Gewalt in Afghanistan hält unter Taliban-Herrschaft an
27. Juni 2023Auch nach der Machtübernahme durch die Taliban hält die Gewalt in Afghanistan an. Die dortige UN-Mission UNAMA verzeichnete von August 2021 bis Mai 2023 fast 1100 Getötete und knapp 2700 Verletzte in dem Land am Hindukusch. Die meisten Opfer habe es bei Sprengstoffattentaten in Moscheen oder auf öffentlichen Plätzen gegeben, heißt es in einem Bericht. Vor allem die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) und andere nicht näher benannte "regierungsfeindliche Elemente" seien hierfür verantwortlich.
Besonders betroffen ist laut den Vereinten Nationen die Minderheit der schiitischen Hasara, die seit Jahren Ziel von Anschlägen in dem mehrheitlich sunnitischen Land ist. Der IS, der mit den Taliban verfeindet ist, betrachtet Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung als Abtrünnige. Auch im Zuge von Angriffen auf die Taliban seien mindestens 63 Zivilisten getötet und mehr als 360 verletzt worden.
UNAMA beklagt zudem, die radikalislamischen Taliban, die vor der Machtübernahme selbst immer wieder Sprengstoffattentate verübt hatten, hinderten Journalisten systematisch daran, über Anschläge zu berichten. So seien Medienschaffende willkürlich festgenommen und misshandelt worden. Die von Taliban-Behörden veröffentlichten Opferzahlen seien vielfach "unrealistisch".
Die Islamisten hatten bei ihrer Machtübernahme versprochen, nach Jahrzehnten des Krieges für mehr Sicherheit zu sorgen. Zugleich schränkten sie allerdings bürgerliche Freiheiten massiv ein; vor allem die Rechte von Frauen und Mädchen wurden zunehmend beschnitten. Bislang hat kein Land der Welt der Taliban-Regierung, die auch Angehörige der Zivilgesellschaft verfolgt, die offizielle Anerkennung ausgesprochen.
Aufnahmeprogramm für Gefährdete läuft wieder an
Einreisen nach Deutschland über das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen sind derweil wieder möglich. Wie das Auswärtige Amt am Montag bestätigte, werden die dafür nötigen Visa im pakistanischen Islamabad ausgestellt. Ende März hatte die Bundesregierung die Visavergabe im Rahmen des Aufnahmeprogramms vorübergehend gestoppt. Als Grund wurden Hinweise auf mögliche Missbrauchsversuche genannt. Künftig werden die Betroffenen durch Angehörige deutscher Sicherheitsbehörden befragt.
Konkret geht es bei dem Programm um den Schutz von Menschen, die in Afghanistan wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte oder durch ihre Tätigkeit etwa in Justiz, Politik oder Medien in Gefahr sind. Vorgesehen ist, dass monatlich 1000 besonders bedrohte Personen dauerhaft nach Deutschland kommen.
jj/as (dpa, afp, epd)