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Gestatten, James Webb

4. Mai 2010

Die Tage des lengendären Weltraumteleskops Hubble sind gezählt. Sein Nachfolger, der noch sehr viel mehr entdecken soll, steht schon fast in den Startlöchern.

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Eine künstlerische Darstellung des Weltraumteleskops James Webb, das 2014 ins All gebracht werden soll (Foto: picture-alliance/dpa)
So in etwa soll James Webb aussehenBild: picture alliance / dpa

Amerikaner und Europäer arbeiten bereits mit Hochdruck am Hubble-Nachfolger, dem James Webb-Weltraumteleskop, benannt nach dem Nasa-Chef während der Apollo-Jahre. Es soll im Jahr 2014 starten. "Das James Webb-Teleskop ist nur insofern ein Hubble-Nachfolger, als es ein Teleskop ist, das im Weltraum stationiert ist. Darüber hinaus gibt es verhältnismäßig wenig Gemeinsamkeiten", erklärt Rudolf Albrecht, früherer Leiter der Europäischen Koordinierungsstelle für das Hubble-Weltraumteleskop in Garching. "Hubble kreist in 600 Kilometern um die Erde, das James Webb Space Telescope wird in eineinhalb Millionen Kilometern Entfernung stationiert werden."

Weit, weit weg!

Das Hubble-Konzept - entworfen Anfang der 70er Jahren in Zeiten größter Raumfahrt-Euphorie - gilt als überholt: Die recht niedrige Umlaufbahn war wegen der Wartungsmissionen durch die US-Raumfähren erforderlich, ist aber für astronomische Beobachtungen eher hinderlich. Daher kommt James Webb an einen abgelegenen Platz jenseits der Mondbahn. Dort gibt es einen Bereich, in dem sich die Anziehungskräfte von Erde und Sonne praktisch aufheben. Auf kostspielige Wartungsmissionen - der Clou des Hubble-Projekts, weil sich auf diese Weise das Teleskop immer wieder mit neuen Instrumenten modernisieren ließ - muss man beim James Webb-Teleskop verzichten. So weit draußen sind bemannte Missionen bisher unmöglich.

Allerdings planen die Astronomen alle Eventualitäten ein, meint augenzwinkernd John Mather, Physik-Nobelpreisträger und Chefwissenschaftler des neuen Weltraumteleskops: "Wir bauen ein paar Haltegriffe und ähnliche Vorrichtungen ein, die es Astronauten erleichtern würden, mit dem Teleskop zu arbeiten – wer weiß, was in zwanzig Jahren in der Raumfahrt alles möglich sein wird."

Hubble-Weltraumteleskop (Foto: NASA)
Seit 20 Jahren liefert Hubble grandiose Bilder. Wenn die Astronomen Glück haben, halten die Kameras und alle technischen Systeme noch fünf bis zehn Jahre durch. Doch dann wird man Hubble gezielt im Südpazifik versenkenBild: NASA

Start: voraussichtlich 2014

James Webb wird mit einer europäischen Ariane-Rakete von Kourou in Französisch-Guayana ins All starten. Dabei ist das ganze Teleskop zusammengeklappt. Im Weltraum sollen sich dann der Teleskopspiegel und einige andere Komponenten entfalten wie ein Regenschirm. 18 Spiegel-Segmente müssen sich perfekt anordnen. Nur dann kann das Teleskop seine volle Leistung bringen, erklärt John Mather: "Das Ausklappen des Hauptspiegels im All wird der schwierigste und kritischste Teil der Mission sein. Wir arbeiten mit einer Firma zusammen, die bei anderen Satelliten schon 2000mal etwas entfaltet hat. Bisher ist dabei alles gut gegangen." Das ist keine Garantie, dass es auch bei James Webb klappt, aber John Mather und sein Team haben Vertrauen zu den Ingenieuren. Es bleibt ihnen auch nichts anderes üblich. Denn einen Spiegel mit 6,5 Metern Durchmesser kann man nicht in einem Stück ins All hieven - so etwas passt in keine Rakete.

