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Gewalt in Manipur bedroht Indiens Frauenfußball

John Duerden
5. September 2023

Manipur gilt als führende Region des Frauenfußballs in Indien. Doch die Gewalt in dem Bundesstaat bedroht diesen Erfolg. Es ist unklar, ob der Sport wieder in die Spur kommt und zur Einigung des Landes beitragen kann.

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Ngangom Bala Devi (l.) mit einem Mädchenfußball-Team der United Poona Sports Academy im indischen Pune
Ngangom Bala Devi (l.) mit einem Mädchenfußball-Team der United Poona Sports Academy im indischen PuneBild: Sanket Wankhade/Hindustan Times/imago images

Lange Zeit galt Manipur als das Herz des Frauenfußballs von Indien. Doch in den vergangenen Monaten ist der Bundesstaat im Nordosten des Landes an der Grenze zu Myanmar wegen seiner Konflikte in die Schlagzeilen geraten.

Im Mai schlugen ethnische Spannungen zwischen der Stammesgruppe der Kuki, die in den Bergen der Region lebt und der Mehrheit der Meitei, die überwiegend im Imphal-Tal lebt, in Gewalt um. Die Verteilung von Land war dabei genauso Streitpunkt, wie die Frage der politischen Repräsentation. Seitdem sollen dem Konflikt etwa 160 Menschen zum Opfer gefallen sein, schätzungsweise 40.000 bis 60.000 Menschen mussten ihr Zuhause verlassen und sind auf der Flucht. 

Die Lage in dem Bundesstaat, in dem drei Millionen Menschen leben, beruhigte sich zunächst, doch Ende August flammte die Gewalt dann erneut auf. Lokalen Berichten zufolge wurden bei diesen jüngsten Zusammenstößen zwischen Kukis und Meiteis weitere 18 Menschen getötet. Manipurs Status als Sporthochburg, insbesondere im Frauenfußball, könnte durch die Gewalt langfristig in Gefahr geraten.

Große Fußball-Geschichte 

In Manipur gibt es eine außergewöhnlich ausgeprägte Kultur des Frauensports. Aus der Region kamen immer wieder große Talente, die auch den Weg in die Nationalmannschaft fanden. Im vergangenen Juni gewann das Team Manipurs zum 21. Mal die nationale indische Fußball-Meisterschaft - nur fünfmal überhaupt gewann ein anderes Team.  

"Fußball ist die Nr. 1 im Sport in Manipur, Männer und Frauen sind hier gleich", sagte die aus Manipur stammende Stürmerin der indischen Nationalmannschaft Ngangom Bala Devi der DW. Frauen würden gefördert und seien den Männern ebenbürtig. "Das breitet sich jetzt auch in anderen Teilen Indiens aus, aber in Manipur gilt das traditionell für eine Reihe von Sportarten und nicht nur für Fußball", erklärt Bala Devi. 

Ngangom Bala Devi im Trikot der Glasgow Rangers
Ngangom Bala Devi spielte von 2020 bis 2021 in Schottland bei den Glasgow Rangers Bild: Alex Todd/Sports Press Photo/imago images

Debanish Achom, der in Manipur lebt und als Redakteur der Lokalnachrichten arbeitet, hebt ebenfalls die traditionelle Kultur der Gleichstellung von Männern und Frauen hervor und weist auf den dadurch entstehenden "natürlichen sportlichen Vorteil" der Menschen aus Manipur im Sport hin. "Jeder, ob Mann oder Frau, treibt Sport", sagt Achom. "Und Fußball ist einer davon." 

Frauen seien in Manipur relativ unabhängig und hätten Zeit und Lust, Fußball zu spielen, betont Achom. Außerdem spielt für ihn auch das Wetter eine Rolle. In Manipur ist es generell kühler, als in großen Teilen des restlichen indischen Festlandes mit extremer Hitze im Sommer. 

Rückschlag für den Sport

Das Bild der Gleichberechtigung ist im Juli durch ein Video massiv erschüttert worden, in dem eine Gruppe Meitei-Männer zwei Kuki-Frauen nackt vorführt, nachdem sie mutmaßlich Opfer einer Gruppenvergewaltigung geworden waren. Der indische Premierminister Narenda Modi sagte, der Vorfall habe das ganze Land beschämt und kündigte an, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden würden. 

