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Gespür für Erdbebengefahr?

Alexandra Hostert28. April 2015

Von Schlangen, die aus der Erde kriechen, bis zu Fischen, die aus dem Wasser springen: Unzählige Anekdoten erzählen, dass Tiere sich vor Erdbeben auffällig verhalten. Forscher sind diesem Phänomen auf der Spur.

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Rote Waldameise
Bild: imago/blickwinkel

Ameisen sind das Forschungsobjekt von Prof. Ulrich Schreiber, Geologe an der Universität Duisburg-Essen. Er untersucht, ob die Insekten ein nahendes Beben spüren können. Im Neuwieder Becken bei Koblenz hat Schreiber dazu Nester der Roten Waldameise beobachtet. Diese Nester lagen in Gebieten, an denen es Brüche in den Gesteinen der Erdkruste gibt und an denen Erdbeben entstehen können. An solchen Brüchen siedelt sich die Waldameise besonders häufig an. Das könne man sogar statistisch nachweisen, so Schreiber. Warum die Ameisen besonders gerne dort leben, weiß man aber noch nicht genau: "Vielleicht gibt es Gase, die interessant sind für die Ameisen. Wir sehen einen Zusammenhang zum Kohlendioxid und vielleicht gibt es weitere Reaktionen, die für die Ameisen interessante Produkte herstellen".

Die Vorboten der Beben spüren

Diese Gase könnten gleichzeitig die Ameisen anziehen und Erdbeben ankündigen, so die Theorie des Geologen. Aber das müsse man noch genauer untersuchen. Bisher hat Schreiber mehrere Ameisennester im Wald drei Jahre lang mit Kameras beobachtet und Daten über die Bewegung der Ameisen vor kleinen Erdstößen gesammelt. "Vor den Beben gab es in einigen Fällen ganz andere Verhaltensweisen. Wir konnten zwar immer nur das gesamte Nest beobachten, so dass wir über die einzelne Ameise nichts sagen können. Wir haben aber gesehen, dass die Aktivität im Nest plötzlich verändert war", erklärt Ulrich Schreiber.

Ameisenhügel im Wald
Ameisenhügel sind ein lohnendes Beobachtungsobjekt für ErdbebenforscherBild: imago/M. Wunsch

Diese Änderungen seien in einigen Fällen sehr auffällig gewesen. "Das reicht aber noch nicht aus, um statistisch als gesichert zu gelten," so Schreiber. Weitere Studien müssten folgen, um an exaktere Daten zu gelangen, und zwar in Gebieten mit häufigeren und stärkeren Beben.

Von Fischen bis zu Ratten

Aber auch andere Tiere könnten Erbeben vielleicht vorhersagen: Fische und Tauben haben zum Beispiel die Fähigkeit, elektrische oder magnetische Felder wahrzunehmen, die sich vor einem Beben ändern könnten. Schlangen oder Ratten spüren vielleicht schwache Erschütterungen, die einem großen Beben vorausgehen könnten. Bisher haben Forscher aber oft Probleme, so etwas nachzuweisen. Einerseits, weil man noch zu wenig über die Entstehung von Erdbeben weiß und nicht jedes Erdbeben gleich verläuft. Andererseits, weil es oft schwierig ist, Tiere über längere Zeit zu beobachten. Doch inzwischen gibt es kleine und preiswerte Sender, die helfen, Tiere und ihre Bewegungen zu verfolgen.

EINSCHRÄNKUNG Max-Planck-Institut für Ornithologie
Die Ziegen am Ätna können zwar keine Erdbeben vorhersagen - aber VulkanausbrücheBild: MaxCine

Die Ziegen des Ätna

Ein Forscher, der mit solchen Tiersendern arbeitet, ist Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut in Radolfzell. Auch er wollte wissen, ob an den Anekdoten, dass Tiere verschiedene Naturphänomene vorhersagen können, etwas dran ist. Bei Vulkanausbrüchen konnte Wikelski eine interessante Beobachtung machen. Sein Untersuchungsobjekt sind die Bergziegen am Vulkan Ätna auf der italiensichen Insel Sizilien: "Wir haben unsere Beobachtungsinstrumente an Ziegen angebracht, die dann zwei Jahre lang am Ätna umhergestreift sind. Wir konnten zeigen, dass sich ihr Verhalten etwa fünf Stunden vor einem größeren Vulkanausbruch ändert", berichtet Wikelski.

Die Ziegen fingen plötzlich an, aktiv zu werden und herumzulaufen. Dieses Verhalten hat Wikelksi nicht nur einmal beobachtet: "Wir hatten sieben größere Ausbrüche mit Aschewolken, und diese haben die Ziegen jeweils etwa drei bis fünf Stunden vorher vorausgesagt." Das ist noch ein Anhaltspunkt dafür, dass Tiere erstaunliche Fähigkeiten haben, um Naturphänomene vorherzusagen. Bewiesen ist davon zwar bisher nur wenig - aber vielleicht liegt das auch daran, dass die Tiere einfach noch nicht genau genug beobachtet wurden.