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Georg Hackl: "Rodel-Professor" für Österreich

Lorenz Schalling
5. Dezember 2022

Österreich gelingt es beim Weltcup-Auftakt eindrucksvoll, die deutsche Dominanz im Rennrodeln zu durchbrechen. Ist das bereits dem Einfluss von Deutschlands Rodel-Ikone Georg Hackl geschuldet?

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Österreichs Rodel-Techniktrainer Georg Hackl beobachtet mit ernstem Blick
So skeptisch muss Österreichs Techniktrainer Georg Hackl gar nicht gucken: Seine Athleten gewinnen allesBild: Wassmuth/Fotostand/picture alliance

"Das ist auch für mich sehr überraschend. Dass es in einer solchen Leistungsdichte klappt, davon konnte man nicht ausgehen", sagte Georg Hackl nach seinem ersten Weltcup-Einsatz als Techniktrainer der österreichischen Rennrodler. Ein wenig ungläubig, aber zufrieden beobachtete er, wie seine Schützlinge beim Weltcup-Auftakt auf der Heimbahn in Innsbruck-Igls alles gewannen, was nur ging: Sieg bei den Einsitzern und im Doppelsitzer der Frauen, Dreifach-Erfolg im Doppelsitzer und beim Einzel-Wettbewerb der Männer gingen sogar die ersten vier Plätze an Österreich. Die deutschen Rodlerinnen und Rodler - sonst das Nonplusultra - landeten diesmal abgeschlagen auf hinteren Plätzen. Kompletter rot-weiß-roter Erfolg. Dank Hackl? 

Zuvor war der56-Jährige jahrzehntelang nur in Schwarz-Rot-Gold an den Rodelbahnen der Welt zu sehen gewesen. Der "Rodel-Professor", so sein Spitzname, gewann dreimal Olympia-Gold, dazu zwei olympische Silbermedaillen und zehn Weltmeistertitel. Nach der aktiven Karriere gehörte er zum Trainerstab des Deutschen Bob- und Schlittenverbands und brachte seine Detailversessenheit ein. Bereits als Aktiver hatte er stets an seinem Renngerät herumgetüftelt, immer mehr als die Konkurrenz und die Teamkollegen, um irgendwo noch ein paar Tausendstelsekunden herauszuholen. Auch deshalb feierte Hackl viele Erfolge, genau wie in seinem zweiten Karriere-Abschnitt als Trainer: Bei den Olympischen Winterspielen in Peking im vergangenen Februar gewannen Deutschlands Rodler die Goldmedaillen in allen vier Wettbewerben.

Neuanfang in Österreich

Im Sommer 2022 wechselte Georg Hackl zum Österreichischen Rodelverband (ÖRV) und unterstützt nun die dortige Schlitten-Entwicklung. Markus Prock, früher einer von Hackls härtesten Konkurrenten im Eiskanal und heutiger Präsident des ÖRV, versuchte seit Jahren, ihn zum Wechsel ins Nachbarland zu bewegen. Doch Hackl lehnte immer wieder ab - auch weil der langjährige Sportsoldat bei der Bundeswehr einen Job hatte.

Georg Hackl begutachtet einen Rennrodelschlitten
Die deutsche Rodel-Ikone Georg Hackl legt nun beim Österreichischen Rodelverband Hand anBild: Rodelaustria

Als Hackl im Oktober 2021 bei der Bundeswehr ausschied, wurde Prock erneut bei ihm vorstellig. Das Angebot seines Ex-Widersachers sei dann so attraktiv gewesen, dass "ich diese letzte Chance im Leben, mich beruflich zu verändern, gerne wahrgenommen habe", sagt Hackl der DW. 

Mehr Geld, mehr Freizeit

Als Sportler und Trainer war Hackls Kalender stets voll. Im Winterhalbjahr fast durchgehend unterwegs, verbrachte er auch im Sommer zahllose Stunden in der Werkstatt und tüftelte am Schlitten für den nächsten Winter.

Als Trainer der selbsternannten Trainingsgruppe "Sonnenschein" profitierten dann Natalie Geisenberger, Felix Loch und das Doppelgespann Tobias Wendl und Tobias Arlt von Hackls reichem Erfahrungsschatz. Mit Erfolg - auch dank Hackls Rennschlitten-Knowhow gewannen die vier Mitglieder der Trainingsgruppe insgesamt elfmal Olympia-Gold.

Georg Hackl prüft zusammen mit Felix Loch den Abstand zweier Schlittenkufen
Georg Hackl tüftelt mit seinem damaligen Schützling Felix Loch am Rennschlitten (2009)Bild: Schiffmann/IMAGO

Das Privatleben stand bei diesem Pensum Hackls jedoch zu oft hinten an. "Man schafft das nicht wirklich und schiebt immer einen gewissen Stau an privaten Dingen, die man erledigen möchte, vor sich her", gewährt Hackl einen Einblick.

