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Gewaltphantasien einer Heimleiterin

Mathias Bölinger15. August 2016

Berlin hat einem Betreiber von Flüchtlingsunterkünften gekündigt, nachdem Mitarbeiter in Mails rassistische Gewaltphantasien ausgetauscht haben. Die rechtsradikale Vergangenheit einer Heimleiterin war bereits bekannt.

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Flüchtlingsunterkunft Berlin Hellersdorf (Bild: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B.Pedersen

In E-Mails schwadronieren sie ausgiebig und detailreich von Kindern, die mit der Guillotine enthauptet und deren Leichen anschließend in einem "großvolumigen Krematorium" verbrannt werden. Und es scheint, als hätten sich die Mitarbeiter der Firma PeWoBe dabei prächtig amüsiert. Nun dürfte ihnen das Lachen allerdings vergangen sein. Die Berliner Senatsverwaltung hat den Vertrag mit der Firma gekündigt.

PeWoBe steht für "Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft". Die Firma betreibt elf Flüchtlingsunterkünfte in Berlin und einige weitere in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Der besondere Schwerpunkt der PeWoBe liege in einer "angemessenen Betreuung der Bewohner durch geeignete und fachlich geschulte Mitarbeiter", heißt es auf der Webseite der Gesellschaft.

Enthauptungen und Krematorien

Doch an der Professionalität und Eignung dieser Mitarbeiter gibt es erhebliche Zweifel, seit interne E-Mails mit makabren Scherzen aufgetaucht sind. Mehrere leitende Angestellte tauschten sich darüber aus, wie mit einer Spende über 5000 Euro umgegangen werden soll. Ein Sandkasten komme nicht in Frage, weil "der bei unseren Bewohnergruppen schnell zu einem Aschenbecher oder einem heimischen Klo" werde, schrieb die Heimleiterin Peggy M. in dem Mailverkehr, der am Wochenende von mehreren Zeitungen zitiert wurde. Als Alternative schlägt sie eine "Kinderguillotine" vor. Daraufhin schicken sich die Mitarbeiter Fotos von Guillotinen und abgeschlagenen Köpfen. Eine Kollegin warnt, Enthauptungen machten so viel Dreck, "weil es immer ein bisschen spritzt". Außerdem ist die Rede von einem Krematorium, für das die Firma "unser Umweltzertifikat wieder bekommen" würde, weil die Abwärme "zielführend eingesetzt" werde. Fazit der Mitarbeiterin: "Wir sind so gut." Saubermachen sollten dann übrigens "maximal pigmentierte" Bewohner.

Der rassistische Mailverkehr war zunächst der Senatsverwaltung zugespielt worden. Am vergangenen Samstag stand ihr Inhalt dann in der Presse. "Der derzeitige Umgang mit dem unsäglichen und aus meiner Sicht nicht erklärbaren und durch nichts zu entschuldigendem Mailaustausch macht deutlich, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der PeWoBe nicht mehr möglich ist", teilte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) daraufhin mit. Es seien nicht nur die E-Mails, die ihn an der Eignung des Betreibers zweifeln lassen. "Wir haben in mehreren Unterkünften Hinweise zu Qualitätsmängeln erhalten. Auch nach wiederholten Begehungen sind Mängel nicht vollständig abgestellt worden." Der Vertrag wurde fristlos gekündigt. Für die Unterkünfte sollen neue Betreiber gesucht werden. Alle Standorte sollen erhalten bleiben.

Mario Czaja, Sozialsenator von Berlin (Bild: dpa)
Sozialsenator Mario Czaja nahm die E-Mailaffäre zum Anlass, der umstrittenen Firma PeWoBe zu kündigenBild: picture-alliance/dpa/P.Zinken

Skandalträchtige Firma

Beschwerden über die PeWoBe gibt es schon seit längerem. Die Firma betreibt unter anderem die Unterkunft im Ostberliner Stadtteil Hellersdorf, die vor drei Jahren in den Schlagzeilen war, weil Rechtsextreme wochenlang gegen das Heim protestierten. Seit einiger Zeit, so klagt der Verein "Hellersdorf hilft", werde die Unterkunft von einer neuen Leiterin geführt, die einen rechtsradikalen Hintergrund habe. Peggy M. habe 2008 im brandenburgischen Bernau für die rechtsextreme Deutsche Volksunion für einen Sitz im Kommunalparlament kandidiert. Es handelt sich um dieselbe Peggy M. die in ihren Mails über Kinderguillotinen schwadronierte. Den Bewohnern des Heims soll sie mit den Worten "Ich Chef, Du nix", gegenübergetreten sein, heißt es in der Mitteilung des Vereins weiter. Eine ihrer Amtshandlungen sei es gewesen, den Heimbewohnern das WLAN-Netz abzuschalten.

Bereits seit längerem klagen die Helfer über die Zustände in dem Heim. "Es ist natürlich schade, dass es erst zu dieser E-Mail-Affäre kommen musste, bevor der Firma gekündigt wurde", sagt Stephan Jung, Pressesprecher von "Hellersdorf hilft". "Anlass genug hätte es auch vorher schon gegeben". Jung berichtet von regelmäßigen Klagen der Flüchtlinge über den Umgang im Heim. Dort herrsche ein Klima der Einschüchterung. Mehr Details möchte er nicht nennen, denn die PeWoBe hat den Verein auf Unterlassung abgemahnt und mit einer Klage gedroht.

Screenshot Berliner Zeitung bz-berlin.de
Auszüge aus dem E-Mailverkehr der Mitarbeiter veröffentlichte die Boulevardzeitung B.Z. am vergangenen SamstagBild: bz-berlin.de

Verbindungen zum Amtsleiter

Wenn man allerdings die Archive der Berliner Lokalpresse durchstöbert, trifft immer wieder auf seltsame Umstände im Zusammenhang mit der PeWoBe. So soll die Firma Mitarbeiterlisten gefälscht haben, um zu verbergen, dass sie viel weniger Menschen beschäftigt als es die Regeln der Stadt Berlin erfordern. Zudem wurde in Zusammmenhang mit der Firma gegen den inzwischen suspendierten Leiter des Landesamts für Gesundheit und Soziales, Franz Allert, ermittelt. Der Vorwurf: Allert habe der PeWoBe Aufträge zugeschustert, weil sein Patensohn Geschäftsführer einer Firma sei, die mit der PeWoBe über Anteilsbeteiligungen verwoben sei.