Geteilte Reaktionen in Lateinamerikas Presse
1. Dezember 2009Die in Honduras' südlichem Nachbarland Nicaragua erscheinende Tageszeitung "La Prensa" sieht in den Wahlen vor allem eine Niederlage für den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Washingtons Ankündigung, die Wahl anzuerkennen, käme für Chávez zwar nicht einem Waterloo gleich, bedeute für seine expansionistischen Pläne aber eine schwere Schlappe.
"Die große internationale Unterstützung, die die Wahl schließlich erfuhr, zeigt, die Honduraner waren nie so allein, wie sie glaubten. Ein großer Teil der Welt unterstützt ihren Wunsch, ihre Demokratie vor dem Chavismus zu retten und in Freiheit zu leben", kommentiert "La Prensa" aus Nicaragua.
"Ein zweiter Staatsstreich"
In Venezuela hingegen lässt sich das staatliche Fernsehen über die Wahlen in Honduras aus und kritisiert die "illegalen Wahlen und die Scheinheiligkeit in Washington. (…) Wir sollten unsere Solidarität mit dem honduranischen Volk im Hinblick auf die große Gefahr, die uns umgibt beibehalten," fordert "Venezolana de Television". "Die Wahlen (...) stellen einen zweiten Staatsstreich gegen das honduranische Volk dar, dieses Mal unterstützt und finanziert durch Washington."
In Mexiko dagegen zieht die linksliberale Tageszeitung "La Jornada" einen Vergleich zu den Wahlen in Uruguay und schreibt: "In Uruguay haben die Bürger den linksgerichteten Kandidaten José Mujica zweifelsfrei zum Präsidenten gekürt." Die Wahlen in Honduras dagegen bezeichnet die Zeitung als "Farce", durchgeführt von Putschisten und Usurpatoren mit der Rückendeckung aus Washington: "Dadurch wird versucht, den Angriff auf die Institutionen im vergangenen Juni und die Abschiebung des verfassungsmäßigen Präsidenten Zelaya zu legitimieren." Unter diesen Umständen ist für "La Jornada" der Sieg Lobos "ohne Bedeutung".
"Tadellos und ruhig"
Auch in Südamerika werden kritische Stimmen laut. Für die argentinische Zeitung "El Clarín" ist die Wahl an sich ein Fehler: Die Tageszeitung befürchtet, dass die aufgeheizte Stimmung der vergangenen Monate durch den Wahlgang noch weiter hochkocht und neue Putsche befeuert werden könnten: "Die Formel ist einfach: Die Verfassungen werden vernebelt, eine Regierung wird abgesetzt, und bald darauf wird mit ein paar Stempeln die Anarchie legitimiert."
In Chile hingegen meldet sich die konservative Tageszeitung "El Mercurio" zu Wort: "Es zeigt sich, dass viele Honduraner aus verschiedenen sozialen Schichten und politischen Parteien in den Wahlen das Ende der politischen Krise sehen. Der Honduras-Korrespondent der Tageszeitung bezeichnet die Wahlen als "tadellos" und hebt ihren ruhigen Verlauf hervor.
Doch auch in Chile werden kritische Stimmen laut. So kommentiert die Tageszeitung "La Tercera": "Eine Gruppe von Ländern, an deren Spitze die Vereinigten Staaten stehen, hat verkündet, dass sie die Wahlen anerkennen werden. Das bedeutet, dass der Fleck, den der Putsch vom 28. Juni hinterlassen hat, verwaschen wird. Das Ergebnis ist ein Sieg für Micheletti, nicht aber für Honduras und die Demokratie."
Zu den Verlieren zählen für "La Tercera" auch Zelaya und Chávez. Vor allem aber sieht das Blatt in den Wahlen ein Armutszeugnis für die Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika. Die Zeitung wirft den USA Inkonsequenz vor: Von der ursprünglichen Empörung über den Putsch sei nichts mehr zu spüren, statt dessen seien jetzt Gleichgültigkeit und Akzeptanz an der Tagesordnung.
Autorin: Athene Pi Permantier
Redaktion: Sven Töniges