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Gertler: "Prävention ist entscheidend"

Sabrina Pabst2. August 2014

Maximilian Gertler ist zurück aus Guinea. Im DW-Interview berichtet der deutsche Arzt von seinen Erfahrungen in dem Land, in dem sich das tödliche Ebola-Virus unkontrolliert ausbreitet.

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Max Gertler ist Internist und Mitarbeiter bei der Forschungsgruppe des Robert-Koch-Instituts zur Infektionsbekämpfung, und für Ärzte ohne Grenzen in Westafrika im Einsatz. (Foto: Ärzte ohne Grenzen)
Bild: Ärzte ohne Grenzen

Deutsche Welle: Wie hoch schätzen sie die Gefahr einer Ebola-Epidemie für Afrika insgesamt und Europa?

Maximilian Gertler: Die Epidemie, wie wir sie gerade dort erleben, hat ein Ausmaß angenommen, das wir so noch nie gesehen haben. Dass es über mehrere Monate und über mehrere Länder Ausbrüche gibt, die miteinander zusammen hängen, besorgt uns sehr. Es wird von Menschen offenbar über hunderte Kilometer getragen. Das ist sehr besorgniserregend und da braucht man eine große internationale Anstrengung, um das jetzt einzudämmen.

Mittlerweile gibt es einen zweiten Arzt, der sich infiziert hat und auch einige Krankenschwestern. Haben sie keine Angst?

Sagen wir mal - einen großen Respekt. Den muss man auch haben. Der erinnert einen täglich daran, dass man sich entsprechend schützen muss und führt vor Augen, mit welchem Feind man es hier zu tun hat. Das ist ganz wichtig. Angst wäre mir ein zu starkes Wort. Da würde ich vielleicht nervös werden und dann macht man vielleicht doch Fehler. Ernstnehmen muss man Ebola und das tun wir auch.

Wie groß schätzen sie die Gefahr für Europa ein? Besteht hier eine Gefahr vielleicht durch Personen, die erkrankt und hier eingereist sind, die aber von ihrer Erkrankung nicht wissen?

In dem regionalen Gebiet, in dem wir kämpfen - das sind jetzt drei Länder in Westafrika - da muss man definitiv davon sprechen, dass die Seuche nicht unter Kontrolle ist. In Liberia vor allem habe ich am Sonntag (27.07.2014) sehen können, dass die Gesundheitsbehörden damit total überfordert sind. Die Fälle und auch die Kontaktpersonen, die andere Menschen wieder anstecken, können nicht ausreichend nachverfolgt werden. Das ist sehr bedrohlich. Inwiefern das tatsächlich eine Gefahr bedeutet, dass Patienten auch nach Europa reisen, das kann ich nicht beurteilen.

Max Gertler steckt in seinem Schutzanzug; sein Körper ist damit komplett verhüllt (Foto: Ärzte ohne Grenzen)
Maximilian Gertler: "Dank unserer Schutzanzüge hat sich noch kein Mitarbeiter angesteckt"Bild: Ärzte ohne Grenzen

Die Inkubationszeit beträgt drei Wochen. Danach ist der Krankheitsverlauf sehr rasant. Es gibt nur eine zehnprozentige Chance, dass man überlebt. Wie müssen die Fachkräfte in Europa geschult werden, um die Symptome zu erkennen?

Prävention ist bei einer Epidemie ganz entscheidend. Die Inkubationszeit ist relativ lang und das bedeutet, dass man die Kontaktpersonen der Erkrankten über diesen Zeitraum nachverfolgen muss. Das heißt, man muss sie jeden Tag aufsuchen, egal wo sie sind. Das ist in abgelegenen Regionen in Afrika schwierig. Aber das ist entscheidend. Sie müssen in den Dörfern entdeckt werden. Die Gesundheitsbehörden müssen deren Kontaktpersonen aufsuchen und schauen, wie es ihnen geht. Und wenn sie feststellen, dass sie erkrankt sind, dann müssen sie sie in ein Behandlungszentrum bringen, damit nicht die Dorfgemeinschaft noch weiter in Gefahr gebracht wird.

Ebola hat einen Vorteil gegenüber vielen Infektionskrankheiten: Es gibt keine versteckte Übertragung, wie es sie bei vielen Infektionskrankheiten gibt, sondern Ebola wird erst dann ansteckend, wenn das Virus ausbricht.

Welche Schutzmaßnahmen unternehmen Sie? Und wie können Sie sich sicher sein, dass Sie keinen Ebola-Virus nach Deutschland bringen?

Nun war ich als Epidermiologe in der luxuriösen Situation, dass ich weniger intensiv mit tatsächlich Erkrankten in Kontakt kam. Und Kontakt heißt, durch die dicken Spezialplastikschichten unserer Schutzanzüge. Da tragen wir drei Handschuhe übereinander. Die Augen sind hinter einer dicken Skibrille, die den letzen Ritz in dem Schutzanzug noch fixiert und verschließt. Diese Maßnahmen haben uns in vielen Ausbrüchen, in denen unsere Mitarbeiter in den letzten Jahren Ebola-Patienten behandelt haben, geschützt. Das zeigt, dass sie wirksam sind. Bisher hat sich keiner unserer Mitarbeiter angesteckt und auch keine Infektionen eingeschleppt.

Müsste die Bevölkerung in Deutschland oder Europa besondere Maßnahmen treffen, Reisen nach Afrika verschieben oder bestimmte Kontakte vermeiden, wie es einige Behörden in Afrika schon empfehlen? Da geraten einige Menschen durchaus schon in Panik, wenn sie das hören, aber nicht richtig informiert sind.

Diese Krankheit ist natürlich eine tödliche Krankheit, auch wenn sie trotz hoher Infektiosität beherrschbar ist. Da ist es verständlich, dass man nervös wird, wenn man daran denkt, sich vielleicht anstecken zu können. Ein großer Teil unseres Einsatzes besteht darin, Aufklärungsarbeit in den Dörfern zu leisten und ununterbrochen das medizinische Personal zu schulen. Unseres, das anderer Organisationen, aber auch das der Gesundheitsbehörden in Afrika. Unter den Helfern sind nur sehr wenige Ärzte.

Maximilian Gertler ist Internist und Mitarbeiter bei der Forschungsgruppe des Robert-Koch-Instituts zur Infektionsbekämpfung und für Ärzte ohne Grenzen in Westafrika im Einsatz.