pflanzen wurde ein Gen eingepflanzt, das ihnen besondere Fähigkeiten verleihen soll. Das sie unter anderem resistent gegen bestimmte Schädlinge, Pilze, Viren oder Bakterien macht. Der Genmais beispielsweise ist so verändert, dass ihm Angriffe des Maiszünslers nichts mehr ausmachen. Die Raupen dieses Schmetterlings gelten als der schlimmste Maisschädling.

Dabei wurden dem sogenannten Bt-Mais Gene von Bacillus thuringiensis eingesetzt. Dieses Bakterium wirkt tödlich auf bestimmte Insekten. Der Bt-Mais bildet zunächst eine ungiftige Vorstufe des Gifts. Erst im Darm des Maiszünslers entfaltet es seine ganze Wirkung.

Es zersetzt die Darmwand, die Larve verhungert. Für Pflanzen, Wirbeltiere und den Menschen ist das Toxin unschädlich, da es im Magen vollständig abgebaut wird. Bt-Toxine werden schon lange im biologischen Pflanzenschutz eingesetzt und sind auch im Ökolandbau zugelassen.

Vergleich transgener Mais und konventioneller Mais (Foto: transgen.de)
Transgener Mais (links) ist vor Angriffen schädlicher Insekten geschützt.Bild: www.transgen.de

Papaya

Oder die Papaya: Ihr größter Feind ist das Ringspot Virus. Es kann den Ertrag drastisch mindern und sogar den ganzen Baum töten. Auf Hawaii wurde eine resistente transgene Papaya entwickelt. Bereits seit 1999 wird sie dort auch angebaut.

Gen-Soja

Etwa die Hälfte der weltweiten Soja-Produktion stammt aus gentechnisch veränderten Bohnen. Den meisten Sorten wurde ein Gen eingepflanzt, das sie resistent gegen Pestizide macht. Auf diese Weise kann der Landwirt großflächig Allround-Pestizide verspritzen. Das zerstört alle anderen unerwünschten (Unkraut-)Pflanzen, aber nicht die gentechnisch veränderten Sojapflanzen.

Aus ihnen wird Öl gewonnen, sie dienen aber auch als Grundstoff für viele Lebensmittel wie Schokolade, Margarine oder Backwaren. Sojabohnen sind zudem von enormer Bedeutung als proteinreiches Tierfutter. Alleine die Europäische Union importiert pro Jahr rund 40 Millionen Tonnen Sojabohnen für die Rinder-, Schweine- und Geflügelmast.

Zuckerrohr

In den USA und Brasilien laufen derzeit Versuche, Zuckerrohr resistent gegen Unkräuter und Viren zu machen und unempfindlich gegen Trockenheit und Versalzung. Weltkonzerne wie das deutsche Pharmaunternehmen Bayer Crop Science sind daran beteiligt. Denn aus Zuckerrohr wird nicht nur die Hälfte der weltweiten Zuckerproduktion gewonnen. Die Pflanze gewinnt zusätzlich Bedeutung als Lieferant für den Treibstoff Ethanol.

"Zuckerrohr ist die produktivste Kulturpflanze für wirtschaftlich rentable erneuerbare Energie mit der besten CO2-Bilanz", versichert Joachim Schneider, Leiter des Geschäftsbereichs BioScience bei Bayer CropScience. In Zusammenarbeit mit brasilianischen Partnern soll Zuckerrohr gentechnisch so verändert werden, dass der Zuckergehalt um etwa 40 Prozent höher ist.

Bt-Reis

Im Iran wurde 2006 mit dem Anbau von genmanipuliertem Reis begonnen. Dieser ist resistent gegen die gefürchteten Stengelbohrerlarven. Die Markteinführung von transgenem Reis in China, Indien, Indonesien und den Philippinen steht kurz bevor. Es wird außerdem untersucht, welche genetischen Veränderungen einen höheren Ertrag bringen und was Reis robuster gegen Trockenheit, Versalzung und Überflutungen machen könnte.

Große Aufmerksamkeit erregte bei Befürwortern und Gegnern auch die Sorte "Goldener Reis". Bei ihr wurden der Beta-Carotin- und Eisengehalt gentechnisch erhöht. Das Beta-Carotin führt zur goldgelben Farbe der Reiskörner. Beta-Carotin ist besonders wichtig für die Bildung von Vitamin A. Es wird daher auch Provitamin A genannt.´

'Goldener Reis' liegt neben weißem Reis (Foto: picture-alliance/dpa)
"Goldener Reis" (links) liegt neben weißem Reis. In Entwicklungsländern sind 200 bis 300 Millionen Kinder im Vorschulalter von Vitamin-A-Mangel bedroht. Könnte der Provitamin-A-angereicherte "Goldene Reis" Menschenleben retten? Die Meinungen darüber gehen auseinander.Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Die Unterversorgung mit Vitamin A ist eines der weltweit dramatischsten Ernährungsprobleme - vor allem in solchen Regionen, wo Reis Grundnahrungsmittel ist. Denn weißer, geschälter Reis enthält zu wenig Vitamin A. Deswegen leiden in Asien viele Menschen - vor allem Kinder - unter Augenkrankheiten, die bis zum Erblinden führen können.

Auch mit Bananen, Tomaten und Kartoffeln laufen Versuche. Die Möglichkeiten der Grünen Gentechnik scheinen unendlich. "Eingriffe ins Erbgut von Pflanzen machen Nahrungsmittel robuster und gesünder und lassen sie schneller und genügsamer wachsen", sagt Anika Wiese-Klinkenberg vom Forschungszentrum Jülich.

"Trockenheit und Dürre reduzieren jetzt schon Ernteerträge dramatisch. Im Rahmen des Klimawandels kann das nur schlimmer werden". Die Biologin leitet ein Kooperationsprojekt mit Indien. Hier versuchen Wissenschaftler, die Gene einer extrem widerstandsfähigen Himalaya-Pflanze zu nutzen, um auch Nahrungspflanzen ebenso robust gegen Kälte und Trockenheit zu machen.

Dass man alleine mit der Gentechnik den Hunger in der Welt besiegen kann, bestreitet Wiese-Klinkenberg, sagt aber, dass sie zumindest einen Beitrag dazu leisten könne.

Gefährlich für Mensch und Natur?

Doch das Spiel mit den Genen birgt auch Risiken. Denn gentechnisch veränderte Organismen sind für die Umwelt vor allem eines: neu. Bis heute wissen Forscher nicht, welche Folgen die Eingriffe ins Erbgut für die Gesundheit des Menschen und für die Umwelt haben. Verlässliche und neutrale Studien gibt es nicht und unliebsame werden soweit es geht geheimgehalten. So hat beispielsweise der Gentechnikkonzern Monsanto die Ergebnisse einer Studie erst nach einer Klage der Umweltschutzorganisation Greenpeace herausgegeben.

Bei dieser Studie wurden Ratten mit dem Gen-Mais MON 863 gefüttert. Danach wiesen die Tiere laut Greenpeace Vergiftungssymptome und Schädigungen von Leber und Nieren auf. Manche Kritiker befürchten sogar, gentechnisch veränderte Produkte könnten Krebs oder Unfruchtbarkeit auslösen. Was also passiert, wenn Mensch und Tier transgene Pflanzen essen? Die Wissenschaft kann bislang keine zufriedenstellenden Antworten geben. Zumindest nicht, was die langfristigen Folgen betrifft.