Seine neue Arbeit ist nicht nur besser bezahlt, was Hackl unumwunden zugibt, sie gewährt ihm auch vor allem im Sommer mehr Freiräume: für private Erledigungen, Treffen mit Freunden, Ausflüge in die Natur seiner bayrischen Heimat.

Österreichs Rennrodler arbeiten mit Firmen zusammen, die ihnen die Schlittenbauteile fertigen. Hackl steht lediglich im Austausch mit den Ingenieuren und lässt seine jahrelange Erfahrung einfließen. "Ich stehe nicht mehr mit Hammer, Säge, Feile und Laminierpinsel da und muss alles selber machen", erzählt Hackl. Die Freude darüber ist dem 56-Jährigen deutlich an zu hören.

Georg Hackl vor dem Bergpanorama am Königssee
Georg Hackl in seiner bayrischen Heimat am Königssee (2006)Bild: Kosecki/IMAGO

Die Trainer des ÖRV übernehmen dann "nur noch" den Bau der Schlitten aus den vorgefertigten Bauteilen. Ganz weg von der praktischen Arbeit, die Hackl so liebt, ist er also nicht.

Das Geheimnis eines erfolgreichen Schlittens

Auch wenn es für den Laien so einfach aussieht, ist ein Rennrodelschlitten ein komplexes Gesamtwerk verschiedener physikalischer Komponenten. Da es darum geht, möglichst schnell den Eiskanal hinunterzufahren, ist natürlich die Aerodynamik wichtig - "die sich auch mit dem Körper des Fahrers sehr gut ergänzen und zusammenfügen muss", so Hackl.

Die Begeisterung für den Schlittenbau, die ihn auch eine Ausbildung zum Schlosser machen ließ, wurde dem dreimaligen Olympiasieger schon früh vermittelt. "Rennrodeln ist eine Sportart, in der das Material einen leistungsbestimmenden Faktor ausmacht", berichtet Hackl von seinen ersten Lerneffekten als Jungrodler: "Wenn man den Rost von den Kufen wegschleifen kann oder die Kratzer der Kufen rauspolieren kann, wird man schneller."

Georg Hackl schleift eine Kufe seines Rennschlittens
Bei dem gelernten Schlosser Georg Hackl sitzt jeder HandgriffBild: Kosecki/IMAGO

Die Kufen der Schlitten sind das Heiligtum der Rennrodler. Zu ihnen pflegt jeder Athlet eine innige Beziehung, schleift und poliert sie während einer Saison zahllose Stunden. Ihre geometrische Form ist entscheidend für den Gleitwiderstand, weiß Hackl: "Die Stahlkanten der Kufen müssen so scharf sein, dass sie nicht zu tief ins Eis greifen - damit der Schlitten gut gleiten kann, aber trotzdem noch genug Halt hat, dass man während der Fahrt nicht quer ins Rutschen kommt. Ganz einfach."

Eisqualität kann sich im Rennen ändern

Doch trotz dieser einfachen Erklärung des Rodel-Einmaleins sind die Feinheiten im Schliff der Stahlkanten nur für Rennrodler und ihre Techniker erkennbar. Die Wahl und Bearbeitung der Kufen bietet daher auch viel Spielraum zum Taktieren. Denn sie sind die Schnittstelle zwischen Schlitten und Bahn. "Die Eisqualität der Bahn verändert sich bei wechselnden Wetterbedingungen unter Umständen auch während eines Rennverlaufs innerhalb einer Viertelstunde grundlegend", berichtet Hackl aus der Praxis. "Deshalb muss man auch während eines Rennens darauf achten, ob es, je nach Startplatz, nicht klüger wäre, andere Kufen zu montieren."

An dieser Vorhersage beißen sich jedoch selbst Profis wie der zehnfache Weltmeister regelmäßig die Zähne aus, "weil es sehr, sehr schwierig ist, die genaue Eisqualität zum jeweiligen Startzeitpunkt präzise einzuschätzen."

Ziel: 2026 zum elften Mal Olympia

Diese Detailfragen sind es, die den "Rodel-Professor" immer wieder angetrieben haben. Denn einen Trugschluss des jungen Rennrodlers Georg Hackl musste er schnell revidieren, wie er heute gesteht: "Als junger Sportler habe ich gedacht: 'Boah, mein Schlitten, der ist so schnell. Der ist austherapiert, den kann man nicht mehr verbessern.' Heute weiß ich es besser."

Vor dieser und anderen Fehlereinschätzungen möchte er zukünftig das Rodel-Team Österreichs bewahren. Mindestens bis zu den Olympischen Spielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo 2026- so lange läuft sein Vertrag mit dem ÖRV, es wären seine elften Spiele - wird Georg Hackl weiter tüfteln. Auch um die deutsche Dominanz im Rennrodeln, die er über Jahrzehnte mit aufgebaut hat, nicht nur bei einem Weltcup, sondern auch dauerhaft zu durchbrechen. 

Der Artikel wurde am 5. Dezember aktualisiert.