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Gewalt gegen Demonstranten stärkt Opposition

Christian Ignatzi2. Dezember 2013

Nach der Polizeigewalt gegen Demonstranten in Kiew verliert Präsident Viktor Janukowitsch weiter an Rückhalt. Auch die EU fordert von der Ukraine, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu respektieren.

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Proteste in der Ukraine (Foto: REUTERS/Valentyn Ogirenko)
Bild: Reuters

Die Regierungsgegner in der Ukraine erhöhen den Druck auf Präsident Viktor Janukowitsch. Mit Straßenblockaden verwehrten sie zum Wochenbeginn Regierungsbeamten den Zugang zu ihren Büros, hielten unter anderem das Rathaus besetzt. Zudem haben sie in Kiews Innenstadt Zelte errichtet, in denen rund 5000 von ihnen nach den Massenprotesten am Sonntag (01.12.2013) die Nacht verbrachten. Am Rande der Proteste war es zu gewaltsamen Zusammenstößen gekommen, bei denen nach ukrainischen Behördenangaben mehr als 150 Demonstranten und Polizisten verletzt wurden.

"Das Aggressionspotenzial ist auf beiden Seiten vorhanden", sagt der Politikwissenschaftler Andreas Umland, der derzeit an der Universität in Kiew lehrt. Vor allem auf Seiten der Demonstranten wurde der Ton rauer, nachdem Medien berichtet hatten, dass nach Übergriffen der Polizei in der Nacht auf Samstag (30.11.2013) eine der zahlreichen Verletzten im Krankenhaus ums Leben gekommen sei.

Dass die Polizisten aus Notwehr handelten, glaubt keiner. Vielmehr habe die Regierung testen wollen, wie weit sie gehen kann, glaubt Umland: "Die Aktion war ein Versuchsballon." In der Ukraine sei ein derart gewalttätiges Vorgehen der Polizei gegen Protestierende eher ungewöhnlich, erklären Landeskenner. "Die Ukraine hat so etwas noch nicht erlebt", sagte der oppositionelle Abgeordnete Andrej Schewtschenko der Nachrichtenagentur dpa. Mit der Gewaltaktion hat Janukowitsch die Bevölkerung nun noch stärker gegen sich aufgebracht.

Opposition schließt sich zusammen

Die Proteste richteten sich anfangs gegen Janukowitschs Europapolitik. Auf dem EU-Gipfel zur östlichen Partnerschaft hatte der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union (EU) vorerst scheitern lassen. Unter dem Druck Russlands hatte er schon zuvor angekündigt, das ausgehandelte Freihandelsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Russland möchte, dass die Ukraine Mitglied der eurasischen Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Weißrussland wird und sieht eine Öffnung der ukrainischen Grenzen für EU-Produkte kritisch.

Die Entscheidung, das Abkommen platzen zu lassen, könnte Präsident Janukowitsch nun sein Amt kosten. "Wenn es so weitergeht, wird es einen Regierungswechsel geben", sagt Politikwissenschaftler Umland. Dann könnte die Opposition eine Übergangsregierung bilden. Deren drei Parteien Batkiwschina, Udar und Swoboda haben sich zu einer gemeinsamen "Aktionsgruppe des nationalen Widerstands" zusammengeschlossen. Kyryl Savin, der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, erklärt die Machtverhältnisse im DW-Gespräch: "Der eigentliche Oppositionsführer ist Arsenij Jazenuk von der Batkiwschina-Partei, obwohl er in den Umfragewerten hinter der Udar liegt." Ihr Vorsitzender, der Boxer Vitali Klitschko, sei nicht präsent genug. "Erst kürzlich musste er Kiew plötzlich wegen eines Termins in Hamburg verlassen." Politologe Umland glaubt trotzdem, "dass Klitschko Präsident werden könnte". Eine echte Stärkung der Opposition durch den Zusammenschluss sieht er allerdings nicht: "Sie arbeiten ohnehin schon seit 2012 zusammen."

Nach der Polizeigewalt gehen die Proteste in Kiew weiter. (Foto: epa)
Nach dem Polizeieinsatz gehen die Proteste in Kiew weiterBild: picture-alliance/dpa

Präsident Janukowitsch sorgt für Verwirrung

Auch innerhalb der eigenen Partei scheinen Präsident Janukowitsch unterdessen mehr und mehr die Felle davonzuschwimmen. Obwohl der Präsident beteuerte, nichts mit den Angriffen der Polizei auf die Demonstranten zu tun zu haben, verließen viele Abgeordnete seine Partei. Offenbar glauben sie ihm nicht. Auch der Chef des Präsidialamts war angeblich unter ihnen. "Die Meldungen überschlagen sich aber derzeit und wir wissen nichts Genaues", beschreibt Umland die chaotischen Zustände im Gespräch mit der DW. "Die Regierung scheint aber in Panik zu geraten." Sicher zurückgetreten ist der Kiewer Polizeipräsident, der die Verantwortung für die Gewaltaktion übernahm. "Den schiebt der Präsident jetzt aber vor, um von sich abzulenken", glaubt Umland. "In der Ukraine gibt es keinen autonomen Polizeiapparat, wie etwa in Südamerika", sagt Umland, der glaubt, dass die Initiative vom Präsidenten ausging.

Kritik auch von der EU

Die EU fordert nun eine Erklärung. "Wir verurteilen das Vorgehen der Polizei in Kiew zutiefst, die übertriebene Gewalt gegen friedliche Demonstranten eingesetzt hat", teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mit.

Angesichts des bisherigen Verlaufes der Proteste, schließt Andreas Umland weitere Gewalt nicht aus. Der Politologe fordert deshalb, dass die EU einschreitet. "Sie muss Russland zu verstehen geben, dass der Druck, den das Land auf die Ukraine ausübt, nicht tragbar ist", sagt er. Erst wenn die Ukraine das Abkommen mit der EU unterzeichne, würde auf den Straßen Kiews wieder Ruhe einkehren.

Die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch treffen sich am 29.11.2013 in einem Hotel in Vilnius (Litauen). (Foto: dpa)
Viktor Janukowitsch beim EU-Gipfel am Freitag in Litauen mit Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa

Wichtig sei das vor allem, weil die Ukraine derzeit den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) innehat. Am 5. und 6. Dezember soll in Kiew die OSZE-Ministerkonferenz stattfinden. "Wir fordern deshalb, dass die Ukraine die internationalen Verpflichtungen einhält, Meinungs- und Versammlungsfreiheit respektiert", sagte Catherine Ashton.