Die Herstellung der 18 hexagonalen, aus Beryllium bestehenden Spiegelsegmente, hat bereits begonnen. Die Teile werden von Stützelementen aktiv gesteuert, so dass sie immer eine perfekte Spiegeloberfläche bilden. Auf der Erde ist so ein Verfahren Standard, im All dagegen Neuland. Wenn es nicht funktioniert, hätte das James-Webb-Teleskop ein Problem mit der Optik - in schlechtester Hubble-Tradition: Denn Hubbles Hauptspiegel ist fehlerhaft geschliffen, weshalb es dreieinhalb Jahre nach dem Start eine Art Brille verpasst bekam.

Die Sombrero Galaxie, eine der vielen spektakulären Aufnahmen von Hubble, das bald von James Webb abgelöst werden soll (Foto: NASA)
Die Sombrero-Galaxie, eine der vielen spektakulären Aufnahmen von Hubble, das bald von James Webb abgelöst werden sollBild: NASA

James Webb wird runtergekühlt

Das nächste Weltraumteleskop arbeitet nicht mehr im sichtbaren Licht, sondern im nahen Infrarot. Es beobachtet also die Wärmestrahlung aus dem All. Doch um die Wärme der fernen Himmelskörper zu spüren, muss es selbst extrem kalt sein. Das ist neben dem auszuklappenden Hauptspiegel eine weitere technische Herausforderung, betont Mark McCaughrean, Astronom am Technik-Zentrum der Europäischen Weltraumorganisation Esa im niederländischen Noordwijk und einer der führenden Mitarbeiter des Projekts: "Das Teleskop muss auf unter minus 200 Grad Celsius gekühlt werden, damit alle Instrumente empfindlich genug sind, um wirklich die Wärmestrahlung aus dem All zu registrieren. Die Tests sind jetzt sehr aufwändig: Wir können die Instrumente nur in einer Eiskammer bei der Nasa erproben."

Die Kühlung im All ist dagegen genial einfach: Das James Webb-Teleskop bekommt einen riesigen Sonnenschirm. Die Instrumente liegen also ständig im Schatten und kühlen sich so im Vakuum des Weltraums extrem ab. Das Ausklappen des Sonnenschirms von den Ausmaßen eines Tennisplatzes ist für die gesamte Mission ein äußerst kritischer Vorgang. Ohne Schatten wäre James Webb viel wärmer als geplant - und damit gleichsam blind im Infrarotbereich. Dann ließen sich viele der wissenschaftlichen Ziele von Mark McCaughrean und seinen Kollegen nicht erreichen: "Das James Webb-Teleskop ist vor allem eine Maschine für das erste Licht im Kosmos. Wir wollen die frühesten Galaxien beobachten, die sich schon recht bald nach dem Urknall gebildet haben."

Weil sich das Universum ausdehnt, ist das sichtbare Licht dieser sehr fernen Galaxien längst ins Infrarote gedehnt worden. Daher lassen sich die fernsten Galaxien nur mit einem Infrarotteleskop wie James Webb aufspüren. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt wird die Entstehung von Sternen und Planeten sein. Diese Objekte sind zwar verglichen mit den fernen Galaxien sehr nah. Dennoch sind die Astronomen auf die Infrarottechnik angewiesen. Denn Sterne und Planeten bilden sich in dichten Staubwolken, die ebenfalls nur im Bereich der Wärmestrahlung zu erkennen sind.

Nasa behält die Federführung

Hubble hat die öffentliche Wahrnehmung der Astronomie massiv verändert. Viele Hubble-Bilder sind geradezu Ikonen der Wissenschaft. Da wundert es nicht, dass die Nasa den Europäern zwar angeboten hat, sich an den Instrumenten an Bord von James Webb zu beteiligen. Allerdings ließ die Nasa zu keinem Zeitpunkt Zweifel aufkommen, dass sie die Hauptkamera beisteuert. Dieses gerade für die Kommunikation nach außen so bedeutende Instrument wollte man auf gar keinen Fall aus der Hand geben. John Mather zählt fast schon die Tage, bis das neue Superauge Position im All bezieht: "Eine wunderbare Lehre aus Hubble ist, dass man niemals genau das sehen wird, womit man gerechnet hat. Es wird da draußen im fernen Kosmos viele Überraschungen geben, die wir mit James Webb entdecken."

Autor: Dirk Lorenzen
Redaktion: Judith Hartl