"Dieses Video wurde in den sozialen Medien massenhaft verbreitet und löste in ganz Indien Empörung aus", sagte Debanish Achom. Die Bilder des ethnischen Konflikts in Manipur haben laut Achom zum Image des Bundesstaates als ein "für Frauen unsicherer Ort" beigetragen. Das hat auch Einflüsse auf den Fußball. Frauen und Mädchen haben es aktuell schwerer, Fußball zu spielen, weil ganze Gegenden abgeriegelt sind, während Sicherheitskräfte versuchen, die Situation unter Kontrolle zu bringen. "Es gibt zwei verschiedene Regionen, das Flachland und die Berge", erklärt Nationalspielerin Bala Devi. "Die, die in den Bergen leben, können nicht runter ins Tal und umgekehrt." 

Protestierende Menschen halten den Schriftzug "Manipur" in die Höhe
Proteste für Manipur: In Kalkutta forderten Studentinnen und Studenten Indiens Ministerpräsident Modi auf, die Region zu besuchenBild: Bikas Das/AP Photo/picture alliance

Nur noch die Top-Spielerinnen, die in den anderen Teilen Indiens leben und in der Nationalmannschaft spielen, sind momentan noch aktiv. "Es ist ein Problem an der Basis und für jüngere Mädchen, deren Leben gestört wurde", so Bala Devi. Das alles könne langfristig den Status Manipurs als Sportvorreiter-Region kosten. "Die Trainingsplätze können nicht instand gehalten werden, da die Regierung hohe Ausgaben für Nothilfe und den Wiederaufbau hat", erklärt Journalist Achom. Spieler, die in den Bergen von Manipur lebten, könnten aufgrund von Straßensperren nicht in die Hauptstadt Imphal kommen, wo die Sportinfrastruktur  noch vorhanden sei.

Die Rolle des Fußballs

Auch wenn Fußball und Sport allgemein durch die jüngsten Unruhen in den Hintergrund getreten sind, besteht die Hoffnung, dass das "schöne Spiel" den Weg in die Zukunft Manipurs weisen kann. "Wir alle - ob Meiteis, Kukis oder andere - haben für Indien gespielt. Und das war nie ein Problem für uns", betont Bala Devi. "Wir spielen und trainieren zusammen, der Fußball vereint uns durch seine Kraft und es gibt zwischen uns keine Unterschiede." Die Gewalt habe die Menschen in Manipur getrennt, glaubt sie. "Aber der Fußball kann sie wieder zusammenbringen." 

Frieden und die Rückkehr des Fußballs in Manipur wären sehr wichtig für Indiens Frauen-Nationalmannschaft, besonders im Hinblick auf die jüngste Erweiterung der Frauen-WM auf 32 Teams. Sie bringt eine Endrundenteilnahme für Nationen wie Indien in greifbare Nähe. Bei der WM 2023 in Australien und Neuseeland hatten einige der "kleinen Teams" für Aufmerksamkeit gesorgt - darunter zum Beispiel die Philippinen. 

"Wenn die Philippinen sich qualifizieren können, können wir es auch", sagte Bala Devi mit Blick auf die WM-Premiere der asiatischen Konkurrenz, die zum Zeitpunkt der Qualifikation für die WM-Endrunde im FIFA-Weltranking sogar hinter Indien lag. "Marokko, Jamaika und Haiti haben es geschafft, wir können es auch", betont sie und ist äußert dennoch Sorge: "Das Hauptproblem ist, dass wir nicht regelmäßig Fußball spielen können und die Ligen in verschiedenen Staaten verstreut sind."

Die nationale indische Liga, "die nur einen Monat oder anderthalb Monate dauert", ist aus Sicht von Bala Devi nicht ausreichend. Die Lösung sieht sie in einer neuen, indienweiten Frauen-Liga nach Vorbild der Männer-Liga. "Die Männer-Liga steht ziemlich gut da. Mit der gleichen Unterstützung wie die Männer-Liga können wir uns für die Weltmeisterschaft qualifizieren", glaubt Bala Devi, die vor ihrem Karriereende unbedingt noch "bei einer WM spielen" will. "Das wäre großartig für Indien."

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.