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George Enescu hinterließ nicht nur Musik

19. August 2021

Mit einem hochkarätigen Festival ehrt Rumänien zum 25. Mal seinen größten Komponisten George Enescu. Die DW ist Medienpartner.

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Enescu Festival - Festival für klassische Musik

Der Start zum diesjährigen Enescu-Festival erfolgt erst am 28. August, aber die Vorbereitungen zum 25. Jubiläum laufen bereits jetzt auf Hochtouren. Denn es werden 32 der besten Orchester aus 14 Ländern der Welt erwartet, u.a. die Münchener Philharmoniker mit ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Vladimir Jurowski, die Londoner Symphoniker mit Edward Gardner am Pult und Stargeigerin Patricia Kopatchinskaja, das Nationalorchester Frankreichs mit ihrem neuen Musikdirektor Cristian Macelaru, der auch das WDR-Sinfonieorchesters leitet, das Orchestra dell’Accademia Nazionale Santa Cecilia aus Rom mit Danielle Gatti oder das Concertgebouw mit Daniel Harding und Alan Gilbert, Chefdirigent der NDR-Elbphilharmonie.

Paavo Järvi dirigiert das Eröffnungskonzert mit den Bukarester George-Enescu-Philharmonikern. Im Programm: Die 2. Rumänische Rhapsodie von Enescu, Sibelius‘ Violinkonzert mit Hilary Hahn als Solistin und Rachmaninows 2. Symphonie. Insgesamt werden in den vier Wochen des Festivals - eine Rekordzeit! - um die 4000 Künstlerinnen und Künstler in Bukarest und auf anderen Bühnen des Landes, wie Hermannstadt/Sibiu, Temeswar/Timisoara, Klausenburg/Cluj oder Jassy/Iasi erwartet.

Das Internationale George-Enescu-Festival ist bei weitem das größte Kulturevent Rumäniens, das alle zwei Jahre durch die Kraft der Musik das ganze Land zu verzaubern und zu vereinen mag, das auch über 30 Jahre nach dem Ende der Diktatur nicht zur inneren Ruhe gekommen ist. Es ist fast ein Wunder, wie meisterhaft Rumänien ein solch aufwendiges Prestigeprojekt stemmt - vor allem jetzt unter erschwerten Corona-Bedingungen. Es ist aber auch der Beweis dafür, dass alles, wie schwierig es auch sein mag, gelingen kann, wenn es aus Überzeugung, mit Leidenschaft und Herzblut angegangen wird. Passend dazu das diesjährige Motto des Festivals: "Eine Geschichte aus Liebe." Und diese Liebe zur Musik, zur Musik von George Enescu teilen gleichermaßen der langjährige Intendant Mihai Constantinescu, der künstlerische Leiter Vladimir Jurowski und der Ehrenpräsident des Festivals Zubin Mehta.

Der Dirigenten Vladimir Jurowski
Vladimir Jurowski und sein RSO Berlin beim Enescu-Festival 2019 Bild: DW/M. Weident

Heute vor 140 Jahren, am 19. August 1881, erblickt George Enescu das Licht der Welt in einem kleinen Dorf im Nordosten Rumäniens. Mit sieben Jahren lernt das "Wunderkind" am Wiener Konservatorium Brahms persönlich kennen. Mit 13 studiert er in Paris bei Massenet und Fauré. Eine steile Kariere als Solist beginnt. Sie führt ihn unstet durch die Welt: Broterwerb, um Zeit für seine Kompositionen zu haben. Zeit, die ihm dafür immer viel zu kurz erscheint.

Dennoch schafft er Werke von zeitloser Originalität und Wirkung: Angefangen bei seinen populären Rumänischen Rhapsodien, über seine in die Tiefe der menschlichen Psyche dringenden Oper "Oedipe", 1936 in Paris uraufgeführt, bis zu seiner späten Kammersymphonie von 1954, in der er ganz neue musikalische Ufer erreicht. Komponiert hatte er dieses Werk für zwölf Soloinstrumente nach einem schweren Schlaganfall ein Jahr vor seinem Tod in Paris.

George Enescu
Der rumänische Komponist George Enescu in seinen jungen JahrenBild: gemeinfrei

"Ich erwarte nichts mehr vom Leben, als die Luft zu atmen, ein klein wenig Wärme und gerade noch genug Kraft, um meinen Kompositionen zu leben." Resigniert, praktisch ans Bett gefesselt und fast vereinsamt, sieht der einst so gefeierte Violinvirtuose, Stardirigent, Pianist, Cellist und Lehrer (u.a. von Yehudi Menuhin) dem Tod entgegen. 1946 hatte er seiner geliebten Heimat Rumänien den Rücken gekehrt, unglücklich über das von den Sowjets installierte kommunistische Regime.

Eine wunderbare Beschreibung von Enescus Genie hat 1924 sein Freund Bela Bartok festgehalten, der mit der Eisenbahn nach Bukarest fuhr. Enescu sollte dort ein neues Orchesterwerk des ungarischen Komponisten, Pianisten und Musikethnologen dirigieren. "Gleich nachdem er in den Zug gestiegen war, bat er mich um die Partitur. Angesichts seiner Mimik und des leisen Pfeifens wurde mir bewusst, dass Enescu die komplexesten harmonischen Gebilde, aber auch die Nuancen der Orchestrierung verstanden hatte." Bartok nahm seine Partitur wieder an sich und brachte sie zwei Tage später zur ersten Orchesterprobe mit. "Als Enescu auf das Pult stieg, war das Erste, was er tat, die Partitur zu schließen." Enescu dirigierte das nur kurz in der Eisenbahn gelesene Werk auswendig. "Ich kann nur sagen, dass ich mit offenem Mund dastand. Nie zuvor hat mich etwas so beeindruckt wie das, was bei dieser Probe passierte."

Rumänien Bukarest | George Enescu-Museum
Das heutige Enescu-Museum war sein letzter Bukarester WohnsitzBild: DW/M. Weident-Crummenerl

Mit dem Namen Enescus bin ich als Kind aufgewachsen. Meine Urgroßmutter, die das Glück hatte, den Künstler persönlich zu kennen, erzählte oft von dem großen Maestro, dem bedeutenden Musiker, dem großzügigen und extrem bescheidenen Menschen, der er war. Erst später entdeckte ich seine Musik und anhand von Biografien, von Zeitzeugen und Interviews auch den außergewöhnlichen Menschen Enescu. "Der Jugend empfehle ich Fleiß, Ehre, Selbstlosigkeit und Bescheidenheit - möglichst viel Bescheidenheit" ist eines seiner berühmten Zitate. Ein nicht nur musikalisches Erbe für die folgenden Generationen.

Porträt einer Frau mit schwarzen Haaren
Medana Weident Autorin, Reporterin, Redakteurin, vor allem für DW Rumänisch