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Gestrandete Wale: Explosionsgefahr!

Brigitte Osterath (mit dpa)14. Januar 2016

Lange hielt man es für eine Urban Legend, aber es stimmt tatsächlich: Bei der Handhabung gestrandeter Wale wie jetzt an der Nordseeküste ist Vorsicht angesagt. Die Körper der Kolosse können platzen.

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Gestrandeter Pottwal vor Helgoland Foto: picture-alliance/dpa/C. Rehder
Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Wenn ein Wal strandet, ist das immer ein trauriges Ereignis. Dieses Ende hat jetzt elf Pottwale an der Nordseeküste ereilt, auf den Inseln Wangerooge, Helgoland und Texel, vor Bremerhaven und in der Nähe von Büsum.

Manchmal gelingt es Naturschützern, den riesigen Meeressäuger wieder ins sichere Gewässer zu befördern. Oft aber kommt jede Hilfe vergeblich oder zu spät. Das bedeutet dann den Tod für das Tier.

Ein weiblicher Pottwal wiegt 15 Tonnen, ein Männchen sogar bis zu 60 Tonnen. Verirren sie sich in zu flache Gewässer und stranden schließlich, kann das Gewicht ihres Körpers ihre Blutgefäße und die Lunge abdrücken. Daran sterben sie; der Todeskampf kann mehrere Stunden dauern.

Die Chemie des Todes

Nach dem Tod des Tieres setzt die Verwesung ein. Die Haut beginnt zu schrumpeln, im Bauch des Tieres entstehen Verwesungsgase. Bakterien und Pilze zersetzen die komplizierten Biomoleküle des Organismus.

Ein lebender Körper setzt sich gegen diese Prozesse zur Wehr; nach dem Tod aber haben die winzigen Zersetzer freien Lauf. Mensch und Tier besitzen in ihren Körperzellen zudem Eiweiße, die eigene Zellen zersetzen. Die werden nach dem Tod frei und legen los.

Streng genommen spricht man von Verwesung nur dann, wenn Sauerstoff beteiligt ist, die Zersetzung also an der Luft stattfindet. Im Inneren eines Wals finden unter Luftausschluss stattdessen Fäulnisprozesse statt. Bei beidem entstehen allerdings Gase: im ersten Fall Kohlendioxid, im zweiten Fall Ammoniak sowie giftiger und nach faulen Eiern riechender Schwefelwasserstoff.

Gestrandete Pottwale vor Wangerooge Foto: picture-alliance/dpa/A. van Elten
Insgesamt elf tote Pottwale liegen an den Stränden der NordseeküsteBild: picture-alliance/dpa/A. van Elten

Gefahr im Sommer größer

Die Gase stauen sich im toten Körper des Wales auf. Liegt der Körper zu lange am Strand, kann der Druck im Inneren so stark werden, dass es ihn auseinander reißt. (Für ein Video auf YouTube siehe hier) Allerdings ist das eher die Ausnahme als die Regel. In den meisten Fällen gelingt es, den Kadaver rechtzeitig zu zerlegen und abzutransportieren.

Besonders groß ist die Gefahr einer Walexplosion, wenn es sehr warm ist: Hitze beschleunigt die Zersetzungsprozesse des Körpers um ein Vielfaches. Dass die Pottwal-Kadaver auf Wangerooge, Helgoland und Texel explodieren könnten, halten Experten für unwahrscheinlich. "So warm ist es im Moment ja nicht", sagte Mathias Heckroth der Deutschen Presseagentur dpa. Heckroth arbeitet für die Naturschutzvereinigung Mellumrat, die sich auf der Insel um Ranger-Aufgaben kümmert. Trotzdem bemühen sich die Behörden, die toten Wale so schnell wie möglich vom Strand zu entfernen.

Spontan oder gewollt

Dass verrottende Wale im ungünstigen Fall tatsächlich platzen können, zeigte sich im Jahr 2004 in der taiwanischen Stadt Tainan. Die Behörden hatten einen 17 Meter langen und 50 Tonnen schweren gestrandeten Pottwal mit Kränen auf einen Lkw geladen und in die Stadt zur Entsorgung gefahren. Während des Transports explodierte der Wal und seine Überreste spritzten zum Entsetzen der vielen Zuschauer über die Straße.

Eine Walexplosion kann auch absichtlich erfolgen, so im Jahr 1970 im US-Bundesstaat Oregon. Man entschloss sich, den Kadaver mit Dynamit zu sprengen. Das allerdings war keine gute Idee, denn die Körperfetzen richteten großen Schaden an und waren überdies zu groß, um von Aasfressern gefressen zu werden - was man eigentlich bezweckt hatte.

Pottwal
Pottwale sind Meister des TieftauchensBild: picture-alliance/Wildlife

Warum sind die Wale gestrandet?

Pottwale sind Tiefseetaucher und leben in Gewässern mit mehreren Tausend Metern Tiefe. Die flache Nordsee ist gefährlich für die Tiere, sagte Manfred Knake vom Wattenrat Ostfriesland. "In der nur bis 100 Meter tiefen Nordsee funktioniert das Echolot der Tiere nicht mehr richtig. Sie verirren sich hilflos."

Sind die Tiere aus Versehen einmal in die Nordsee gelangt - etwa durch die Norwegische Rinne, einen 700 Meter tiefen Meeresgraben westlich von Norwegen - finden sie so schnell nicht wieder heraus.

Knake glaubt nicht, dass Unterwasserlärm etwa durch Windkraftanlagen zum Tod der Tiere beigetragen hat. "Das Phänomen der Pottwal-Strandungen ist seit Jahrhunderten bekannt." Es seien immer nur wenige Tiere, die sich verirrten, und stets Männchen. Manchmal könnten auch ganze Walverbünde bei den Färöer- oder Shetland-Inseln zu früh abbiegen und in Richtung Nordsee schwimmen.