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Gerichtsurteil: AfD bleibt rechtsextremer Verdachtsfall

Veröffentlicht 11. März 2024Zuletzt aktualisiert 13. Mai 2024

Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt, dass die Alternative für Deutschland mutmaßlich verfassungsfeindlich ist. Was bedeutet das für die Partei?

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"AfD-Verbot jetzt!" steht auf einem Pappschild, dass eine Demonstrantin vor dem Brandenburger Tor in Berlin in die Höhe hält.
Das aktuelle Gerichtsurteil bestärkt jene, die schon länger von der Politik verlangen, ein AfD-Verbotsverfahren einzuleitenBild: Liesa Johannssen/REUTERS

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte die Alternative für Deutschland (AfD) bereits 2021 als Verdachtsfall eingestuft. Dagegen wehrte sich die Partei in zwei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) in Köln – letztlich ohne Erfolg. Nun musste die AfD eine weitere Niederlage einstecken: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster bestätigte am 13. Mai 2024 das Urteil der Vorinstanz.

Der Verfassungsschutz habe bei seinen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit gewahrt, erklärte das Gericht bei der Urteilsbegründung. Das Vorgehen sei mit dem Grundgesetz, dem Europa- und Völkerrecht vereinbar. Die Möglichkeit, Revision gegen das Urteil einzulegen, hat das OVG Münster nicht eingeräumt. Der AfD bleibt nun nur noch die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig Beschwerde einzulegen. 

Die Einstufung der AfD als Verdachtsfall war die Folge davon, dass sich die Partei nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes zunehmend radikalisiert hatte. Zuvor war sie lediglich ein sogenannter Prüffall gewesen. In diesem Stadium durften nur offen zugänglichen Quellen ausgewertet werden, um die potenzielle Gefahr der AfD für die Demokratie einschätzen zu können.

Verfassungsschutz prüft Texte und Reden

Der Inlandsgeheimdienst konnte zu diesem frühen Zeitpunkt also nur das tun, was alle können: Artikel in Zeitungen und Online-Portalen lesen, TV-Beiträge und Videos im Internet anschauen sowie Reden von AfD-Abgeordneten in Parlamenten und auf Parteitagen hören. Was der Verfassungsschutz dabei registrierte, reichte ihm, um die AfD zum Verdachtsfall hochzustufen.

Ganz weit rechts – Ansichten der AfD zur Europapolitik

Seitdem ist es der Behörde erlaubt, die Partei mit geheimen Methoden ins Visier zu nehmen. Dafür können einzelne Personen in der AfD und ihrem Umfeld als vertrauliche Informationsquellen, sogenannte V-Leute, angeworben werden. Unter bestimmten Voraussetzungen darf auch die Telekommunikation überwacht werden. 

Vorbild Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt?

Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster hat der Verfassungsschutz also weiter freie Hand, die AfD mit den klassischen Methoden eines Geheimdienstes zu überwachen. Inzwischen wird sogar darüber spekuliert, dass die Behörde auf Bundesebene schon in absehbarer Zeit einen Schritt weitergeht und das tun wird, was die Landesämter in den Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bereits getan haben: die AfD als "erwiesen rechtsextremistisch" einstufen.

Durch ein gusseisernes Tor ist der Eingangsbereich einer herrschaftlichen Villa in Potsdam zu sehen. In dem Gebäude haben sich im November 2023 Rechtsextremisten, AfD-Politiker und erzkonservative CDU-Mitglieder getroffen, um über die sogenannte Remigration von Menschen mit ausländischen Wurzeln zu reden.
In dieser Villa in Potsdam trafen sich Rechtsextremisten, AfD-Politiker und erzkonservative CDU-MitgliederBild: Jens Kalaene/dpa/picture alliance

Ein Anhaltspunkt dafür könnte der im Januar 2024 veröffentlichte Bericht des Recherche-Kollektivs "Correctiv" über ein Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam sein, bei dem es um Pläne für eine millionenfache "Remigration" von Menschen mit ausländischen Wurzeln gegangen sein soll. An der Veranstaltung haben neben AfD-Politikern auch erzkonservative Christdemokraten (CDU) teilgenommen.

Debatte um ein AfD-Verbot

Wer als "erwiesen rechtsextremistisch" eingestuft ist, muss mehr denn je auch damit rechnen, vom Verfassungsschutz mit geheimen nachrichtdienstlichen Mitteln ins Visier genommen zu werden. Die schärfste Form der Beobachtung kommt auch als Argument für ein Parteiverbotsverfahren infrage. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht konkrete Vorgaben formuliert: Demnach müssen "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür vorliegen, dass eine Partei die Absicht habe, die freiheitliche demokratische Grundordnung anzugreifen und zu beseitigen.

AfD verbieten?

Daran erinnerte der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, schon vor dem Beginn des Berufungsverfahrens Mitte März: "Für ein Verbotsverfahren muss jetzt noch der aktiv-kämpferische Teil dazukommen, also ein planvolles Vorgehen", sagte Kramer damals auf einer Veranstaltung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Kampagnen-Organisation "Campact" in Berlin und betonte: "Dafür müssen keine Straftaten begangen werden."

Kein Steuergeld für die AfD?

Über das Verbot einer Partei entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Antragsberechtigt sind die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat, in dem die 16 Bundesländer vertreten sind. Gut möglich, dass Deutschlands kleinstes Bundesland, der Stadtstaat Bremen, schon bald die Initiative ergreift. Darauf drängen die drei Regierungsfraktionen: Sozialdemokraten (SPD), Grüne und Linke. Die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen skeptisch: Im Februar 2024 waren laut Deutschlandtrend 51 Prozent gegen ein AfD-Verbotsverfahren.

Eine andere Möglichkeit, die Schlagkraft einer Partei zu schwächen, wäre der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung. Sie ist neben Mitgliedsbeiträgen und Spenden die wichtigste Einnahmequelle für die meisten Parteien. Ob man der AfD den Geldhahn zudrehen könnte, darüber gehen die Meinungen unter Fachleuten genauso auseinander wie bezüglich der Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens.

 

Dieser Artikel wurde am 12.03.2024 veröffentlicht und nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster am 13.05.2024 aktualisiert.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland