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Gewalt in Zentralafrika flammt wieder auf

Gwendolin Hilse1. Oktober 2015

Bei Ausschreitungen in der Hauptstadt Bangui wurden in den vergangenen Tagen mehr als 40 Menschen getötet. Experten warnen vor einem neuen Bürgerkrieg. Dabei sollen am 18. Oktober Wahlen stattfinden.

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UN-Friedenstruppe in Bangui
Bild: picture-alliance/AA/H.C. Serefio

Für Zentralafrikas Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza nahm die diesjährige UN-Generalversammlung am Dienstag ein jähes Ende. Sie brach ihren Aufenthalt in New York ab, denn aufgebrachte Demonstranten zogen durch die Straßen von Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, errichten Barrikaden und forderten ihren Rücktritt sowie den Abzug des internationalen Militärs. Ein Mob wollte den Präsidentenpalast stürmen, aber die Soldaten der UN-Mission MINUSCA konnte das verhindern. Augenzeugen berichten von Schüssen, die bis in die späte Nacht zu hören gewesen seien, als die Soldaten versuchten, Plünderer davon abzuhalten, Einrichtungen von Hilfsorganisationen zu überfallen.

Mittlerweile ist von mindestens 42 Toten und hunderten Verletzen die Rede. Mehr als 30.000 Menschen haben ihre Häuser verlassen, um in Flüchtlingslagern nahe der internationalen Militärstationen Schutz zu finden. Am Montagabend verhängte die Regierung eine Ausgangssperre. Dennoch fühlen sich die Menschen nicht sicher. "Die Ärzte trauen sich nicht, aus dem Haus zu gehen, um die Verletzten zu versorgen", berichtet Romaric, ein DW-Hörer aus Bangui. Barrikaden und die Ausgangssperre erschwerten den Krankentransport. "Die Leute werden hier in Schubkarren ins Krankenhaus gebracht." Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen schlagen in Hinblick auf die humanitäre Situation Alarm.

Catherine Samba-Panza
Übergangspräsidentin Catherine Samba-PanzaBild: Reuters

"Immer wieder das gleiche Szenario"

Die Unruhen begangen am Samstag (26.09.2015), als ein muslimischer Motorradtaxifahrer in dem mehrheitlich von Muslimen bewohnten PK-5-Distrikt der Hauptstadt mit durchtrennter Kehle gefunden wurde. Als Antwort auf den Mord griffen Muslime mit Granaten und Schusswaffen christliche Stadtviertel von Bangui an. Am Sonntagmorgen mobilisierten Anhänger der mehrheitlich christlichen Anti-Balaka-Miliz Sympathisanten aus allen Regionen des Landes. Sie errichteten Straßensperren und griffen eine Polizeiwache an. Ziel der Kämpfer war es, Waffen zu erbeuten. Die Beamten konnten die Angreifer jedoch zurückschlagen.

Bei den Protesten am Montagnachmittag wurden mehrere Menschen getötet. Augenzeugen berichten der Nachrichtenagentur AFP, dass Blauhelmsoldaten das Feuer auf Demonstranten eröffnet hätten - die UN-Truppen streiten die Vorwürfe ab. Am Abend brachen mehr als 100 Menschen aus dem städtischen Gefängnis aus, die meisten von ihnen Anti-Balaka-Kämpfer.

Zentralafrikanische Republik: Proteste und Gewalt in Bangui Foto: Herve Cyriaque Serefio / Anadolu Agency
Die Proteste gegen die Übergangsregierung mündeten in GewaltBild: picture-alliance/AA/H.C. Serefio

"Es ist immer wieder das gleiche Szenario in der Zentralafrikanischen Republik", sagt Thierry Vircoulon von der International Crisis Group (ICG) im DW-Gespräch. "Ein Toter, egal ob Muslim oder Christ, löst Gewalt zwischen den beiden Religionen aus und es kommt zu blutigen Ausschreitungen."

Samba-Panza vermutet Putschversuch

"Das Ganze war nicht anderes als ein Versuch, die Macht mit Gewalt an sich zu reißen", so die Präsidentin Samba-Panza in ihrer Ansprache im nationalen Radio am Mittwochabend. Sie verdächtigt Anhänger des 2013 entmachteten Präsidenten François Bozizé hinter den Unruhen. Sie lasse sich von der Gewalt nicht einschüchtern und appelliere an die internationalen Truppen, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Welle der Gewalt einzudämmen, so Samba-Panza.

Der Christ Bozizé wurde 2013 von der muslimischen Séléka-Rebellengruppe aus dem Amt geputscht. Diesen Sommer kündigte er seine Rückkehr aus dem Exil an - mit der Absicht, bei den Wahlen im Oktober als Präsident zu kandidieren. Die amtierende Übergangsregierung droht im jedoch mit Festnahme. Sie wirft ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aufruf zum Genozid vor.

Francois Bozize
Will zurück an die Macht: Ex-Präsident François BozizéBild: AFP/Getty Images

Sorge vor einem Bürgerkrieg

Die UN-Sicherheitsexpertin für die zentralafrikanische Republik, Marie-Therese Keita Bocoum, warnt davor, dass das Land erneut im Bürgerkrieg versinken könnte, sollten die Gewalt nicht eingedämmt und die Milizen nicht entwaffnet werden. Auch Samba-Panza fordert eine bedingungslose Abrüstung aller bewaffneten Gruppen im Land. Außenminister Samuel Rangba bat auf der UN-Generalversammlung um mehr Unterstützung bei der Ausbildung und Ausrüstung des Militärs.

"Die Ereignisse der vergangenen Tagen zeigen ganz klar, dass es immer noch religiöse Spannungen in der Zentralafrikanischen Republik gibt", sagt Thibaud Lesueur, Analyst der der ICG, im DW-Gespräch. "Die internationale Gemeinschaft hat geglaubt, dass sich die starken inneren Spannungen im vergangenen Jahr ein wenig beruhigt hätten." Nun sei es wichtig, dass die Blauhelmsoldaten Präsenz demonstrierten. "Sie müssen den Menschen zeigen, dass sie im Stande sind, diese Milizen zu verhaften und die Bevölkerung zu schützen."

Zwar betont der Minister für öffentliche Sicherheit, Dominique Saïd Panguindji, die Situation sei "unter Kontrolle". Das für den 4. Oktober angesetzte Verfassungsreferendum wird jedoch nicht stattfinden können. Nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch, weil das Wählerverzeichnis lückenhaft ist. Auch die für den 18. Oktober angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stehen auf der Kippe. Momentan sei die Situation zwischen den verschiedenen Gruppen zu angespannt, um überhaupt an Wahlen zu denken, meint ICG-Experte Vircoulon. "Die Leute, die die Wahlen im Oktober oder November organisieren wollten, haben ganz einfach die Sicherheitslage unterschätzt."

Mitarbeit: Abu Bakarr Jalloh, Eric Topona und Mireille Dronne